"China schwieg wochenlang über das Coronavirus", so die Aufmachergeschichte von Het Nieuwsblad. Die Zeitung beruft sich auf eine Recherche der medizinischen Fachzeitschrift "The Lancet". Demnach wurden die ersten Verdachtsfälle konsequent totgeschwiegen. Ein Arzt, der einige Studenten vor der neuen Krankheit gewarnt hatte, sei sogar festgenommen worden. Indem es die Bevölkerung und die Fachwelt nicht informiert hat, hat China die Möglichkeit vertan, die Krankheit unter Kontrolle zu bekommen, bevor das Coronavirus zur Epidemie wurde, so die Einschätzung der Experten.
"Die Suche nach einem Impfstoff ist ein Rennen gegen die Zeit", notiert derweil La Libre Belgique auf Seite eins. Weltweit arbeiten Wissenschaftler unter Hochdruck an Präparaten, die helfen sollen, das Coronavirus einzudämmen. In Belgien ist vor allem die KU Löwen spezialisiert auf diesen Forschungszweig.
"Das Ganze hat sich angefühlt wie ein postapokalyptischer Film", sagt Leen Vervaeke auf Seite eins von De Morgen. Die Journalistin arbeitet unter anderem für De Morgen und auch die VRT. Sie gehörte zu den Belgiern, die aus Wuhan ausgeflogen wurden und steht jetzt unter Quarantäne im Militärkrankenhaus von Neder-Over-Heembeek. Sie beschreibt Wuhan als eine Geisterstadt. Nach ihrem Krankenhausaufenthalt will sie sofort wieder nach China zurück.
"Lila-Gelb oder nichts"
Einige Zeitungen beschäftigen sich auch heute wieder mit der innenpolitischen Lage. Seit dem vergangenen Freitag richten sich ja alle Augen auf den amtierenden Justizminister und CD&V-Spitzenpolitiker Koen Geens. Der König hatte ihn überraschend zum neuen "Beauftragten" gemacht, einen offiziellen Titel gibt es nicht. Der Palast hat hier offensichtlich einen Alleingang gewagt. Alle Parteien wurden jedenfalls regelrecht auf dem falschen Fuß erwischt. Das gilt offensichtlich in erster Linie für die CD&V, also die Partei von Koen Geens.
"Koen Geens bekam postwendend von seiner Partei die Flügel gestutzt", schreibt De Standaard auf seiner Titelseite. Anscheinend war man bei den flämischen Christdemokraten "not amused" darüber, dass Geens den Auftrag ohne vorherige Absprache angenommen hatte. Das konterkariere die Strategie der Partei. Bei einer Krisensitzung wurde Geens demnach anscheinend dazu verdonnert, eine möglichst kurze Runde zu drehen und bloß nicht an einer Koalition ohne die N-VA zu arbeiten. "Geens wird von seiner Partei zurückgepfiffen: eine Vivaldi-Koalition kommt nicht in Frage", notiert auch Le Soir auf Seite eins. "Lila-Gelb oder nichts", so bringt es De Tijd auf den Punkt.
Die Wege des Palastes sind unergründlich
Die Mission von Koen Geens scheint also schon unter einem schlechten Stern zu stehen. "Und wenn es im Mai keine neue Regierung gibt, dann tendiert Bart De Wever zu Neuwahlen", bemerkt Het Laatste Nieuws auf seiner Titelseite. "De Wever erhöht den Druck auf dem Kessel", meint denn auch De Morgen. Und La Libre Belgique fragt sich, was das für Folgen hätte: "Wer wären bei Neuwahlen die Gewinner und Verlierer?"
Het Laatste Nieuws stellt sich die Frage, was Koen Geens genau im Schilde führt. Der Mann ist ein Fuchs, wesentlich schlauer als seine Artgenossen. Die Wege des Palastes sind unergründlich, aber es ist wohl kein Zufall, dass der König nach Igeln wie Paul Magnette und Georges-Louis Bouchez jetzt eben den Fuchs in die Arena schickt. Geens dürfte auch sehr wohl gewusst haben, dass die CD&V nicht wirklich die Absicht hat, ihre Position zu verändern. Deswegen noch einmal die Frage: Was hat Geens genau vor?
Nach der Ernennung von Koen Geens, einem Schwergewicht, wirkt es fast so, als betrachte der Palast dessen Vorgänger Coens und Bouchez wie grüne Jungs, die man gerade vom Spielplatz geschickt hat. Aus Sicht des Palastes mag er tatsächlich wie eine Trumpfkarte erscheinen. Der Mann hat immer schon ein gewisses Eigenleben geführt, lief nie wirklich an der Leine seiner Partei. Im vorliegenden Fall könnte sich der König aber verkalkuliert haben. Die CD&V scheint mehr denn je bei ihrer bisherigen Haltung bleiben zu wollen. Es sei denn, Geens hat noch einen Zaubertrick in petto.
"Der Palast pokert hoch", meint Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Eigentlich standen nämlich die Zeichen auf Bart De Wever. Er selbst hat auch vor den Kameras erklärt, dass er durchaus in den Startlöchern stand. Der offensichtliche Alleingang von König Philippe ist also nicht ohne Risiko. Damit schürt er nämlich selbst Zweifel am Neutralitätsprinzip, das seit jeher für das belgische Königshaus gilt. Damit liefert er den Befürwortern einer rein protokollarischen Monarchie noch zusätzliche Munition. Indem er sich aus dem Fenster gelehnt hat, hat der König in gewisser Weise sein Schicksal in die Hände von Koen Geens gelegt.
Wenige Vorteile, viele Gefahren
Einige Zeitungen kommentieren die Aussicht auf mögliche Neuwahlen. "Wonnemonat Mai", meint etwa L'Avenir. Für Bart De Wever wäre das also ein logischer Zeitpunkt für Neuwahlen. Begründung: Dann wäre der letzte Urnengang genau ein Jahr her. Wir haben den N-VA-Chef schon geistreicher und subtiler erlebt. Vielleicht denkt der Antwerpener Stratege aber schon einen Schritt weiter. Mai, das ist noch lange hin. Jedenfalls hätte er dann auch noch genug Zeit für eine Informator-Mission.
Neuwahlen haben wenige Vorteile, bergen dafür viele Gefahren, meint ihrerseits La Libre Belgique. Äußerst positiv wäre es, wenn die Föderalwahlen wieder von den anderen abgekoppelt würden. Wir haben erkennen müssen, dass zeitgleiche Wahlen auf allen Ebenen die Sache nur noch komplizierter machen. Die Liste der Nachteile ist allerdings wesentlich länger: Erstmal wären Neuwahlen eine Bankrotterklärung. Daraus folgend würden in erster Linie wohl die Extreme gestärkt. Die Folge: In Flandern würde der nationalistische Block noch stärker. In der Wallonie würde sich die PS noch weiter nach links bewegen. Wir sind zwar im Mutterland des Surrealismus. Der Gipfel wird allerdings erreicht, wenn man Neuwahlen als Goldstück betrachtet, wenn es doch eine Dynamitstange ist.
Roger Pint