Eingebracht hatte die Interpellation der CSP-Abgeordnete Etienne Simar - auch, wie er sagte, aus persönlicher, familiärer Betroffenheit. Unter einer Strategie verstehe er einen genauen Plan, der alle Faktoren einkalkuliere. Die vorliegende Demenzstrategie der Vorgängerregierung werde aber ausdrücklich als ein "ethischer und theoretischer Rahmen" beschrieben, der von den Akteure mit Leben gefüllt werden soll. "Genau hier schwächelt die Demenzstrategie für Ostbelgien und das nicht nur aus heutiger Sicht. Ob die vermutlich deutlich steigende Zahl von Demenzfällen, die nicht zu Hause betreut werden kann, angesichts begrenzter Kapazitäten in unseren Wohn- und Pflegezentren für Senioren in zehn Jahren gepflegt und versorgt werden kann, ist unklar."
Die mittlerweile dafür zuständige Ministerin Lydia Klinkenberg (ProDG) rechtfertigte hingegen den Ansatz, wonach die Umsetzung dieser Demenzstrategie im Zusammenspiel der Akteure liege, mit ausreichend Handlungsspielraum. "Die Träger des Gesundheitssektors und allen voran die Pflegekräfte sind die Experten in ihrem beruflichen Alltag. Durch ihre Professionalität und fachliche Kompetenz können diese Dienstleister und Fachkräfte Methoden, Konzepte und Mittel aussuchen, also konkrete Maßnahmen definieren, die in ihrem Arbeitsumfeld am besten zum Tragen kommen."
Auch für ihren ProDG-Kollegen Patrick Laschet, früher selbst Heimleiter, sind es die Betroffenen selbst, ihre Angehörigen, das professionelle Pflegepersonal sowie Ehrenamtliche, die diese Strategie mit Leben füllen. "In einer idealen Welt gäbe es genügend ambulante und stationäre Angebote. Tatsächlich aber fehlen Fachkräfte und finanzielle Ressourcen. Der Mangel im Gesundheitswesen wird sich angesichts der demografischen Entwicklung weiter verschärfen. Mit steigenden Zahlen älter und chronisch erkrankter Menschen wächst die Nachfrage nach Versorgung, während die staatlichen Mittel begrenzt sind."
Ministerin Klinkenberg zählte die bestehenden Angebote auf, neben den Wohn- und Pflegezentren die häusliche Pflege, Projekte der Nachbarschaftshilfe und die Seniorendorfhäuser. Um die Fachkräfte zu entlasten, setze die DG aber auch auf Prävention:
"Jeder Einzelne, ob jung oder alt, kann bereits heute etwas für sich und seine Gesundheit tun, indem man beispielsweise durch das Erlernen einer Sprache geistig aktiv bleibt, sich gesund ernährt und ausreichend körperlich bewegt. Es sind recht einfache Dinge, die man in den Alltag integrieren kann in dem Bewusstsein, für die eigene Gesundheit Verantwortung zu übernehmen und Sorge zu tragen", sagte Ministerin Lydia Klinkenberg.
Für Vivant befürwortete Diana Stiel diesen Ansatz. Ihr fehle aber die Sensibilisierung des Gesundheitsbereichs für die Rolle von Mineralien und Vitaminen: "Unsere Ernährung gibt nicht mehr genug her an Mineralien und Vitaminen. Ziel muss es einfach sein, dass wir erst gar nicht erkranken. Und wenn wir daran nicht arbeiten, dann werden wir trotzdem in zehn Jahren unser blaues Wunder erleben."
Der SP-Abgeordnete Björn Klinkenberg bezeichnete die Demenzstrategie 2017, die unter der Verantwortung des damaligen Sozial- und Gesundheitsministers Antonios Antoniadis verfasst worden war, als "guten und wichtigen Ausgangspunkt" und sagte: "Ich stimme dem Interpellanten zu, dass angesichts der heutigen demografischen, gesellschaftlichen und personellen Realität, dass dieser Rahmen nicht mehr ausreicht. Wir stehen vor Entwicklungen, die heute neue konkrete Antworten erfordern", und " Insbesondere zwei Faktoren machen diese Aktualisierung und Evaluierung unverzichtbar. Zum einen der massive Fachkräftemangel, der sich in allen Bereichen der Pflege spürbar verschärft, und der wachsende Druck auf Angehörige, die immer häufiger an ihre Belastungsgrenzen stoßen."
Für Fabienne Colling (Ecolo) könne sich das Parlament "nicht oft genug" mit dem Thema auseinandersetzen, um es zu enttabuisieren und darüber zu informieren: "Ich glaube, das wäre aber ein sehr klarer Quick-Win, wenn man alles, was man bis jetzt hier gehört hat, alles, was man weiß, alles, was man an Kontaktdaten hat, zusammenführen könnte, damit Menschen sich so früh wie möglich darüber informieren können, an wen sie sich wenden."
Wie Colling sprach auch Gerhard Löfgen von der PFF die innerbelgische Zusammenarbeit an: "Angesichts des gesellschaftlichen Wandels braucht es jetzt den nächsten Schritt, eine konkrete und interföderal abgestimmte Weiterentwicklung. Wir werden diesen Prozess konstruktiv begleiten und gleichzeitig darauf achten, dass wir in Ostbelgien nicht nur über Demenz sprechen, sondern die Versorgung, die Prävention und die Unterstützung der Betroffenen nachweislich verbessern."
Diesen gemeinschaftlichen Ansatz, "unabhängig von politischen Überzeugungen", verfolgte nach eigenen Worten auch Etienne Simar mit seiner Interpellation: "Lassen Sie uns Regierung, Opposition, Fachkräfte, Verbände und Bürgerinnen und Bürger Hand in Hand arbeiten, um Herausforderungen frühzeitig anzugehen, Prävention zu stärken, Angehörige zu unterstützen und eine würdevolle Betreuung sicherzustellen."
Stephan Pesch