"Pflichtrückkehr für infizierte flämische Jugendliche aus Spanien - bereit für 16 Stunden im Coronabus", titelt Gazet van Antwerpen. "Zehn Scout-Camps innerhalb einer Woche wegen Covid geschlossen", meldet La Libre Belgique auf Seite eins. "Die Delta-Variante lädt sich in den Urlaub ein", so die Überschrift bei Le Soir.
Gazet van Antwerpen kommentiert anlässlich diverser Corona-Probleme im Zusammenhang mit den Sommerferien die epidemiologische Lage im Kontext unseres Verhaltens: Explodierende Fallzahlen in Israel und Großbritannien, Portugal und Spanien wieder größtenteils rot auf der europäischen Risikokarte: Es ist offensichtlich, dass der Kampf gegen das Virus an mehr als einer Front geführt werden muss. Dabei ist die Impfung natürlich die wichtigste Waffe, aber sie reicht nicht für den Sieg. Die zweite Waffe sind Reisebeschränkungen. Natürlich ist und muss sicheres Reisen möglich sein, auch für den Tourismussektor. Aber die massenhaften Ansteckungen unter feiernden Jugendlichen in Spanien machen eben deutlich, dass nicht egal was möglich ist.
Es ist ganz klar zu früh für Diskotheken und Feiern. Wir sollten vielleicht auch das Wort "Lockerungen" vorerst aus unserem Vokabular streichen. Der flämische Ministerpräsident Jan Jambon (N-VA) will ja zum 1. September die Mundschutzmasken-Pflicht fallen lassen. Aber warum sollten wir das tun? Wir haben uns an sie gewöhnt, sie sind günstig und wirken. Wir dürfen doch schon wieder enorm viel, was wir lange nicht durften. Lieber so ein Leben mit einigen Einschränkungen als zurück zu neuen Verschärfungen und vollen Krankenhäusern, oder?, so die rhetorische Frage von Gazet van Antwerpen.
Keine Zeit mehr für Samthandschuhe
De Morgen greift den sehr niedrigen Corona-Impfgrad im Brüsseler Pflegesektor auf. Dabei ist das Personal doch jeden Tag in engem Kontakt mit trotz vollständiger Impfung besonders gefährdeten Menschen. Gerade wegen der Delta-Variante. Es ist gut, dass der föderale Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke (Vooruit) einen Aktionsplan angekündigt hat und unter anderem veröffentlichen lassen will, wieviel Prozent des Personals in welchem Krankenhaus oder Alten- und Pflegeheim geimpft sind.
Aber wird dieser öffentliche Druck reichen? In jedem Fall ist es ein notwendiger Schritt zur Transparenz, denn die Menschen wollen wissen, welchem Risiko ihre Angehörigen dort ausgesetzt sind. Die Heime haben eigentlich auch gar keine Wahl mehr: Wollen sie bereit sein wollen für den Herbst mit seinem möglichen Wiederaufflammen der Pandemie, dann ist jetzt keine Zeit mehr für Samthandschuhe. Und dann kann man die Impfung für das Personal auch gleich vorschreiben. Wie es übrigens bei Hepatitis B schon lange der Fall ist, erinnert De Morgen.
Die einzig logische Entscheidung
Lange lag es in der Luft, jetzt ist es bestätigt: Die Olympischen Spiele in Tokio werden ohne Stimmung und Zuschauer stattfinden, schreibt La Libre Belgique. Eine Entscheidung, die zwar bitter für die Athleten ist, aber schon viel früher hätte fallen müssen. Diese Entscheidung scheint die einzig logische zu sein angesichts der Zunahme der Corona-Fälle während der Fußballeuropameisterschaft.
Gerade, weil nur zwölf Prozent der japanischen Bevölkerung vollständig geimpft sind und sie zu den ältesten der Welt gehört. Und auch angesichts der überwältigenden Ablehnung: 80 Prozent der Japaner wollen eine Verschiebung oder sogar Absage der Olympischen Spiele. Das Land wird die getätigten Investitionen ohne Zuschauer nie wieder hereinholen. Aber zumindest um das Internationale Olympische Komitee müssen wir uns keine Sorgen machen, dank der millionenschweren Fernsehübertragungsrechte, giftet La Libre Belgique.
Ein sehr gefährlicher Balanceakt
Das größte Thema in den Leitartikeln ist jedoch die Neutralitätsdebatte rund um die föderale Regierungskommissarin im Institut für die Gleichstellung von Frauen und Männern, Ihsane Haouach, die am Donnerstag auch in der Fragestunde der Kammer Thema war. Haouach steht seit ihrer Ernennung wegen ihres Kopftuchs in der Kritik. In einem Interview hatte sie außerdem angedeutet, dass für sie die Trennung von Kirche und Staat kein absolutes und unumstößliches Prinzip sei, sondern von der demographischen Entwicklung abhängig sein könne. Was sie im Nachhinein versuchte, zu erklären und zu nuancieren.
Es ist eine Tatsache, dass schon rein die Geburtenzahlen in Belgien zu einer Änderung der Bevölkerungszusammensetzung führen werden, sprich, dass der Islam an Einfluss gewinnen wird, stellt Het Belang van Limburg fest. Es ist übertrieben von einer Bedrohung durch eine sogenannte "Umvolkung" zu sprechen. Aber die Politik wird sich, ob sie es nun will oder nicht, damit befassen müssen. Wir müssen mehr denn je unsere demokratische Grundordnung und die schwer erkämpfte Trennung von Kirche und Staat verteidigen. Es darf absolut keine Rede davon sein, dieses Rad zurückzudrehen. Haouach balanciert hier, ob nun gewollt oder ungewollt, auf einer sehr gefährlichen Linie. Wenn wir nicht konstant deutlich machen, dass hier kein Verhandlungsspielraum besteht, geben wir denen freie Bahn, die unsere Grundrechte demontieren wollen. Das sollte gerade eine solche Regierungskommissarin doch am besten verstehen. Oder die Konsequenzen ziehen, fordert Het Belang van Limburg.
Auch wenn Premierminister Alexander De Croo (Open VLD) am Donnerstag in der Kammer einen offiziellen Schlussstrich unter die Debatte ziehen wollte und der Regierungskommissarin die gelbe Karte gezeigt hat, ist in dieser Debatte das letzte Wort noch nicht gesprochen, glaubt Het Nieuwsblad. Innerhalb der Regierungsparteien gibt es echte, ideologische Differenzen. Und sowohl die Grünen von Ecolo, die Haouach ernannt haben, als auch die frankophonen Liberalen MR, die die Attacken gegen sie vorangetrieben haben, haben ausreichend opportunistisch-politische Gründe, um diese Spannungen aufrechtzuerhalten. Das muss kein Problem darstellen, wenn es zu zwar scharfen aber sachlichen Debatten über unser gesellschaftliches Zusammenleben führt. Aber das Risiko wächst, dass die Mehrheitsparteien hier von einem Scharmützel ins nächste taumeln. Und das kann sich die Regierung bei solchen Themen echt nicht erlauben, unterstreicht Het Nieuwsblad.
Boris Schmidt