Angekartet hatte das Thema Raumordnung einmal mehr Fabienne Colling. Die Ecolo-Abgeordnete vermisst in dem (langwierigen) Prozess zur Ausarbeitung der Raumordungsgesetzgebung "ein übergeordnetes Ziel und einen klaren Zeitplan". "Statt gemeinsam auf ein klares Ziel zuzuarbeiten, liegt der Fokus bislang auf vielen Einzelmaßnahmen, die einzeln diskutiert werden - etwa Gründächer, Regenwasserzisternen, Beteiligungen an Windparks oder Wasserstoffspeicherung. Jede Maßnahme wird einzeln bewertet, aber es findet kaum eine systematische Diskussion darüber statt, wie all diese Punkte zusammenwirken und welche Strategie langfristig sinnvoll ist."
Mit ihrer Interpellation sprach Colling immerhin ein Thema an, das auch die anderen Fraktionen umtreibt. "Wir sind uns alle einig: Raumordnung ist kein isoliertes Fachgebiet und sie beeinflusst unmittelbar, wie wir wirtschaften, wie wir wohnen, wie wir uns fortbewegen und unsere Umwelt gestalten. Es gibt in meinen Augen keine andere Kompetenz, die so weit in andere Kompetenzbereiche, für die wir verantwortlich oder auch nicht zuständig sind, hineinstrahlt. Deswegen ist auch ganz wichtig, dass wir eine solide Grundlage haben, eine klare Zielrichtung und eine Arbeitsweise, die auf Kooperation setzt", findet Steffi Pauels von der CSP.
"Wichtig ist, dass wir Klimaschutz, Wohnraumbedarf und Lebensqualität nicht gegeneinander ausspielen. Raumordnung darf kein theoretisches Konzept sein, da sind wir uns einig, sondern muss praktisch, menschlich und umsetzbar sein und vor allem aber auch Raum für die Vielfalt unserer neun Gemeinden lassen", so Evelyn Jadin (PFF).
Die Mehrheitsfraktionen waren sich darum einig, dass der laufende, neu aufgelegte Austausch mit Interessengruppen sinnvoll sei. "Die Gemeinden sind dabei die wichtigsten Akteure, denn sie kennen die lokalen Gegebenheiten und Bedürfnisse am besten. Ergänzend leisten die Lenkungsgruppen einen wertvollen Beitrag zur fachlichen und strategischen Begleitung. Zugleich müssen wir darauf achten, die Beteiligten nicht zu überfordern. Es gilt, unterschiedliche Interessen in Einklang zu bringen mit Augenmaß, Kompromissbereitschaft und gegenseitigem Verständnis", sagt Ewald Gangolf von ProDG.
"Was diesen Interessenausgleich betrifft, so darf ich im Namen der SP-Fraktion sagen: Ja, es soll Konzertierung geben. Ja, es soll ein breit gefächerter Dialog stattfinden. Aber am Ende all dieser Bemühungen steht unsere Haltung, steht unser Standpunkt fest und der lautet: Es muss in Ostbelgien noch gebaut werden dürfen", erklärte Charles Servaty.
Damit fand der Oppositionsvertreter ausdrücklich die Zustimmung von Ministerpräsident Oliver Paasch (ProDG), der die Raumordnung nach den jüngsten Wahlen zur Chefsache gemacht hatte und der nun die gewählte Ausrichtung und Vorgehensweise verteidigte. "Das Gesetzbuch verstehen wir als einen Werkzeugkasten, mit dem jede Gemeinde entsprechend ihren Prioritäten ihre Raumordnungspolitik und ihre Politik in Sachen Städtebau entwickeln kann - und zwar im Rahmen einer globalen, gemeinsam vereinbarten Strategie zur Raumentwicklung für die gesamte Gemeinschaft. Wir müssen nun einmal den mitunter sehr unterschiedlichen Voraussetzungen in unseren Gemeinden Rechnung tragen."
Für Vivant warnte Michael Balter vor allzu hohen Erwartungen, denn in den Sektorenplänen gebe es "historische Fehler", die "irreparabel" seien - oder sich nur mit einem riesigen (auch finanziellen) Aufwand beheben ließen. "Wir dürfen nicht vergessen: Diese historischen Fehler belasten die Visionen, die wir da reindenken können. Das ist einfach ein Fakt. Man kann da kosmetische Sachen machen, man muss einige Sachen vereinfachen und verbessern. Aber der richtig große Wurf, wie ihn einige Fraktionen hier angekündigt haben, da bin ich gespannt, ob der denn irgendwann mal kommen wird."
"Das ist ja auch das Risiko, was jetzt besteht. Die Crux mit der Raumordnung ist, dass man das Resultat erst in 20, 30 Jahren sieht und dann erst weiß, was man angestellt hat. Insofern ist es gut und wichtig, dass wir uns hier damit auseinandersetzen und uns der Tragweite dieser Entscheidungen auch bewusst sind", schlussfolgerte Fabienne Colling.
Stephan Pesch