"Frankreich, Deutschland und Italien wollen Ukraine in der EU", schreibt De Morgen auf Seite eins. "EU gewährt Ukraine den Kandidatenstatus, verteilt aber keine Blankoschecks", notiert De Tijd. "Starke Versprechen, um Kiew zu beruhigen", heißt es auf der Titelseite von Le Soir.
Der gestrige Besuch der Staats- und Regierungschefs aus Frankreich, Deutschland, Italien und Rumänien beim ukrainischen Präsidenten Selenskyi in Kiew findet neben Meldungen auf den Titelseiten auch seinen Niederschlag in den Leitartikeln.
De Standaard kommentiert: Es gibt viele Gründe, die Ukraine nicht schnell in die EU aufzunehmen. Trotzdem haben die hochrangigen Besucher aus der EU gestern genau das getan. Und das ist vollkommen richtig. Denn erstens wäre es ein Schlag ins Gesicht der Ukraine, diese Perspektive nicht zu eröffnen. Immerhin sind es ukrainische Soldaten, die an der Front ihr Leben riskieren, um die russische Kriegsmaschinerie aufzuhalten. Es sind ukrainische Bürger, die Angehörige, Häuser und Zukunftsträume verlieren. Zweitens würde die EU ohne Beitrittsperspektive Wladimir Putin in die Karten spielen. Putin könnte dann sagen: Seht her, ihr Ukrainer, solche schlechten Freunde habt ihr. Deshalb sollte die EU ohne Wenn und Aber die Ukraine aufnehmen, rät De Standaard.
Putin nicht erniedrigen
Le Soir dagegen wägt ab und formuliert: Die EU muss achtgeben, jetzt nicht zu schnell zu weit zu gehen. Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron hat recht, wenn er sagt, dass man Putin nicht erniedrigen dürfe. Ein EU-Beitritt der Ukraine könnte von Putin allerdings als weitere Provokation gewertet werden, als einen Sieg der Amerikaner, sich dem russischen Staatsgebiet immer weiter zu nähern. Dazu darf es nicht kommen, unterstreicht Le Soir.
Mehrere flämische Zeitungen beschäftigen sich mit einer Entscheidung des Verfassungsgerichts. Das Gericht hatte gestern die neuen Vorschriften für das Minimalwissen, das flämische Schüler in der Sekundarstufe haben müssen, als zu detailliert bewertet und verworfen.
Dazu meint De Tijd: Die Entscheidung des Verfassungsgerichts ist keine Katastrophe. Auch nicht für die Regierung. Sie kann immer noch festlegen, was die Schüler wissen sollen und damit sicherstellen, dass die Anforderungen im flämischen Schulwesen hoch liegen. Nur soll das eben nicht mehr so detailliert festgelegt sein, hält De Tijd fest.
Qualität braucht Freiheit
Het Laatste Nieuws betont: Die Absicht von Bildungsminister Ben Weyts von der N-VA war und bleibt gut. Er wollte mit den neuen Vorschriften das Niveau im flämischen Schulwesen erhöhen. Dabei ist er lediglich über das Ziel hinausgeschossen. Wer Qualität haben möchte in der Bildung, der muss auch Freiräume zugestehen. Und genau das hat das Gericht jetzt festgestellt. Die flämischen Vorschriften würden die pädagogischen Freiheiten der einzelnen Schulen und Lehrkräfte zu sehr beschneiden. Letztlich hat das Gericht gesagt: Hört auf, Schüler und Lehrer mit zu vielen Vorschriften zu gängeln. Das kann man eigentlich nur begrüßen, freut sich Het Laatste Nieuws.
Het Nieuwsblad erinnert: Zwei Jahre lang herrschte wegen der neuen Vorschriften eine Art Krieg in unserem Bildungswesen. Gestern sind die neuen Vorschriften unter dem Schlaghammer des Verfassungsgerichts zertrümmert worden. Und wer hat applaudiert? Die CD&V. Immerhin Koalitionspartner in der Regierung, die diese Vorschriften eingeführt hatte. Das ist bemerkenswert, aber nicht das erste Mal, dass die Koalitionspartner der N-VA sich freuen, wenn etwas nicht rund läuft für Minister der N-VA. Auch beim Thema Stickstoff und bei den Bauernprotesten, die sich gegen N-VA-Ministerin Zuhal Demir richten, unterstützt die CD&V eher die Bauern als die Ministerin. Die OpenVLD übrigens hat ähnliche Tendenzen. Das Urteil von gestern hat noch einmal verdeutlicht: Da stimmt was nicht in der flämischen Regierung, analysiert Het Nieuwsblad.
Der Sommer wird heiß – auch am Himmel
La Libre Belgique schreibt zum angekündigten Streik der Piloten und des Kabinenpersonals von Brussels Airlines: Mit dieser Arbeitsniederlegung konkretisiert sich also das, was zu befürchten war. Der Sommer wird ein heißer werden in der europäischen Luftfahrt. Denn das, was bei Brussels Airlines nicht passt, passt auch bei vielen andere Fluggesellschaften nicht. Und übrigens auch nicht an vielen Flughäfen. Sie sind einfach zu schlecht vorbereitet auf den massiven Ansturm der Reisewilligen jetzt nach der Covid-Pandemie. Fluggesellschaften und Flughäfen fehlt das Personal. Das vorhandene Personal ist überlastet und neue Mitarbeiter sind bei den relativ schlechten Arbeitsbedingungen nicht schnell zu rekrutieren. Die Reisenden werden leiden müssen, bedauert La Libre Belgique.
Besser als MP3
L'Avenir notiert zur beginnenden Festivalsaison: Es ist gut, dass es diese Kulturveranstaltungen weiter gibt. Und sie müssen gefördert werden. Im Zeitalter von Internet, Streaming-Plattformen und Downloads ist es gut, dass junge Menschen zwei, drei Tage hintereinander mal mit realen Erlebnissen konfrontiert werden, die nicht immer zu hundert Prozent dem eigenen Geschmack entsprechen. Solche Erlebnisse sind wichtig. Festivals bieten eben mehr als MP3s oder eine CD, ist L'Avenir überzeugt.
Kay Wagner