"Astrazeneca-Stopp beeinträchtigt die Impfkampagne vorerst kaum", titelt das GrenzEcho. "Wer das Vakzin von Astrazeneca wirklich will, kann es dann doch bekommen", schreiben fast gleichlautend Het Belang van Limburg und Het Nieuwsblad zur Situation in Flandern. "Astrazeneca – Der Impfstoff ist nicht gefährlicher als ein Aspirin", so ein Aufmacher bei La Dernière Heure.
Nachdem sich der föderale Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke (Vooruit) bis vor Kurzem hinter der Empfehlung der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) versteckt hatte, die mehr Vor- als Nachteile sah, kam dann diese Woche doch auch in Belgien eine Altersgrenze für den Impfstoff von Astrazeneca, hält De Standaard fest. Damit kam Vandenbroucke in Konflikt mit seiner eigenen Logik. Entsprechend war seine Kommunikation auch wenig überzeugend. Irgendwie bekam man das Gefühl, dass Vandenbroucke nicht alle Karten auf den Tisch legte. Aber eine Impfkampagne wie diese geht einher mit neuen Studien und neuen Erkenntnissen: Und das Risiko des Impfstoffs bleibt äußerst klein, wenn man es auf die gesamte Bevölkerung bezieht.
Allerdings ändert sich diese Einschätzung, wenn man das auf bestimmte Altersgruppen herunterbricht. Das kann letztendlich irgendwann so weit gehen, dass das Risiko einer tödlichen Thrombose größer wird als das Risiko, an Covid zu sterben. Und das bedeutet, dass man hier sehr behutsam vorgehen muss. Deswegen muss das Vorsorgeprinzip Vorrang haben. Aber gleichzeitig darf die Kommunikation über die Risiken nicht zu Unruhe in der Bevölkerung führen. Denn schließlich warten viele Menschen im Gesundheitssektor auf ihre zweite Spritze Astrazeneca, analysiert De Standaard.
Die wahre symbolische Tragweite nicht erfasst?
L'Avenir greift die sogenannte "Sofagate"-Affäre auf. Bei einem Treffen mit dem türkischen Präsidenten Erdogan war ja für den EU-Ratspräsidenten Charles Michel ein Stuhl neben Erdogan bereitgestellt worden. Aber nicht für Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die sich mit einem Platz auf einem Sofa begnügen musste. Selbst wenn sie höchste Ämter bekleiden, müssen Frauen immer damit rechnen, dass man ihnen wegen ihres Geschlechts Stolpersteine in den Weg legt, kommentiert das die Zeitung. Kleine Gesten manchmal, die sie daran erinnern sollen, dass sie nicht immer etwas auf dem Platz eines Mannes zu suchen haben.
Die türkischen Verantwortlichen geben an, dass sie nur die protokollarischen Empfehlungen der EU umgesetzt hätten. Das mag stimmen. Aber 2015 wurde Jean-Claude Juncker bei einem ähnlichen Treffen nicht so in den Hintergrund gedrängt.
Charles Michel scheint sich derweil mehr auf die Interpretation der Bilder und seine eigene Betroffenheit zu konzentrieren als auf den eigentlichen Kern des Problems. So, als ob er die wahre symbolische Tragweite des Geschehenen nicht erfassen würde.
Ursula von der Leyen muss man derweil zumindest eine gewisse Würde zugestehen. Sie hat zwar ihre Missbilligung zum Ausdruck gebracht, aber dazu aufgerufen, sich doch bitte auf den eigentlichen Anlass des Treffens zu konzentrieren. Und das, obwohl sie mit Recht viel mehr Aufhebens um ihre Behandlung hätte machen können, betont L'Avenir.
Noch kann die neue Eskalation gestoppt werden
Le Soir beschäftigt sich mit den weiter andauernden, schweren Ausschreitungen in Nordirland: Es sind der Brexit und das Coronavirus, die die Glut des alten Konfliktes wieder anzufachen drohen. Des Konfliktes also zwischen Unionisten und Republikanern, zwischen Protestanten und Katholiken.
Auslöser war ein eigentlicher banaler Verstoß gegen die Corona-Schutzmaßregeln. Bei der Beerdigung eines bekannten Ex-IRA-Mitglieds hatten hochrangige republikanische Politiker keine Masken getragen und keinen Abstand gehalten. Die Justiz beschloss, das nicht zu ahnden, was zu Wut bei den Unionisten geführt hat. Die sind außerdem immer unzufriedener mit den Konsequenzen des Brexits für Nordirland. Denn aus Großbritannien kommende Waren werden in nordirischen Häfen seit dem 1. Januar Kontrollen unterzogen. Das war zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich vereinbart worden, um eine echte Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland zu vermeiden.
Noch kann diese neue Eskalation gestoppt werden, denn sowohl die unionistischen als auch die republikanischen Mitglieder der nordirischen Regierung haben die Gewalt verurteilt. Die Nordiren haben mehrheitlich für einen Verbleib in der EU gestimmt - im Gegensatz zu den Briten. Deswegen müssen die jetzt auch eine dauerhafte Lösung für die Probleme finden, fordert Le Soir.
Diskretes Gedenken
Mit einem ganz anderen Thema befasst sich schließlich La Dernière Heure, nämlich mit Napoleon. Dieses Jahr wird seines 200. Todestags gedacht, auch mit einer Ausstellung im Bahnhof von Lüttich. Und in diesen Zeiten, in denen die Statuen vieler historischer Figuren von ihren Sockeln gestürzt werden, ergeht es auch Napoleon nicht anders. Deswegen wird ihm selbst in seinem Heimatland eher diskret gedacht. Manche sehen ihn vor allem als Eroberer und stellen ihn sogar auf eine Stufe mit Hitler.
Dem kann man entgegenhalten, dass Napoleons Armeen Europa nicht mit Terror überzogen haben, sondern vielerorts die Samen der Freiheit gesät haben. Was Jahrzehnte später dazu geführt hat, dass sich die Menschen dort gegen ihre absolutistischen Herrscher aufgelehnt haben. Und auch wenn sein Code Napoléon sicher nicht perfekt war, so war er sicher sehr fortschrittlich, wenn man ihn mit der Rechtsprechung der Könige vergleicht. Ein unverzeihlicher Fehler war hingegen die Wiedereinführung der Sklaverei. Aber auch hier kann man daran erinnern, dass die in den Vereinigten Staaten, dem Vaterland der Menschenrechte, bis 1860 fortdauerte, relativiert La Dernière Heure.
Boris Schmidt