"Es wird nicht zwingend einen wirklich wirksamen Impfstoff gegen Covid-19 geben", so die doch etwas deprimierende Schlagzeile auf Seite eins von La Libre Belgique. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat ja gestern vor überzogenen Erwartungen gewarnt.
Die Titelstory von Het Laatste Nieuws ist aber hoffnungsvoller: "Wir müssen jetzt noch auf die Zähne beißen, am Ende wird das alles aber vorübergehen", schreibt das Blatt. Das ist ein Zitat des Sciensano-Virologen Steven Van Gucht. Der ist aus dem Urlaub zurück. "Ich hatte den Eindruck, in ein anderes Land heimzukehren", sagt er in Het Laatste Nieuws. Er ist aber davon überzeugt, dass eine zweite Welle nicht notwendigerweise dramatische Folgen haben muss.
Dennoch bleibt die Situation angespannt: "Brüssel ist im Fahrwasser von Antwerpen", konstatiert De Morgen auf seiner Titelseite und fragt sich: "Wird auch in Brüssel eine nächtliche Ausgangssperre verhängt?".
"Das totale Durcheinander"
"Viele Augen richten sich im Moment auf die Reiserückkehrer. "Wir brauchen jetzt systematischere Kontrollen", fordert La Dernière Heure. Reisende, die sich in einer roten Zone aufgehalten haben, müssen ja für zwei Wochen in Quarantäne. Wirklich kontrolliert wird das nicht. "Auf den Bürgersinn zu bauen, das reicht aber nicht mehr", glaubt die Zeitung.
Apropos Reise-Ampel: "Welche Reisen sind erlaubt und welche nicht? Das totale Durcheinander", beklagt L'Avenir auf Seite eins. Allgemein wird kritisiert, dass die Farbcodes für Länder und Regionen zu schnell ändern.
"Könnte das bitte mal ein bisschen klarer werden?", meckert L'Avenir in seinem Leitartikel. Die ständig wechselnden Farbcodes würden sogar ein Chamäleon in den Wahnsinn treiben. Die sicherlich lauteren Absichten der Gesundheitsexperten kollidieren hier mit der gelebten Realität.
Auf der einen Seite ist es ja löblich, dass die zuständigen Stellen schnell auf aktuelle Entwicklungen reagieren. Doch damit macht man der Tourismus-Branche und auch den Urlaubern das Leben regelrecht zur Hölle. Wenn man die Menschen davon abbringen wollte, in Urlaub zu fahren, würde man das nicht anders anstellen.
Applaus für die lokalen Behörden
Am Ende werden es wohl auch hier wieder die Bürgermeister richten müssen, orakelt Gazet van Antwerpen. In vielen Bereichen haben die lokalen Behörden inzwischen schon die Initiative ergriffen. Beispiel Antwerpen, wo jetzt ein so genanntes "Test-Dorf" aufgebaut wird.
Und es wird wohl nicht mehr lange dauern bis die Bürgermeister auch in der Problematik der Rückkehrer das Heft in die Hand nehmen. Etwa, indem man konsequenter die Einhaltung der Quarantäne kontrolliert. Fest steht, dass die lokalen Behörden einen wesentlich besseren Eindruck machen als alle andere Machtebenen, die doch eigentlich das Land regieren.
In Flandern muss sich heute wieder der CD&V-Gesundheitsminister Wouter Beke den Fragen des zuständigen flämischen Parlamentsausschusses stellen. Beke steht seit Wochen mächtig unter Druck. Er wird auch diese Anhörung politisch überleben, meint Het Nieuwsblad.
Dahinter steckt aber wohl ein perfides Kalkül. Kurz und knapp: Die Koalitionspartner N-VA und OpenVLD nutzen Beke als Blitzableiter. Solange er da ist, zieht er alle Blicke auf sich. Das lenkt von den möglichen Fehlern der anderen Minister ab. Die Unterstützung für Wouter Beke ist denn auch nicht mehr als ein vergiftetes Geschenk. So könnte man auch die haushaltspolitischen Folgen der Corona-Krise bezeichnen. "Die Steuereinnahmen brechen um zehn Milliarden Euro ein", so die alarmierende Schlagzeile auf Seite eins von De Tijd und L'Echo.
"Man kann seine Meinung ändern, solange die Richtung stimmt"
Einige Blätter beschäftigen sich denn auch heute wieder mit den Bemühungen um eine neue Föderalregierung. "Die Grünen kommen ins Spiel", schreibt etwa das GrenzEcho. "Die Grünen, Magnette und De Wever – das unerwartete Treffen", so die Schlagzeile von Le Soir.
Die beiden Vorregierungsbildner werden heute mit Vertretern von Ecolo und Groen zusammentreffen. Statt der Liberalen könnten ja auch die Grünen zum Mehrheitsbeschaffer werden. "Das Gespräch kommt nicht von Herzen", glaubt De Morgen. Für andere Zeitungen ist das alles nur Fassade: "Niemand glaubt, dass das eine echte Option ist", meint etwa Het Nieuwsblad.
So viel zu den Versprechen der Vergangenheit, meint La Libre Belgique. "Nie mit der N-VA!", hörte man bei PS und Ecolo. "Unter keinen Umständen mit der wallonischen Linken", hämmerte Bart De Wever.
Im Namen der Staatsraison vergessen die Parteipräsidenten jetzt ihre früheren Aussagen. Aber, frei nach Winston Churchill: "Man kann seine Meinung ändern, solange die Richtung stimmt".
In der Rue de la Loi ist nichts unmöglich
Gerade Bart De Wever hatte da bis vor kurzem noch eine klare Einstellung, erinnert sich Het Belang van Limburg. Kein Haar auf seinem Kopf denke daran, zusammen mit den Grünen zu regieren, sagte der N-VA-Chef im April 2018. Ob er das nun aber doch beabsichtigt, das sei dahingestellt.
Die Koalition würde damit nämlich allzu linkslastig. Außerdem sind die Grünen mindestens genauso belgizistisch wie die MR. Nichtsdestotrotz: Die Pirouetten von Bart De Wever beweisen, dass in der Rue de la Loi tatsächlich nichts unmöglich ist.
Groen-Chefin Meyrem Almaci dürfte sich wohl an ihrem Pfefferminztee verschluckt haben, als sie plötzlich Bart De Wever an der Strippe hatte, meint augenzwinkernd Het Laatste Nieuws. Was wollen De Wever und Magnette mit diesem Anruf bei der Grünen Telefonseelsorge erreichen? Erstmal soll sich wohl der Pulverdampf legen, ganz nebenbei will man mit dem Teekränzchen wohl auch den Liberalen Angst machen.
Niemand glaubt jedenfalls, dass die Grünen tatsächlich ins Boot steigen werden. Nur werden sie sich hüten, öffentlich allzu laut nein zu sagen. Bald könnte nämlich auch schon wieder Schwarzer Peter gespielt werden. Scheinmanöver, Muskelspielchen, Beschäftigungstherapie: Der Innenpolitik zu folgen wird schon immer ermüdender.
Roger Pint