Paul Magnette spielt das Unschuldslamm. Geradezu erstaunt zeigt er sich im RTBF-Interview über die Frage, ob es eine Regierung in der Französischen Gemeinschaft zurzeit überhaupt noch gebe. "Natürlich gibt es sie und sie hat noch viele Aufgaben zu erledigen", antwortet der PS-Chef.
Doch ganz so natürlich ist es nicht, dass es die Regierung in der Französischen Gemeinschaft weiter gibt. Hatte doch am Mittwoch niemand anderes als der Chef der Regierung, Ministerpräsident Pierre-Yves Jeholet, selbst gesagt, dass es nur noch eine geschäftsführende Regierung gibt - also keine mehr, die aktiv Politik betreiben will.
Jeholet ist Parteimitglied der MR und die MR hatte in der Nacht auf Mittwoch eine schallende Ohrfeige von Magnettes PS erhalten. Gemeinsam mit Ecolo stimmte die PS für eine Rücknahme von Teilen der Hochschulreform, die PS, Ecolo und MR erst vor drei Jahren gemeinsam beschlossen hatten. Die MR ist gegen diese Rücknahme, stimmte also gegen den Vorschlag der Koalitionspartner. Genauso taten es Les Engagés als Oppositionspartei.
Die PTB allerdings, ebenfalls Oppositionspartei, stimmte nicht gegen den Vorschlag - und so konnten PS und Ecolo die Rücknahme der Reform im zuständigen Hochschulausschuss durchsetzen.
Reaktion der MR schwer nachzuvollziehen
Seitdem bockt die MR, blockiert Entscheidungen, spricht von einer Regierung, die es eigentlich nicht mehr gebe. Für PS-Chef Paul Magnette ist das nur schwer nachzuvollziehen. "Wenn es nach Meinung der MR keine Regierung mehr gibt, dann müssen die MR-Minister gehen. Das wäre logisch. Es gibt also zwei Möglichkeiten: Entweder sie arbeiten und es geht voran, oder sie gehen und werden ersetzt", sagte er am Donnerstagvormittag in der RTBF.
Von der inhaltlichen Notwendigkeit, die Hochschulreform in Teilen wieder zurückzunehmen, gibt sich Magnette weiter überzeugt. Die kontroverse Diskussion gerade jetzt, so kurz vor den Wahlen, habe auch nichts mit Wahlkampf zu tun und nichts damit, sich die Stimmen von tausenden Studenten bei den anstehenden Wahlen zu sichern. "Ich hätte liebend gern auf so eine Geschichte verzichtet, weil sie das Bild einer gewissen Kakophonie abgibt, und so etwas mag ich ganz und gar nicht."
Anders als die Kommentatoren am Donnerstag in den Zeitungen sieht Magnette es ebenfalls nicht so, dass PS und Ecolo ihr Vorhaben nur durch Duldung durch die PTB durchbringen konnten. Dass die PTB der eigentliche Sieger des Streits um die Hochschulreform sei, die PS mittlerweile schon angewiesen sei auf die PTB, um ihre Ziele durchzusetzen, dass gar eine neue Dynamik entstanden sei, eine Art symbolische Einheitsfront der linken Parteien, die weiter den Wahlkampf bestimmen könne - das alles weist Magnette von sich.
"Aber nein, das ist keine politische Dynamik. Ganz ehrlich: Ich brauche die PTB nicht. Weder heute, noch morgen, weder hier noch woanders. Wir machen unsere Arbeit mit unseren Überzeugungen und wir haben eine Lösung erreicht dort, wo die MR blockiert hat."
Kay Wagner