"Ein Tag bei den "Gilets Jaunes"", so kündigt De Morgen eine Reportage bei den Demonstranten mit den gelben Westen an. Auch in einigen Leitartikeln geht es am Wochenende um die Demonstrationen gegen steigende Diesel- und Benzinpreise. De Standaard macht sich auf die Suche nach den Gründen für die große Unzufriedenheit. Es ist kein Zufall, dass die Protestaktionen Flandern bislang größtenteils erspart geblieben sind. In Flandern sind die Wege kürzer und die öffentlichen Transportmittel besser. Außerdem haben mehr Menschen einen Dienstwagen mit Tankkarte.
Die Wallonen sind auch von den französischen Medien beeinflusst. Die Wallonie hat größere strukturelle Probleme, manche Landesteile haben sich noch nicht vom Niedergang der Stahl- und Steinkohleindustrie erholt. Oft ist das Auto das einzige Mittel gegen die Abgelegenheit. Und ein voller Tank kostet immer mehr. Trotz des ökonomischen Wachstums leben viele Belgier am Rand zur Armut. Und das nicht nur in der Wallonie. Die Protestaktionen der Gelbwesten zeigen, dass Maßnahmen um unseren ökologischen Fußabdruck zu verringern Menschen finanziell stark belasten können. Wer gerade einen neuen Betriebswagen hat, macht sich kaum Sorgen. Der Rentner mit seinem zehn Jahre alten Diesel aber schon, meint De Standaard.
Gefühl der Ungerechtigkeit wird bleiben
Es gibt richtige und falsche "Gilets Jaunes", da ist sich Le Soir sicher. Und die echten "Gilets Jaunes" sind die großen Verlierer. Die Gewalt, die die falschen "Gilets Jaunes" in Feluy und Charleroi verbreitet haben, hat die Sache zum Scheitern gebracht. Sie wird jetzt mit dem Schlagstock der Polizei geregelt. Die Aussicht, dass diese Bewegung so zu Ende geht, ist alles andere als eine gute Nachricht. Denn das Gefühl der Ungerechtigkeit wird sich nicht in Luft auflösen. Sind wir in der Lage etwas dagegen zu unternehmen? Das ist die größte Herausforderung sowohl für die Politik als auch für Gesellschaft, Wirtschaft, Umwelt und Medien. Was sich gezeigt hat, ist dass die Veränderung, wie so oft, oben beginnen muss, glaubt Le Soir.
Het Nieuwsblad beschäftigt sich mit den steuerlichen Vorteilen von Fußballvereinen. Nach allen diesen Skandalen ist es eigentlich überraschend, dass die "Gilets Jaunes" noch nicht begonnen haben, Fußballstadien zu blockieren. Der Staat unterstützt den belgischen Fußball. Vereine bezahlen weniger Sozialabgaben für ihr spielendes Personal. Het Nieuwsblad hat berechnet, dass die Clubs so 70 Millionen Euro sparen. Außerdem bekommen sie noch Fördergelder für die Jugendarbeit. Die Ministerin für Gesundheit und Soziales, Maggie De Block, möchte dagegen nun vorgehen. Obwohl der Fußball als unantastbar gilt, möchte sie ihn so unter Druck setzen, berichtet Het Nieuwsblad.
Europa hat nicht alles verloren
La Libre Belgique zieht in ihrem Leitartikel eine erste Bilanz zu den Brexit-Verhandlungen. Vor allem Großbritannien steht als Verlierer da. Abgesehen davon, dass seine Bürger nun bald wieder blaue Reisepässe haben können, wird man vergeblich nach den Vorteilen suchen, die das Vereinigte Königreich aus dem Brexit ziehen wird. Theresa May freut sich über das angekündigte Ende der Freizügigkeit für Personen. Dabei vergisst sie zu erwähnen, dass auch die Briten, die in Europa arbeiten oder leben möchten, davon betroffen sein werden.
Die britische Regierung hatte keinen klaren Plan für die Verhandlungen und war durch interne Spannungen gelähmt. Jetzt muss sich Großbritannien mit einem halben Brexit zufriedengeben, den weder die Befürworter noch die Gegner des Brexits wollten. Es bleibt zu hoffen, dass Theresa May die Zustimmung ihres Parlaments für das Abkommen erhält. Andernfalls gäbe es einen ungeordneten Brexit, der für alle katastrophisch wäre. Die Europäer auf der anderen Seite haben vielleicht nicht alles verloren. Sie dürfen nicht vergessen, dass es ihre Einigkeit und ihre Sorge um das Gemeinwohl sind, die ihnen in den Verhandlungen mit Großbritannien Vorteil verschafft haben. Denn die Verhandlungen etwa zu einem Handelsabkommen mit Großbritannien gehen weiter, mahnt La Libre Belgique.
N-VA sollte sich Beispiel an PS nehmen
De Morgen kommt auf die N-VA und den UN-Migrationspakt zu sprechen. Noch 2016 hat sich Migrationsstaatssekretär Theo Francken bei der UN für einen Migrationspakt nach dem Vorbild des Abkommens der EU mit der Türkei ausgesprochen. Damals bekam er viel Applaus. Jetzt folgt die N-VA der Linie des österreichischen Kanzlers Sebastian Kurz. Unter dem Druck seines rechtsradikalen Koalitionspartners FPÖ hatte Kurz im Oktober den Rückzug Österreichs von der UN-Vereinbarung angekündigt.
Es ist bedauerlich, dass Francken sich jetzt nach ganz rechts ziehen lässt. Aber wenn die begründete Befürchtung besteht, dass der nicht-verbindliche Text dennoch rechtliche Konsequenzen haben könnte, dann kann er auch auf einem EU-Gipfel diskutiert werden. Nichts steht einer gemeinsamen Erklärung der EU entgegen, dass der Pakt nicht vor Gericht geltend gemacht werden kann. So war die EU auch beim CETA-Handelsabkommen mit Kanada vorgegangen. Damals war es die wallonische sozialistische Partei, die Druck ausgeübt hatte. Vielleicht sollte sich die N-VA ein Beispiel an den Sozialisten nehmen, schreibt De Morgen ironisch.
Peter Eßer