"Der frühere Föderalminister Leo Delcroix ist tot", titeln nüchtern Het Belang van Limburg und Het Nieuwsblad. "Leo Delcroix, der Mann, der die Wehrpflicht abgeschafft hat, ist im Alter von 72 Jahren gestorben", so die Schlagzeile von Gazet van Antwerpen.
Leo Delcroix war in den 1990er Jahren einer der populärsten Politiker der flämischen Christdemokraten. Insbesondere eine ganze Generation von jungen Männern verbindet mit ihm die Abschaffung der Wehrpflicht. 1992, als diese Entscheidung getroffen wurde, war Leo Delcroix nämlich Verteidigungsminister. In der Folge machte er aber vor allem Schlagzeilen wegen diverser Skandale. Ins Zwielicht geriet Delcroix unter anderem wegen Unregelmäßigkeiten beim Bau seiner Villa in Süd-Frankreich und wegen der so genannten Milieuboxen-Affäre. Dabei ging es, grob gesagt, um Korruption und illegale Parteifinanzierung. Het Laatste Nieuws nennt Delcroix denn auch "die CVP-Lichtgestalt, die über die Milieuboxen-Affäre stolperte".
Die Party ist jetzt für alle vorbei
Auf vielen Titelseiten sieht man heute auch die neue italienische Ministerpräsidentin, Giorgia Meloni. Für ihre erste Auslandsreise hat sie sich Brüssel ausgesucht. Le Soir spricht auf seiner Titelseite von der "Feuertaufe". Im Wahlkampf hatte die Postfaschistin nämlich besonders scharf auf die EU geschossen. De Tijd kann aber nur feststellen, dass Meloni gestern in Brüssel "auffallend konstruktiv" gewesen sei. Für De Morgen ist das offensichtlich keine Überraschung: "Warum die Kehrtwende der italienischen Ministerpräsidentin unvermeidlich war", so die Schlagzeile. Denn, so führt die Zeitung im Innenteil aus: Giorgia Meloni kann es sich schlicht und einfach nicht erlauben, die europäischen Partner zu brüskieren. Nicht zuletzt wegen seiner hohen Staatsverschuldung ist das Land auf europäische Hilfe angewiesen.
"Die Party ist vorbei", meint dazu Het Belang van Limburg in seinem Kommentar. Das sind eigentlich die Worte von Giorgia Meloni, die im Wahlkampf vollmundig angekündigt hatte, dass sie den europäischen Institutionen als Premierministerin mal gehörig den Marsch blasen werde. Ob sie das gestern in Brüssel tatsächlich auch getan hat, man weiß es nicht. Vielleicht ist sie sich inzwischen dessen bewusst geworden, dass ein Land mit einer Staatsschuld von 150 Prozent des Bruttoinlandsproduktes nicht wirklich in der Position ist, große Forderungen zu stellen. Was natürlich nicht bedeutet, dass die Postfaschistin der EU nicht das Leben schwer machen kann. So hatte sie sich im Wahlkampf eindeutig auf die Seite von Ungarn und Polen gestellt, und das Vorgehen der EU gegen die beiden Länder wegen Missachtung der Rechtsstaatlichkeitsprinzipien heftig kritisiert. Meloni wird sich jetzt in dieser EU mit ihren 27 Mitgliedsstaaten positionieren müssen. Auch für sie ist die Party jetzt vorbei.
Maximale Erträge für Bauern oder saubere Bäche?
De Standaard beschäftigt sich mit den neuerlichen Bauernprotesten in Flandern. Unmittelbarer Anlass ist die Festlegung neuer Stickstoffnormen für die Landwirtschaft und insbesondere eine neue Dünge-Verordnung. Die Bauern fürchten jetzt definitiv um ihre Existenz. Dabei wird die wichtigste Frage aber nicht gestellt, beklagt De Standaard. Und die lautet: "Welche Landwirtschaft wollen wir eigentlich?". Ist das heutige Modell, wonach aus den Flächen der maximale Ertrag herausgeholt wird, die einzige Alternative? Ungeachtet der Tatsache, dass das eben maximale Düngung erfordert mit der damit einhergehenden erheblichen Umweltbelastung. Es ist nicht so, als wäre das der einzige Weg. In der biologischen Landwirtschaft wird kein Kunstdünger verwendet und ist die Umweltbelastung deutlich niedriger. Klar: Die Erträge sind kleiner, was die Bauern in anderen Ländern aber nicht daran hindert, auf Bio umzusatteln. Frage also: Wollen wir saubere Bäche oder doch maximale Erträge? Die Antwort werden wir alle zusammen finden müssen.
Eine gesunde Mischung aus Kühnheit und Augenmaß
La Libre Belgique stellt sich die Frage nach dem richtigen Umgang mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Womöglich kann der Westen da von Recep Tayyip Erdogan lernen. Der starke Mann aus Ankara gehört jedenfalls zu den wenigen, die den Kreml-Chef offensichtlich zu beeinflussen vermögen. Nach der Aussetzung des Getreide-Abkommens durch Russland war es der türkische Präsident, der Moskau zum Einlenken bewegte. Wenn Erdogan wegen seiner autokratischen Neigungen auch nicht wirklich als politisches Vorbild dienen kann, so zeigt er zumindest, wie man mit Putin umgehen muss. Der russische Präsident reagiert nur auf politischen Druck und vor allem das demonstrative Zurschaustellen von Stärke. Davon sollten sich die Europäer eine Scheibe abschneiden: eine gesunde Mischung aus Kühnheit, aber auch Augenmaß.
Einseitige Abhängigkeiten der Europäer vermeiden
De Tijd beleuchtet ihrerseits die China-Reise des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz. Der SPD-Politiker macht es seinen Kritikern leicht, findet das Blatt. Erst forciert er im Alleingang eine chinesische Beteiligung am Hamburger Hafen. Und dann setzt er sich ins Flugzeug nach Peking und ist damit der erste westliche Regierungschef, der mit dem chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping zusammentrifft, nachdem der sich zum dritten Mal an die Spitze des Staates hat wählen lassen. Wer gedacht hatte, dass das alte Wunschbild vom "Wandel durch Handel" seit dem Ukraine-Krieg in der Mottenkiste gelandet wäre, hat sich offensichtlich geirrt. Deutschland tut sich anscheinend immer noch schwer damit, sich von der – zugegeben – komfortablen bisherigen Position zu verabschieden: Gas aus Russland, Schutz von den USA und rege Handelsbeziehungen mit China. Alles auf einmal wird man nicht mehr kriegen. Entsprechend wird die deutsche Außenpolitik zunehmend zu einem Spagat. In jedem Fall müssen einseitige Abhängigkeiten in Zukunft vermieden werden. Scholz muss ein chinesisches Nord-Stream-Szenario verhindern.
Roger Pint