"Das kann ja heiter werden", muss sich Premierminister Bart De Wever denken. Der N-VA-Politiker dürfte eine Art Déjà-Vu haben, nach dem Motto: Nach den Regierungsverhandlungen ist vor den Regierungsverhandlungen. Fakt ist: Der Haushalt, auf den sich die Arizona-Parteien Ende Januar geeinigt haben, ist eigentlich schon hinfällig, für die Tonne. Zumindest was die Zahl angeht, die unter dem Additionsstrich stand, sie ist überholt.
Freitag wird eine neue Rechnung auf den Regierungstisch flattern, die bislang noch nicht eingepreist war: Dann soll Verteidigungsminister Theo Francken seinen Plan vorlegen, der eine spürbare Erhöhung der Rüstungsausgaben vorsieht, von acht auf zwölf Milliarden Euro. Auf diese Weise erreicht Belgien dann das Zwei-Prozent-Ziel der Nato, wenn auch erstmal nur auf dem Papier. Kurz nachgerechnet: Belgien wird in diesem Jahr ein Bruttoinlandsprodukt von etwas mehr als 600 Milliarden Euro verzeichnen. Zwei Prozent von 600 Milliarden, das sind tatsächlich zwölf Milliarden Euro.
Wie dem auch sei: Diese Selbstverpflichtung muss bis spätestens Sommer in Beton gegossen sein. Denn die Schonfrist ist vorbei. Belgien gehörte bislang - was die Verteidigungsausgaben anging - zu den schlechtesten Schülern, hatte dabei aber nicht wirklich ein schlechtes Gewissen. Doch verstehen die Partner da inzwischen keinen Spaß mehr; und das gilt längst nicht mehr nur für die USA. Das bestätigte auch Außenminister Maxime Prévot vor einigen Tagen in der VRT: Unsere Verbündeten haben es satt, sind mit ihrer Geduld am Ende. Das Zwei-Prozent-Ziel ist jetzt ein absolutes Muss.
Drohungen
Die Folterinstrumente liegen schon parat: Diverse Drohungen stehen im Raum. Man hörte schon die Idee, dass die belgischen Vertreter beim nächsten Nato-Gipfel draußen bleiben müssten. Schlimmer noch: Wie die Zeitung Het Laatste Nieuws berichtet, hat die Nato auch schon darüber nachgedacht, die eine oder andere ihrer Agenturen aus Brüssel abzuziehen und in ein anderes Land zu verlegen. Ganz offensichtlich ist jetzt Schluss mit lustig.
Dass Belgien bis zum Sommer Rüstungsausgaben in Höhe von zwei Prozent des BIP im Haushalt festschreiben muss, ist auch innerhalb der Koalition weitgehend unstrittig. Nur: Woher nehmen, wenn nicht stehlen? Belgien steht unter Beobachtung der EU-Kommission. Sie hat ein Defizitstrafverfahren eingeleitet. Spätestens im April muss die Föderalregierung ihren Haushaltsfahrplan einreichen. Vor diesem Hintergrund sollte man doch möglichst ein Budget präsentieren, das zumindest einigermaßen Hand und Fuß hat.
Die Verteidigungsausgaben sind nur ein Problem. Ohnehin sieht es derzeit ganz danach aus, als könnten die Länder am Ende zumindest Teile ihres Verteidigungsetats aus ihren Haushalten herausrechnen. Obendrauf kommen für die Arizona-Equipe aber noch die neusten Zahlen des sogenannten "Monitoring-Komitees", das die Haushaltsentwicklung permanent überwacht. Demnach ist das Haushaltsloch noch größer als gedacht: 2,5 Milliarden Euro kommen hinzu. Damit wird sich das Defizit im laufenden Jahr auf astronomische 23 Milliarden Euro belaufen.
"Duo-Methode"
So oder so muss nachgebessert werden. Premierminister Bart De Wever hat Anfang der Woche mit ersten Gesprächen begonnen. Bilateral, also gesondert, jeweils mit den Vertretern einer der Regierungsparteien. Dabei hat er sich für ein ungewöhnliches Vorgehen entschieden, das die flämische Presse schon "Duo-Methode" getauft hat: De Wever sprach nicht nur mit dem Vizepremier der jeweiligen Partei, wie es eigentlich üblich ist, sondern hatte die Parteivorsitzenden gleich mit eingeladen. Das zeigt wohl den Ernst der Lage.
Wenn man noch liest, was die Zeitung Het Laatste Nieuws vom Inhalt der Gespräche erfahren hat, schwant einem nichts Gutes: Da brechen gleich die bekannten Bruchlinien wieder auf: Auf der linken Arizona-Seite lehnen Vooruit und CD&V weitere Einschnitte in den Sozialausgaben ab, Les Engagés wollen zusätzliche Einnahmen aus der Kapitalertragssteuer ziehen, vielleicht sogar über eine Besteuerung von Mieteinkünften. Neue Steuern sind aber unannehmbar für den rechten Koalitionsflügel, allen voran die MR. Parteichef Georges-Louis Bouchez hatte stattdessen Einschnitte beim Kindergeld vorgeschlagen, insbesondere bei kinderreichen Familien. Nur eins verbindet alle Parteien: Allesamt fordern sie mehr Geld für die Ressorts, in denen sie Verantwortung tragen.
Bislang hat Premier De Wever nur erste Vorgespräche geführt. Doch erinnert das jetzt schon in geradezu unheimlicher Weise an die unendliche Regierungsbildung. Arizona steht wieder vor der Quadratur des Kreises. Nicht umsonst spricht man von den Koalitionsverhandlungen 2.0.
Roger Pint