Es war zumindest für manche sicher die gute Nachricht des Tages: Mit Ausnahme von Egbert Lachaert, seines Zeichens eine Hälfte des aktuellen Vorregierungsbildner-Duos und OpenVLD-Chef, sind alle anderen Vorsitzenden der Parteien der geplanten Vivaldi-Koalition erneut Corona-negativ getestet worden. Der OpenVLD-Vorsitzende selbst ist symptomfrei. Auch sein Gesundheitszustand habe sich verbessert und seine auferlegte Isolation gehe zu Ende, twitterte Lachaert.
Und damit sind die Voraussetzungen gegeben, dass sich die Verhandlungsführer wieder persönlich in die Augen sehen können, wie Co-Vorregierungsbildner Conner Rousseau von der SP.A in der VRT bestätigte. Man werde sich schon am Donnerstagnachmittag wieder physisch treffen. Natürlich habe man auch während der Quarantänezeit digital hart weitergearbeitet.
Montag beim König
Aber bis Montag müsse man eben einen Regierungsbildner finden. Und dafür brauche man nun mal menschlichen Kontakt, weshalb es wichtig sei, sich wieder physisch treffen zu können, erklärte Rousseau. Montag ist ja der Stichtag, an dem die beiden Vorregierungsbildner König Philippe Bericht erstatten müssen. Und eben der Tag, an dem mit der Benennung eines Regierungsbildners und damit vermutlichen künftigen Premiers der nächste entscheidende Schritt getan werden muss. Dieser Countdown von knapp vier Tagen, der tickt gnadenlos runter. Und am 1. Oktober soll ja die Regierung stehen.
Wie ehrgeizig dieser Zeitplan ist, das sieht man neben der Premierminister-Frage unter anderem daran, über welche Dossiers sich die Parteien zumindest grundlegend einigen müssen. Da ist zunächst der Haushalt, gerade hinsichtlich des Themas Staatsverschuldung. Das Ganze natürlich auch vor dem Hintergrund der schwer von der Corona-Pandemie gebeutelten Wirtschaft. Und bei sieben Parteien ist natürlich klar, dass die Frage zentral ist, woher das Geld für die jeweils eigenen Prestige-Projekte und Prioritäten kommen soll. Dieses Dossier gilt deswegen unter Analysten als Knackpunkt der Verhandlungen.
Knackpunkte
Zu den Knoten, die nicht so einfach durchzuhacken sind, gehört hier der Atomausstieg beziehungsweise die dadurch entstehenden Kosten. Um die Frage der Finanzierung geht es auch beim Punkt Pensionen. Die sollen ja auf 1.500 Euro netto steigen. Aber wie auch bei der Refinanzierung des Gesundheits- und Justizwesens und der Bahn bleibt immer die gleiche Frage: woher das Geld eben kommen soll.
Weitere Punkte, die Sprengstoff bergen, sind die Liberalisierung des Arbeitsmarktes, die sich die OpenVLD und MR als Trophäe an die Fahnen heften wollen. Und die ethischen Dossiers, Stichwort zum Beispiel Reform des Abtreibungsgesetzes, die sind natürlich vor allem für die CD&V von enormer Bedeutung.
Aber auch die Gemeinschaftspolitik ist ein Zankapfel. Hier ist es wiederum die CD&V, die sich gegen jegliche Erwähnung des Wortes "Reföderalisierung" in einer Regierungserklärung sperrt. Die anderen Parteien hingegen befürworten sowohl eine weitere Regionalisierung bestimmter Kompetenzen, wollen aber eben auch, dass andere Zuständigkeiten zurück an die föderale Ebene gehen.
Zweifel bei der CD&V
Und aus den Reihen der CD&V gab es am Donnerstag auch noch andere Warnsignale. Der föderale CD&V-Innenminister Pieter De Crem erklärte in einem Interview in der Zeitung De Standaard, dass er der Meinung sei, dass seine Partei eigentlich nichts in einer Vivaldi-Koalition verloren habe. Und wenn man mitmache, dann in der Rolle Opposition innerhalb der Mehrheit. De Crem wies auch darauf hin, dass seine Partei rein rechnerisch ja auch gar nicht nötig sei für eine Mehrheit. Und seiner Erfahrung nach würde das bedeuten, dass die CD&V dann keine echte Rolle in der Regierung spielen würde. Und bisher habe die CD&V weder bei den ethischen, noch bei den gemeinschaftspolitischen Dossiers irgendwelche Garantien bekommen, beklagte De Crem.
Verlängerung für Wilmès
Der Weg bis hin zu Vivaldi scheint also noch viel Potential zu haben, um steinig zu werden. Eine erste Art Stimmungstest könnte denn auch bereits am Donnerstag in der Plenarsitzung der Kammer anstehen. Hier wird nämlich eine Konfrontation zwischen der Opposition und den potentiellen Vivaldi-Partnern erwartet wegen der verschobenen Vertrauensfrage von Premierministerin Wilmès. Und wenn sich schon dann Risse in der Koalition in spe zeigen, wäre das ein alles andere als gutes Omen für die Regierungsverhandlungen.
Boris Schmidt