"Pukkelpop 2019: Ein Festival, zwei Gesichter", titelt De Morgen. "Der flämische Nationalismus als Überraschungsgast bei Pukkelpop", notiert La Libre Belgique auf Seite eins. "Flaggen-Streit trifft Pukkelpop-Festival", so der Aufmacher vom GrenzEcho.
Viele Zeitungen beschäftigen sich auch in ihren Leitartikeln mit den Vorfällen rund um das Musikfestival Pukkelpop bei Hasselt. Schon am ersten Abend war da die flämische Klimaaktivistin Anuna De Wever bei einer Klimaaktion in einem Festivalzelt ausgebuht worden. In der Nacht waren dann De Wever und ihre Freundinnen von jungen Männern bedroht worden. Die Männer hatten wohl Fahnen der flämisch-nationalistischen Bewegung getragen. Als Reaktion darauf ließ die Festivalleitung diese Fahnen vom Festivalgelände entfernen. Das war am Wochenende von Politikern der N-VA und des Vlaams Belang heftig kritisiert worden. Auch in Sozialen Medien ging es hoch her.
Was wäre gewesen, wenn junge Moslems…
Gazet van Antwerpen kommentiert: Es ist schon bemerkenswert, dass sich die ganze Diskussion am Wochenende vor allem um die Fahnen drehte. Die Tatsache, dass junge Männer Anuna De Wever und ihre Freundinnen bedroht hatten, trat völlig in den Hintergrund. Richtig aufgeregt darüber hat sich keiner. Aber man stelle sich nur vor, es wären junge Moslems gewesen, die mit Urin gefüllte Flaschen auf die Klimaaktivistin geworfen und sie mit dem Tod bedroht hätten. Vlaams Belang-Chef Tom Van Grieken hätte vor Wut geheult und hohe Strafen für die Täter und die ganze Moslem-Gemeinschaft gefordert. Jetzt, wo die Täter wohl junge Flamen waren, sind Fahnen wichtiger als die Taten, poltert Gazet van Antwerpen.
La Libre Belgique bedauert: Es ist traurig zu sehen, dass ein Musikfestival zu so einer politischen Debatte missbraucht wird, wie wir sie am Wochenende erlebt haben. N-VA und Vlaams Belang haben sich empört über die Behandlung einer Fahne, die aus ihrer Sicht die Größe Flanderns symbolisiert. Dabei vergessen diese Politiker, dass die Vorfälle, die zu dieser Debatte geführt haben, dem Ansehen von Flandern ganz und gar nicht dienen. Hoffentlich wird das zu einer Reaktion der traditionellen flämischen Parteien führen. Sie sollten ihre Stimme erheben gegen die Aggressivität, die die flämisch-nationalistische Bewegung bestimmt, fordert La Libre Belgique.
Festival-Leitung trägt Mitschuld
Für Le Soir ist die Festival-Leitung Mitschuld an dem Streit vom Wochenende. Die Zeitung führt aus: Die Veranstalter haben amateurhaft gehandelt. Die gelbe Fahne mit dem komplett schwarzen Löwen haben sie als Zeichen der flämischen Kollaboration während der Nazi-Herrschaft bezeichnet und deshalb vom Festivalgelände entfernt. Doch selbst Historiker sagen, dass diese Fahne viel älter ist als die Kollaboration und nicht nur auf diese Zeit verweist. Für N-VA und Vlaams Belang war diese falsche Interpretation der Festival-Leitung natürlich ein gefundenes Fressen. Sie können sich jetzt als Opfer darstellen. Und genau das ist es, was zu vermeiden ist im Umgang mit rechts-nationalistischen Bewegungen, erinnert Le Soir.
Das GrenzEcho hebt noch einen anderen Aspekt hervor: Dass wir keine intensiven Debatten mehr führen können, ohne eine kollektive Erregung im Digitalen herbeizuführen, ist mehr als nur traurig. Die zahlreichen Einlassungen von Usern auf Facebook, Twitter und Co. kreieren eine Stimmung, bei der man der Auffassung sein könnte, dass sich die (echte) Welt im Krieg befindet. Gut gegen Böse, Klimaaktivisten gegen Klimaleugner, Schwarz gegen Weiß. Jeder pachtet die Wahrheit für sich. Differenzierung? Fehlanzeige. Dieser Mechanismus zerstört die Gesellschaft und gefährdet unsere pluralistische Demokratie, beklagt das GrenzEcho.
Immer noch keine Lösung in Sicht
La Dernière Heure beschäftigt sich mit der bisher vergeblichen Suche nach einer neuen Föderalregierung und analysiert: Die N-VA hat am Wochenende erneut versucht, der PS den Schwarzen Peter zuzuschieben. PS-Chef Elio Di Rupo solle endlich seine Verweigerungshaltung aufgeben und mit N-VA-Chef Bart De Wever über eine Regierung sprechen, forderte kein geringerer als N-VA-Reizfigur Theo Francken. Die N-VA will damit die PS verantwortlich machen für eine Situation, die die N-VA selbst kreiert hat. Sie war es, die im Dezember die Regierung Michel gestürzt und Belgien praktisch handlungsunfähig gemacht hatte. Jetzt will sie mit der PS nur reden, wenn es dabei auch um Konföderalismus geht. Das lehnt die PS weiterhin ab. Alles bleibt vertrackt, schlussfolgert La Dernière Heure.
Het Laatste Nieuws fragt: Wer will eigentlich Premierminister werden? Früher war dieser Posten heiß begehrt, doch alles hat sich geändert seit der Regierung von Charles Michel. Denn der eigentliche Premier saß die vergangenen Jahren in Antwerpen in Person von N-VA-Chef Bart De Wever. Er lenkte die Regierung, Michel war eigentlich nur das Aushängeschild. Jetzt droht eine ähnliche Situation. Auch deshalb drängt sich aktuell wohl keiner auf. Selbst wenn Michel am ersten Dezember zur EU wechselt, ist nicht klar, wer die geschäftsführende Regierung leiten soll. Einer der beiden Informatoren? Die SP.A von Johan Vande Lanotte ist eine Minipartei. Didier Reynders von der MR will eigentlich EU-Kommissar werden. Vielleicht eine Frau?, spekuliert Het Laatste Nieuws.
Kay Wagner