"Vive le Tour!", titelt La Dernière Heure, die heute übrigens ganz in Gelb gehalten ist. "Wir sind bereit für den Grand Départ", so die Schlagzeile von De Morgen. Het Nieuwsblad klingt da schon fast martialisch: "Die Schlacht um Brüssel", schreibt das Blatt auf Seite eins.
D-Day in Brüssel: Heute Mittag um Punkt 12:00 Uhr fällt unweit des Brüsseler Stadtschlosses der offizielle Startschuss zur diesjährigen Tour de France. Und auch morgen noch gastiert die Grande Boucle in der Hauptstadt. Denn auch die zweite Etappe hat als Start- und Zielort Brüssel.
"Jetzt steht endlich der Sport im Mittelpunkt", meint sinngemäß L'Avenir auf seiner Titelseite. "Belgien darf auf einen Etappensieg hoffen", ist seinerseits das GrenzEcho optimistisch. In diesem Jahr gehen übrigens 21 Belgier bei der Tour de France an den Start.
Einige Zeitungen stellen auch heute noch einmal Eddy Merckx in den Fokus. Der Tour-Start in Brüssel, seiner Heimatstadt, ist ja eine Hommage an die belgische Radsport-Legende. Am Freitag wurde Eddy Merckx von König Philippe empfangen. Ein "Familienfoto" sieht man unter anderem auf den Titelseiten von La Dernière Heure und Gazet van Antwerpen. "Und Mathilde kennt den Dresscode", bemerkt augenzwinkernd Het Laatste Nieuws. Die Königin war nämlich ganz in Gelb gekleidet.
"Danke Eddy, danke Eddy, vielen Dank!"
Der eine oder andere sieht in dem Wirbel um Eddy Merckx auch so etwas wie ein politisches Signal: "Eddy Merckx beweist, dass Brüsseler, Wallonen und Flamen durchaus noch eine gemeinsame Zukunft haben", sagt der Brüsseler Bürgermeister Philippe Close auf Seite eins von La Libre Belgique.
"Danke Eddy, danke Eddy, vielen Dank!", jubelt überschwänglich La Dernière Heure in ihrem Leitartikel. 50 Jahre nach seinem ersten Tour-Sieg gab es wieder Eddy-Sprechchöre auf der Grand-Place. Vor gotischer Kulisse feierten Flamen und Wallonen, aber auch Kolumbianer, Franzosen und Amerikaner die belgische Radsport-Legende. Vielen Dank, Eddy Merckx, dass wir einen so intensiven und völkerverbindenden Moment erleben dürfen!
Das Ganze ist freilich nicht umsonst, bemerkt De Morgen. Erstmal hat die Stadt Brüssel den Tour-Veranstaltern fünf Millionen Euro überweisen müssen. Die Region Brüssel legte dann noch mal zwei Millionen drauf, um Straßen zu teeren - das Fahrerfeld soll ja schließlich nicht über Schlaglöcher rumpeln. Die Frage ist, wie hoch am Ende die Rendite sein wird. Da hört man die tollsten Zahlen. Doch die sportlichen Großereignisse der letzten Jahre, ob nun Fußball-WM oder Olympische Spiele, haben gezeigt, dass die Enttäuschung am Ende mitunter groß sein kann. Allerdings: Für eine Tour-Etappe muss man keine neue Infrastruktur aus dem Boden stampfen. Das Brüsseler-Radsport-Wochenende ist also noch vergleichsweise günstig. Und noch dazu sorgt es für eine Epidemie von lachenden Gesichtern in einer Stadt, in der man immer noch von Touristen auf das "Höllenloch"-Zitat von Donald Trump angesprochen wird. Lasst uns diese Tour einfach umarmen!
Typisch belgisches Bric-à-brac
"Wir sehen hier mal wieder ein typisch belgisches Bric-à-brac", stichelt Het Belang van Limburg, eine Frickelei also. Nur für die Tour-Karawane wird mal eben für zwei Millionen "drübergeteert" - mal einfach eine Schicht aufzutragen, um die Schlaglöcher zu cachieren, das ist alles - nur nicht nachhaltig. Diese Aktion steht stellvertretend für die Art und Weise, wie dieses Land geführt wird. Strukturelle Maßnahmen gibt es nicht, allein die Oberfläche wird aufgehübscht. Eine Folge davon haben wir am Freitag in den neuesten Unfallstatistiken lesen können: Die Zahl der Todesopfer im Straßenverkehr sinkt nicht mehr. Das hat unter anderem mit der mangelhaften Infrastruktur für Fahrräder zu tun. Vielleicht kommt da der Grand Départ wie gerufen. Vielleicht ist dieses Wochenende der Startschuss für ein Umdenken, der Wendepunkt hin zu einer besseren Verkehrsinfrastruktur.
L'Avenir ist da nicht so optimistisch: Es gab schon Aussagen, wonach auch der Start der Tour de France in Brüssel jetzt nicht für eine Revolution sorgen wird. Die Tour de France an sich ist ja auch schon ein großes Paradox: 176 Radfahrer werden begleitet von unzähligen Motorfahrzeugen. Am Montag, wenn die Tour-Karawane weitergezogen ist, kehrt der Alltag wieder ein.
Überraschungen: eher unwahrscheinlich
"PS und Ecolo werden miteinander verbunden bleiben", titelt derweil L'Echo. Das Blatt bringt ein großes Doppelinterview mit PS-Chef Elio Di Rupo und dem Ecolo-Co-Vorsitzenden Jean-Marc Nollet. Beide Parteien haben am Freitagabend ihren gemeinsamen Entwurf eines Regierungsprogramms vorgelegt. Der Text ist gespickt mit 130 Vorschlägen oder Anmerkungen der sogenannten "Zivilgesellschaft", also von Vereinigungen und Organisationen aller Art. Die wallonischen Abgeordneten haben jetzt Zeit bis zum Dienstagnachmittag, um sich, wie es hieß, "zu positionieren". Konkret hofft man wohl immer noch auf zumindest indirekte Unterstützung aus den Reihen der CDH.
"Mit Überraschungen sollte man am Dienstag aber nicht rechnen", meint sinngemäß Le Soir. Man muss kein Hellseher sein, um vorauszusagen, dass PS und Ecolo alleine und damit in der Minderheit bleiben werden. Die jetzt vorgestellte Note mag noch so viele Ideen enthalten, die den einen oder anderen Kommunisten, Liberalen oder Zentrumshumanisten ansprechen könnten. Die Aussicht auf Unterstützung aus den Reihen der PTB, der MR oder der CDH ist aber allenfalls theoretischer Natur.
"Was wird bleiben von diesem Klatschmohn?", fragt sich L'Echo in seinem Leitartikel. Man sollte das Ganze jedenfalls nicht gleich als reine Verzögerungstaktik abtun, deren alleiniges Ziel es ist, die wohl unvermeidliche Rückkehr der Liberalen rauszuschieben. Die Tatsache, dass die Zivilgesellschaft einen aktiven Beitrag leisten durfte, die ist nicht mehr so einfach aus der Welt zu schaffen. Und selbst, wenn die MR dann doch an den Verhandlungstisch geladen wird, kann man diesen Beitrag nicht einfach plötzlich ignorieren.
Roger Pint