"Deutschland am Scheideweg", titelt das GrenzEcho. "Warum Rechtsaußen in Deutschland so gut punktet", schreibt De Morgen auf Seite eins. "Der Aufstieg der Faschisten, eine Herausforderung für Deutschland", heißt es im Aufmacher bei La Libre Belgique.
Die vorgezogene Bundestagswahl Sonntag in Deutschland beschäftigt einige Zeitungen auch in ihren Leitartikeln. Das GrenzEcho meint: Die Bundestagswahl an diesem Sonntag ist eine Richtungsentscheidung. Denn Deutschland steckt in einer politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Krise. Die neue Bundesregierung, wie immer sie auch aussehen mag, wird nach dem vorgezogenen Urnengang gar nicht wissen, wo sie zuerst anfangen soll. "Doch werden die künftigen Koalitionspartner überhaupt den Willen und die Kraft für tiefgreifende Reformen mitbringen?", fragt das GrenzEcho.
Belgien als Vorbild für Deutschland
De Morgen vergleicht: Deutschland sollte auf ein belgisches Szenario hoffen. Oder besser: Europa sollte das hoffen. Mit einem belgischen Szenario ist das Wahlergebnis gemeint, das führenden demokratischen Politikern die Möglichkeit gibt, eine Regierung zu bilden, die gestützt auf eine breite Mehrheit durchgreifende Reformen beschließen kann. Friedrich Merz, der die Rolle von Bart De Wever in Deutschland einnehmen könnte, hat viel gemein mit dem N-VA-Chef. Beide sind rechtskonservativ, wirtschaftsnah und stehen für eine eher harte Linie in der Migrationspolitik. Genau wie De Wever wird auch Merz etwas von seinen Idealvorstellungen opfern müssen, wenn er mit Partnern eine Regierung bildet. Bei Bart De Wever war es sein Wunsch, mehr Unabhängigkeit für Flandern zu erreichen. Bei Merz könnte es eventuell die rigorose Haushaltspolitik sein, überlegt De Morgen.
La Libre Belgique weiß: Die rechtsextreme Alternative für Deutschland wird nicht die Macht im größten Land der EU übernehmen. Denn keiner will mit ihr zusammen regieren. Kann man deshalb aufatmen? Ja, aber nur ein bisschen. Denn es bleibt festzustellen: In einem Land, das aufgrund seiner Geschichte eigentlich am besten geimpft sein sollte gegen die braune Pest, kommt die AfD laut Wahlprognosen auf 20 Prozent. Das ist doppelt so viel wie bei den Wahlen vor vier Jahren. Jeder fünfte Wähler. Allein das ist schon ein Sieg für diese Partei, bedauert La Libre Belgique.
Fremdverwaltung droht
Bei der Suche nach einer neuen Regionalregierung in Brüssel hat Regierungsbilder David Leisterh von der MR Freitag vorläufig das Handtuch geschmissen. Jetzt versuchen Elke Van den Brandt von Groen und Christophe De Beukelaer von Les Engagés als Informatoren weiterzumachen. Dazu bemerkt De Tijd: Brüssel ist die Hauptstadt von Europa, Schauplatz eines Drogenkriegs und steuert geradewegs in den Bankrott. Aber eine Regierung hat die Hauptstadt nicht. Grund dafür sind politische Spielchen der lokalen Parteigrößen. Diese Spielchen sind ihnen wichtiger als das Wohl von Brüssel. Was für eine Schande, schimpft De Tijd.
La Dernière Heure hält fest: Leisterh kapituliert. Seine eigene Schuld ist das nicht unbedingt. Die ganze Situation in Brüssel ist blockiert durch all die Vetos, die die eine oder andere Partei gegen andere ausspricht. Jetzt versucht also ein Duo als Informatoren Lösungen zu finden. Viel Erfolg! An Problemen, die es dringend zu lösen gibt, mangelt es nicht. Jeder Tag, den die kranke Region weiter vor sich hin schwächelt, führt sie näher zu einer radikalen Lösung, nämlich von der föderalen Ebene verwaltet zu werden, seufzt La Dernière Heure.
Unverständliche Forderungen
Le Soir berichtet: Donnerstag in der Kammer hat MR-Chef Georges-Louis Bouchez damit gedroht, Brüssel unter die Verwaltung von Flandern und die Wallonie zu stellen. Dabei konnte sich Bouchez dem Wohlwollen von Premier und N-VA-Chef Bart De Wever sicher sein. So ein Szenario würde Brüssel 35 Jahre zurückwerfen. Denn damals war es ja genauso, bevor dann die Hauptstadtregion gegründet wurde, wo sich mittlerweile eine eigene Identität tatsächlich gebildet hat. Es ist zu hoffen, dass die beiden Informatoren ein besseres Projekt für Brüssel haben als Bouchez, notiert Le Soir.
Gazet van Antwerpen kommentiert zum Streik bei der Bahn: Zum Glück streiken nur zwei kleine Gewerkschaften. Deshalb sind die Folgen für Zugreisende noch überschaubar. Trotzdem ist dieser Streik eigentlich unverständlich. Denn was fordern die Gewerkschaften? Sie wehren sich gegen das Projekt, länger als 55 Jahre arbeiten zu müssen. Zu Recht zeigt Verkehrsminister Jean-Luc Crucke dafür kein Verständnis. Mit Blick auf unsere alternde Gesellschaft und die finanziellen Schwierigkeiten unseres Landes ist eine Rente mit 55 Jahren tatsächlich nicht mehr haltbar. Außerdem streiken sie, weil Mitarbeiter der Bahn immer öfter angegriffen werden. Das ist tatsächlich ein Problem. Aber wie soll ein Streik das lösen? Und letztlich streiken sie grundsätzlich gegen die Pläne der neuen Föderalregierung. Auch das ist wenig verständlich. Denn erstens sind Reformen nötig. Und zweitens hat die Regierung sie ja noch nicht umgesetzt. Vielleicht sollte man erstmal miteinander sprechen, bevor man streikt, ärgert sich Gazet van Antwerpen.
Kay Wagner