"Der Krieg um die Terrassen - Warum Bürgermeister gegen die Regierung rebellieren", schreibt De Morgen auf Seite eins. "In Lüttich, der Bastion der Horeca-Aufständischen", so eine Überschrift bei Le Soir. "Jean-Marie Dedecker zieht in den Kampf um die Terrassen - "Wäre ich 20 Jahre jünger, dann würde ich die Revolution entfesseln"", zitiert Het Laatste Nieuws auf seiner Titelseite den Bürgermeister von Middelkerke.
Noch interessanter als den westlichen Truppenabzug aus Afghanistan, die Situation an der Grenze zwischen Russland und der Ukraine und die Kanzlerkandidatur bei der Union in Deutschland findet das GrenzEcho nach eigener Aussage den sich anbahnenden Showdown im Horeca-Sektor. Der ist für das Blatt mit einer unheimlichen Sprengkraft ausgestattet und könnte in Lüttich und, noch näher, in Verviers, und, wer weiß, vielleicht sogar in Ostbelgien ausgetragen werden. Hier geht es nicht um die berühmte Schlacht am kalten Buffet. Hier geht es um die grundsätzliche Infragestellung der staatlichen Macht. Früher nannte man so etwas Revolution oder Aufruhr. Als Opernfreunde am 25. August 1830 in die Brüsseler Oper strömten, wo man "La muette der Portici" gab, ahnte auch niemand, dass danach Revolution sein würde, kommentiert das GrenzEcho.
Die Überraschungen der Corona-Krise
La Dernière Heure blickt in ihrem Leitartikel auf das mögliche baldige Ende der Verpflichtung, wo möglich von zu Hause aus zu arbeiten. Falls sich die epidemiologische Lage verbessert, könnte das nämlich ab Juni anstehen. Früher war die Verringerung der Arbeitszeit immer eine der zentralen Forderungen der Gewerkschaften. Aber seit einem Jahr ist vielen klar geworden, dass zu viel Zeit zu Hause zu verbringen auch keine Lösung ist. Und dass Homeoffice seine ganz eigenen Nachteile mit sich bringt. Positiv betrachtet muss man sich weniger weit bewegen, um zu arbeiten. Außerdem schaut einem der Chef nicht so oft über die Schulter und man hat die Möglichkeit, seine Arbeit nach den eigenen Bedürfnissen und Wünschen zu organisieren. Aber andererseits reduziert die Telearbeit die sozialen Kontakte erheblich. Ganz zu schweigen von praktischen Schwierigkeiten, wie sich konzentrieren zu müssen, während die Kinder in der Wohnung spielen. Das wird wohl dazu führen, dass viele sich freuen werden, wenn sie sich morgens wieder auf den Weg zur Arbeit machen können. Ähnliches gilt im Übrigen auch für die Kinder und Jugendlichen, die ab Montag wieder die Schulbank drücken dürfen. Arbeitnehmer und Schüler, die mit Freude wieder an die Arbeit gehen - die Corona-Krise hat wahrlich Überraschungen für uns bereitgehalten, frotzelt La Dernière Heure.
Beim Thema Kinder und Jugendliche und Schule bleibt auch L'Avenir in ihrem Kommentar. Ja, die Schulbildung ist zweifelsohne sehr wichtig, unterstreicht die Zeitung. Und der politische Wille, eine kontinuierliche Erziehung zu gewährleisten, ist natürlich lobenswert. Aber über die Anstrengungen, die Schüler um jeden Preis retten zu wollen, hat man eines ganz vergessen: Nämlich, dass die Kinder und Jugendlichen vor allem eines sind – jung. Und zum Jungsein gehört, sich bewegen zu können, zu reisen, andere junge Menschen und Kulturen kennenzulernen, die Widrigkeiten der echten Welt zu erfahren und zu einem vollwertigen Bürger werden zu können. Auf all das müssen junge Menschen - mit Ausnahme einer kurzen Zeit im letzten Sommer – seit einem Jahr verzichten. Und während dieses Jahres sollten sie sich nicht beklagen, weil die Erwachsenen versuchten, das zu retten, was sie als wichtigstes Element betrachten: die Schule, beklagt L'Avenir.
Brüsseler Impfprobleme
Het Laatste Nieuws befasst sich mit dem Fortschritt der Impfkampagne in Brüssel. Der ist zäher als in Flandern und der Wallonie. So hat man etwa Schwierigkeiten, den kritischen Impfgrad von 70 Prozent bei den älteren Menschen zu erreichen. Und auch die Impfwilligkeit beim Personal in den Brüsseler Alten- und Pflegeheimen ist mit 47 Prozent auffällig niedrig. Wenn das ein Vorzeichen für die allgemeine Motivation in der Hauptstadt ist, sich immunisieren zu lassen, dann müssen wir uns wohl noch auf eine ziemlich lange Wartezeit einstellen, bis ein breiterer Schutzeffekt vorhanden sein wird. Und auch wenn die Impfkampagnen eine regionale Befugnis sind, so müssen doch in ganz Belgien genug Menschen gegen das Virus geimpft werden, wenn wir zu einem normalen Leben zurückkehren wollen. Die Brüsseler Impfskepsis ist also auch ein flämisches und wallonisches Problem. Wir können es uns einfach nicht erlauben, dass die Hauptstadt zu einer Insel im Land mit einem Impfgrad von höchstens 60 Prozent wird, warnt Het Laatste Nieuws.
Mit dieser Problematik beschäftigt sich auch Het Nieuwsblad: In Brüssel ist der Widerstand gegen die Impfungen so groß, dass den Menschen sogar angeboten wird, selbst ihr Vakzin zu wählen. Und auch in der Wallonie lässt der Elan der Immunisierungskampagne nach. Und die schlimmsten Infektionsherde sind Namur und das Hennegau, wo die Begrenzung der sozialen Kontakte der Menschen laut Experten ein echtes Problem gewesen ist. Die Diskussion über Privilegien für Geimpfte ist bereits in vollem Gange. Aber die nächste Diskussion, die ansteht, ist die darüber, ob Flandern mit Regionen solidarisch bleiben muss, die nicht nur weniger eifrig impfen, sondern in denen die Schutzmaßregeln auch weniger befolgt werden. Es ist höchste Zeit, dass die lokalen Behörden in den jetzigen Virus-Brandherden den politischen Mut aufbringen, die Zügel für eine Weile anzuziehen. Oder sie werden alle mit nach unten ziehen, wettert Het Nieuwsblad.
Ein akuter weltweiter Notfall
L'Echo schließlich befasst sich mit einer globalen Frage im Kampf gegen die Pandemie: den Patenten auf die Coronavirus-Impfstoffe. "Sollten diese zeitweise aufgehoben werden?", fragt die Wirtschaftszeitung. Dagegen sträuben sich die Europäische Union, die Vereinigten Staaten und die Pharmakonzerne. Aber es ist wirklich an der Zeit, diese Forderung durchzusetzen und die Firmen dazu zu bringen, nicht nur rein kommerziell zu denken.
Die Welt kann es sich einfach nicht erlauben, dem Virus in ärmeren Regionen quasi freien Lauf zu lassen. Denn das bringt die Gefahr neuer, unkontrollierbarer Mutationen mit sich, siehe Brasilien. Es muss schneller und umfassender geimpft werden – und zwar in allen vier Himmelsrichtungen. Und das ist nicht nur eine humanitäre Debatte, sondern auch eine gesundheitspolitische und wirtschaftliche. Es geht hier um einen akuten weltweiten Notfall, mahnt L'Echo.
Boris Schmidt