Von Augenwischerei, Betrug an den Bürgern und verfehltem Nikolausgeschenk sprachen die einen, von einem ersten guten Schritt, Zeichen der Tatkraft und guten Entscheidungen die anderen. Wie zu erwarten werteten die Föderalpolitiker je nach Farbe ihrer Partei die Beschlüsse zur Erleichterung der Energierechnung unterschiedlich.
Kurz zur Erinnerung: In der Nacht auf Dienstag hatte die Föderalregierung gleich mehrere Maßnahmen beschlossen, um den Bürgern das Bezahlen der aktuell sehr hohen Energierechnungen zu erleichtern. Unter anderem soll ab März die Mehrwertsteuer auf Strom von 21 Prozent auf sechs Prozent fallen. Alle Haushalte sollen einmalig 100 Euro als Heizprämie erhalten. Der Sozialtarif für Energie wird bis zum 30. Juni verlängert.
Beispielhaft für die Kritik der Opposition können die Äußerungen von François De Smet gesehen werden. Der Präsident von Défi ist studierter Philosoph. Das mag seine besonnenen, aber durchaus spitzen Bemerkungen erklären. An Premierminister Alexander De Croo (Open VLD) gewandt sagte De Smet: "Nach gesundem Menschenverstand hätten Sie die Mehrwertsteuer auf Strom und Gas ab Oktober senken müssen - für den ganzen Winter. Sie haben es vorgezogen, die Senkung der Mehrwertsteuer in der Kollektion Frühjahr-Sommer zu erfinden - also vom 1. März bis zum 1. Juni - und das auch nur für Strom."
"Sie helfen weder den Verbrauchern von Gas, noch den Verbrauchern von Heizöl. Dafür geben Sie 100 Euro an alle. Wirklich an alle. Jeder von uns hier im Saal wird einen Scheck über 100 Euro erhalten. Die Familie mit nur einem Elternteil, die jeden Monat damit kämpft, über die Runden zu kommen, wird 100 Euro bekommen. Marc Coucke wird 100 Euro bekommen", sagte De Smet. Wobei zu erklären ist, dass der flämische Unternehmer Marc Coucke zu einem der reichsten Belgier zählt.
Erster Schritt gemacht
Anders als noch vor einer Woche zeigten sich Politiker der Vivaldi-Koalition durchaus zufrieden mit den Beschlüssen. Tenor war: Der erste Schritt ist gemacht. Jetzt müssen allerdings weitere folgen, strukturelle Maßnahmen beschlossen werden, um langfristig Energie bezahlbar zu machen.
Dann durfte der Premierminister sprechen. Auf die Kritik von De Smet und anderer Oppositionspolitiker ging er kaum ein, rechnete die Dinge aus seiner Sicht vor und sagte mittendrin auch: "Diese Föderalregierung kümmert sich um die Menschen. Auf das Ergebnis kann man vielleicht nicht sehr stolz sein, aber es ist ein konkretes und greifbares Ergebnis."
Weitere Kritik
Beim Gelächter im Saal blieb es nicht. Noch einmal durften nach dem Premier die Fragesteller an die Mikrophone. Überzeugt hatte De Croo keinen. Als Beispiel wieder Auszüge von De Smet. "Danke für Ihre Antworten, Herr Premierminister. Auch wenn ich keine Antworten auf meine Fragen bekommen habe. Aber ich bin Philosoph, ich gewöhne mich daran."
"Ich habe keine Antwort auf die Frage bekommen, warum Sie nicht früher gehandelt haben. Ich habe keine Antwort auf die Frage bekommen, warum die 100 Euro nicht gezielter verteilt werden. Ich verstehe immer noch nicht, warum Marc Coucke diese 100 Euro braucht. Ich verstehe immer noch nicht, warum man diese Unterstützung nicht zielgerichteter ausschütten und erhöhen kann, damit sie mehr Menschen hilft."
Am Ende wurde es noch einmal hitzig, als die Vooruuit-Fraktionsvorsitzende Melissa Depraetere der N-VA vorwarf, jetzt die Regierung lautstark zu kritisieren, aber vor einigen Jahren, als die N-VA selbst Teil der Regierung war, die Mehrwertsteuer auf Energie von sechs auf 21 Prozent erhöht und sogar noch einen Indexsprung unterstützt zu haben. Es gab ein Wortgefecht mit N-VA-Fraktionschef Peter De Roover - und dann war das Thema abgeschlossen. Für diesen Donnerstag zumindest. Fortsetzung folgt, das scheint sicher.
Kay Wagner