Als Historiker weiß ProDG-Sprecher Freddy Cremer genau: Die Forderung ist so alt wie die Zugehörigkeit des deutschen Sprachgebietes zu Belgien. "Seit der endgültigen Eingliederung der sogenannten neubelgischen Gebiete in das Königreich Belgien im Jahr 1925, also vor genau 100 Jahren, wird diese garantierte Vertretung in der Kammer immer wieder gefordert."
Noch in den letzten Jahren war sie in Resolutionen aufgegriffen worden. Hintergrund für den erneuten Vorstoß ist die geplante Abschaffung des Senats. Die neue Föderalregierung will ihn bis zu den nächsten Wahlen abschaffen, wofür es noch eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament braucht.
"Totgesagte leben länger", griff Freddy Cremer, eine Redewendung auf. "Ich werde aber jetzt keine Trauerrede auf den Senat halten. Aber jedem muss bewusst sein, dass die ostbelgische Bevölkerung mit der Beseitigung des Senats die einzige garantierte Vertretung auf föderaler Ebene verliert. Zwar soll die Präsenz der Gliedstaaten und somit auch der DG im Konzertierungsausschuss gestärkt werden. Dies darf aber meiner Meinung nach kein Ersatz für eine garantierte Vertretung in der Abgeordnetenkammer mit aktuell insgesamt 150 Mitgliedern sein."
Aktuell ist der Kelmiser Luc Frank Mitglied dieser Abgeordnetenkammer, weil er einen aussichtsreichen Platz auf der Kammerliste von "Les Engagés" im Wahlkreis Lüttich bekommen hatte. Solches Entgegenkommen gab es im Laufe der Geschichte immer wieder bei den "traditonellen" Parteien, wie Steffi Pauels (CSP) unterstrich.
"Möglicherweise hätte es die Autonomieentwicklung Ostbelgiens in ihren Anfängen nicht oder deutlich anders gegeben, wenn Abgeordnete wie Willy Schyns, Albert Gehlen oder Fred Evers nicht ständig auf unsere Situation aufmerksam gemacht hätten. Auch danach haben die ostbelgischen Vertreter in der Kammer wichtige Arbeit geleistet und dafür gesorgt, dass gerade die fast lückenlose Vertretung der Deutschsprachigen in der Kammer nach 1925 nicht nur für uns, sondern auch für Belgien insgesamt einen Mehrwert brachte."
Die PFF-Abgeordnete Evelyn Jadin scheute sich nicht vor einem noch näherliegenden Vergleich. "Wo wären wir denn ohne die damalige Stimme unserer Föderalabgeordneten Kattrin Jadin gewesen? Hätten wir unseren Gerichtsbezirk beibehalten können? Wäre es zu einer Refinanzierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft gekommen? Ich denke nicht."
Vergleichbare Lobbyarbeit gab es auch von ostbelgischen Senatoren, etwa zur Stellung der deutschen Sprache - auch wenn Vivant-Sprecher Michael Balter nun frohlockte. "Zuerst einmal ist es äußerst erfreulich, dass der Senat, dieses alte Konstrukt, diese Versorgungseinrichtung für Politiker, endlich abgeschafft wird."
Seine Fraktion hatte noch auf den letzten Drücker einen Abänderungsvorschlag zur Resolution eingereicht, der unter anderem Folgendes vorsah: "Eine angemessene und garantierte Vertretung der Bevölkerung des deutschen Sprachgebiets in der Abgeordnetenkammer vorzusehen und dies kostenneutral." Damit kam Vivant nicht durch, schon weil sich die Kosten nicht leicht beziffern ließen und es den Eindruck erwecken könnte, es gehe nur um ein sparpolitisches Entgegenkommen. Dabei dürfte die Umsetzung eines eigenen Wahlkreises schon aus Gründen des Verhältniswahlrechts und des Proporzes nicht leicht werden.
Ecolo warnte vor Abschottung durch den Verzicht auf die sogenannte Listengruppierung mit (größeren) Schwesterparteien, "gerade weil wir kreativ werden müssen und gerade weil unser Statut als nationale Minderheit Ausnahmeregelungen rechtfertigt. Gerade deshalb war es nicht nötig, den Umgang mit den Listengruppierungen hier in dieser Resolution so festzuschreiben. Ich verstehe total, dass wir dafür bei ProDG keine Offenheit finden. Aber ich verstehe nicht, warum die CSP/Les Engagés, die PFF/MR oder die SP/PS diesen Weg mitgehen, wo es doch auch im Interesse Ihrer Parteien wäre, in einem ersten Schritt weiter zu denken", so Fabienne Colling.
Die SP-Fraktion trug die Resolution der drei Mehrheitsfraktionen jedenfalls mit. "Sollte es zu einer Abschaffung des Senates kommen, dann ist die gesetzlich garantierte Vertretung der Bewohner des Gebietes deutscher Sprache in der Kammer notwendiger denn je."
Umso mehr bedauerten ProDG, CSP und PFF, dass es nicht zu einem einstimmigen Beschluss kam - als einem starkem Signal in Richtung Brüssel. Worin auch Ecolo einstimmte, die sich wie Vivant bei der Abstimmung letztlich enthielt "Es ist sehr schade, dass es nicht zu einem Konsens gekommen ist", so Fabienne Colling, "ich hoffe, dass wir trotzdem in den nächsten Jahren dieser garantierten Vertretung ein Stück näher kommen."
Stephan Pesch
Warum nicht auch noch einen ständigen Sitz im UNO Sicherheitsrat fordern.
Aber Spass beiseite. Eine garantierte Vertretung auf föderaler Ebene ist nicht zwingend notwendig. Das kann doch die Regierung der DG tun. Wir haben 4 Minister und das reicht eigentlich.
Ich glaube eher, es geht um "schöne Pöstchen".