Kein Tweet, der für Aufsehen sorgt, kein Interview eines Politikers, keine Pressemitteilung - einfach nichts hat sich getan. Aus der Politik gab es keinerlei Reaktionen auf den gestrigen Tag. Auch die öffentlich-rechtlichen Medien haben es - zumindest für ihre doch wichtigen - Mittagsnachrichten nicht für nötig gehalten, mal bei dem einen oder anderen Politiker nachzufragen.
Am Montagabend und auch am Dienstagmorgen noch kamen zwar einige politische Beobachter zu Wort und auch die Leitartikel in den Zeitungen kennen am Dienstag eigentlich nur ein Thema - nämlich die politischen Ereignisse von Montag -, aber das war's dann auch. Von Seiten der Politik kam schon am Montagabend nichts. Und so ist es am Dienstag auch geblieben.
Sprengstoffthemen
Dabei lag im gestrigen Tag genug Sprengstoff und es gab Äußerungen, die im Normalfall nach Reaktionen geradezu schreien würden. Da kann man anfangen mit der Beobachtung, dass sich am Sonntagabend erstmals seit 2011 PS und N-VA an einem Tisch wiederfinden. Nach dem PS-Parteibüro am Montagvormittag stellte sich Paul Magnette dann vor die Presse und erklärte, dass seine Partei weiterhin keine Perspektive für eine Zusammenarbeit mit der N-VA sieht.
Dann kam der Nachmittag und die Informatoren machten klar, dass sie aber genau an dieser Perspektive weiterarbeiten wollen: nämlich die beiden stärksten Parteien der beiden Landesteile in eine gemeinsame Regierung bringen.
Oder nehmen wir die Entscheidung der Informatoren, Ecolo zunächst auszuklammern aus ihren weiteren Bemühungen, eben weil sich die Informatoren auf dieses Zusammenführen von PS und N-VA konzentrieren wollen. Dazu gäbe es ja durchaus Alternativen - auch wenn die schwierig sind. Aber die werden von den Informatoren einfach ausgeblendet. Ist dahinter Parteipolitik zu vermuten oder nicht?
Wie geht man mit der Tatsache um, dass alle jetzt plötzlich auf Ecolo herumtrampeln und es so unmöglich finden, dass die Grünen sich nicht an einen Tisch mit der N-VA setzten wollen, eine Partei, die vor fünf Jahren für alle, also wirklich alle frankophonen Parteien ja noch ein rotes Tuch war, bis dann die MR ihr Wort gebrochen und doch eine Regierung mit der N-VA gebildet hatte. Ist es jetzt also normal, mit der N-VA zu sprechen, genauso, wie es vor fünf Jahren normal war, mit der N-VA nicht zu sprechen?
Keine Lust am föderalen Regieren
Es gibt also eine ganze Reihe von Themen, die sich am Montag aufgedrängt haben. Dass über all das geschwiegen wird, kann man vielleicht als ein Zeichen für die Apathie, Lethargie und Trägheit werten, die gerade bei den regierungsfähigen Parteien herrscht in Hinsicht auf die Lust am föderalen Regieren.
Die Zeitungen Le Soir und auch ein bisschen De Morgen haben das am Dienstag in ihren Kommentaren so dargestellt: Dass eben keiner sich wirklich darum reißt, auf föderaler Ebene zu regieren, weil das im Moment noch bedeuten würde, Kompromisse zu wagen, die gegen die Parteilinie gehen. Gegen das, was man vor den Wahlen groß versprochen hat.
Wenn man das jetzt bricht - und das zurzeit noch ohne richtigen Grund - dann läuft man vielleicht Gefahr, sowohl den eigenen Mitgliedern als auch den Wählern zu viel zuzumuten, sie zu enttäuschen und sie für die nächsten Wahlen zu verlieren. Denn man muss bedenken, dass alle regierungsfähigen Parteien keine richtigen Wahlgewinner sind. Alle Parteien haben Stimmen verloren bis auf Ecolo und Groen. Aber auch die haben eben nicht die eklatanten Siege eingefahren, die sie vielleicht erwartet hatten.
Alle sind in dieser Situation sehr vorsichtig. Und sind vielleicht auch ganz dankbar darüber, dass Vande Lanotte und Reynders jetzt erst einmal weitermachen. Das gibt ihnen quasi Zeit, sich selbst zu finden. Und das würde auch erklären, warum so wenig Lust vorhanden ist, sich jetzt in Streitdebatten zu verlieren. Der Montag hat genug Anlass zu Wortmeldungen gegeben. Die sind ausgeblieben. Jetzt lässt man die Informatoren ihre Arbeit machen und ist damit im Grunde selbst die Verantwortung los. Und das scheint allen Parteien zurzeit zumindest wohl ziemlich gut zu passen.
Kay Wagner