"Die Regierungsbildung in Flandern ist in einer entscheidenden Phase", titelt De Morgen. "Pokerspiel – Nach dem Gespräch zwischen De Wever und dem Vlaams Belang wartet die Welt auf einen neuen Schachzug", schreibt De Tijd auf Seite eins.
N-VA-Chef Bart De Wever hat den Prozess der Regierungsbildung in Flandern wieder in Gang gesetzt. Nach einer Pause von gut einem Monat ist er wieder mit Vertretern des Vlaams Belang zusammengetroffen. Im Anschluss an die Unterredung gab es aber zunächst keine Stellungnahme vonseiten der N-VA. Es wird aber erwartet, dass De Wever in Kürze die Gespräche mit dem Vlaams Belang für beendet erklären wird.
Dies allein aufgrund der Tatsache, dass beide Parteien zusammen keine Mehrheit hätten. Die Rechtsextremisten scheinen sich aber nicht diesem Schicksal ergeben zu wollen: "Der Belang startet einen letzten Appell an De Wever", notiert etwa Het Laatste Nieuws auf seiner Titelseite. Darin heißt es, dass die N-VA zusammen mit dem Vlaams Belang eine flämische Front bilden sollten, um "die anderen Parteien aus ihrem Zelt zu locken".
Für viele Zeitungen ist aber die Sache gegessen: "Die N-VA zweifelt nur noch zwischen schwedisch und burgundisch", titelt De Standaard. Im Klartext: Die liberale OpenVLD wäre als Koalitionspartner gesetzt. In einer "schwedischen" Koalition wäre der dritte Partner die CD&V, bei einer "burgundischen" wäre es die SP.A.
Warum nicht früher so?
"Endlich!", seufzt Gazet van Antwerpen. Endlich eine Stromschnelle. Seit Wochen treten die Bemühungen zur Bildung einer neuen flämischen Regierung auf der Stelle. Jetzt kann sehr schnell Bewegung in die Gespräche kommen. Doch warum nicht früher so?
Bei allem Respekt vor dem Wählerwillen, aber es war von Anfang an klar, dass eine Regierung mit der Beteiligung des rechtsextremen Vlaams Belang unmöglich war. Die diversen Szenarien mit gleich wie gearteten Minderheitsregierungen wären, zumal in einem komplizierten Land wie Belgien, kompletter Wahnsinn gewesen. Aber um den Prozess jetzt in Gang zu setzen, muss De Wever immer noch erst den Vlaams Belang fallen lassen.
De Morgen ärgert sich seinerseits darüber, dass De Wever überhaupt die Rechtsextremisten derartig hofiert hat. Jeder halbwegs vernünftige Mensch wusste von vornherein, wo die Gespräche zwischen N-VA und Vlaams Belang enden würden. Nämlich im Nichts.
Unschuldig war dieses Spielchen aber nicht. Indem er den Vlaams Belang so lange im Beifahrersitz gelassen hat, hat Bart De Wever seinen Konkurrenten Tom Van Grieken fast schon auf ein Podest gestellt.
Radikal rechts ging plötzlich durch als eine ernstzunehmende politische Formation, eine Partei wie jede andere, die durchaus an der Macht beteiligt werden kann. Das war nicht nur neu, sondern auch besonders besorgniserregend.
Das gilt übrigens auch für Teile der N-VA: Bart De Wever wird einigen Mitgliedern sein Vorgehen darlegen müssen. Resultat jedenfalls: Der Cordon sanitaire mag noch existieren, in den Köpfen wurde er aber weggespült.
Das Schicksal der CD&V und die Zukunft von Jan Jambon
Het Belang van Limburg beschäftigt sich seinerseits mit dem Schicksal der CD&V: Viele Beobachter gehen davon aus, dass De Wever die flämischen Christdemokraten in die Opposition schicken wird. Das hätte auch strategische Gründe.
Hier geht es nämlich immer noch um den Titel "Volkspartei". Zwar ist die CD&V nur noch ein Schatten ihrer selbst, jedenfalls wesentlich kleiner als die N-VA. Doch sind die Christdemokraten nach wie vor in vielen Gemeinden fest verankert und verfügen zudem über ein weit verzweigtes Netzwerk.
Die Opposition dürfte der CD&V dennoch Angst machen, denn die Partei ist dafür nicht gemacht. Wer sich konsequent in der Mitte positioniert und sich als Brückenbauer sieht, der kann sich dort schwerlich profilieren.
Dass wirklich Bewegung in die Regierungsbildung zu kommen scheint, das zeigt aber auch noch eine andere Schlagzeile: "Wird Jan Jambon heute Regierungsbildner?", fragt sich Het Nieuwsblad auf seiner Titelseite.
Man hatte ja schon länger gemutmaßt, dass De Wever am Ende vielleicht doch nicht der nächste flämische Ministerpräsident wird. Und das scheint sich nun zu bewahrheiten: Demnach bekäme also der N-VA-Altmeister und ehemalige föderale Innenminister Jan Jambon diesen Posten.
Auch einige frankophone Zeitungen blicken nach Flandern: Und wenn's nur ist, um Vergleiche anzustellen. "Inwieweit unterscheiden sich SP.A und PS?", fragen sich sinngemäß La Libre Belgique und Le Soir.
La Libre spricht auf ihrer Titelseite von den "zwei Gesichtern von ein und demselben Sozialismus". Le Soir wird deutlicher: "Die SP.A steht der N-VA näher; die PS ist meilenweit entfernt". Die SP.A jedenfalls scheint aufzutauen in ihrer Beziehung zur N-VA. Bei der PS hingegen bleibt die Temperatur unter null.
"ING will null Prozent"
"Es wird Zeit für einen Zinssatz von null Prozent auf Sparkonten", schreibt derweil die Wirtschaftszeitung L'Echo auf ihrer Titelseite. Das ist die Meinung des Geschäftsführers von ING Belgien, Erik Van Den Einden.
"ING will null Prozent", so auch die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws. Konkret fordert die ING-Bank, dass der Staat den vorgeschriebenen Mindestprozentsatz von 0,11 Prozent fallen lässt. Und gerade der Staat müsse es doch wissen, sagt Van den Einden, schließlich leiht Belgien im Moment sein Geld zu Negativzinsen.
De Tijd ist dennoch nicht mit der Argumentation des ING-Chefs einverstanden: Die Banken müssen es mit dem ständigen Jammern auch nicht übertreiben. Die Zinsen sind nicht erst seit gestern im Keller. Das hat die Geldhäuser aber bisher nicht daran gehindert, satte Gewinne einzufahren.
ING Belgien etwa machte in den ersten sechs Monaten dieses Jahres noch einen Profit von mehr als 300 Millionen Euro. Es gibt viele Möglichkeiten, um die Rentabilität auf Kurs zu halten. Wild gestikulierend jetzt eine Intervention des Staates einzufordern, ist ein bisschen zu einfach.
Roger Pint