"Selbsttests: Aufruf zur Kostenrückerstattung für alle", titelt L'Avenir. "Schulen: Test Achats will Gratis-Selbsttests für Kinder", so eine Überschrift beim GrenzEcho. "Acht Prozent werden wöchentlich ihr Kind testen - Eltern kaum bereit, Aufruf zu folgen", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins. "'Für manche Eltern ist es eine Entscheidung zwischen Essen und Testen'", zitiert Het Belang van Limburg einen Schuldirektor.
Als Puffer, um dabei zu helfen, die Schulen offen zu halten, hatten der flämische Bildungsminister und der föderale Gesundheitsminister zu wöchentlichen Selbsttests bei Kindern aufgerufen. Das stößt auf wenig Begeisterung, fasst Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel zusammen. Die große Mehrheit der Eltern will, dass ihre Kinder wieder zur Schule gehen können, und zwar dauerhaft. Ist ihre wenig enthusiastische Reaktion also nicht widersprüchlich? Vielleicht. Aber sie ist auch nachvollziehbar. Es scheint oft ein Gefühl vorzuherrschen, dass mit den Selbsttests, wie schon bei den Mundschutzmasken und den Impfungen, die Kinder für etwas büßen sollen, an dem sie keine Schuld tragen. Ein zweiter Faktor ist wohl, dass die Menschen es nach zwei Jahren gründlich satt haben, immer selbst so viel zu den Verteidigungsmauern gegen das Virus beitragen zu sollen. Der gute Wille scheint erschöpft. Das Offenhalten der Schulen ist die Verantwortung der Minister. Der Minister, die schon viel guten Willen verlangt haben. Und die schon viele Chancen verpasst haben, die Schulen sicherer zu machen, von Belüftungsplänen bis zu CO2-Messgeräten, wettert Het Nieuwsblad.
Höchste Zeit für einen echten Plan
Het Laatste Nieuws beschäftigt sich mit der Problematik, dass die Omikron-Welle droht, die Gesellschaft und insbesondere essenzielle Bereiche lahmzulegen: Es kommt ein Augenblick, in dem nicht nur das Virus selbst für Probleme sorgt, sondern auch unsere Schutzmaßregeln. Jetzt sind es nicht die Krankenhausaufnahmen, die das Leben paralysieren könnten, sondern die Tatsache, dass Infizierte massenhaft in Quarantäne müssen.
Die Politiker sprechen schon seit Monaten davon, dass wir lernen müssen, "mit dem Virus zu leben", es ist höchste Zeit, dass jetzt auch endlich ein echter Plan dafür kommt. Bei der Pressekonferenz des Konzertierungsausschusses wurde im schlimmsten Fall von bis zu einer halben Million gleichzeitig angesteckter Belgier ausgegangen. Wir müssen uns dringend diesbezügliche Fragen stellen. Nicht allein das Virus verändert sich, auch die Art und Weise, wie wir damit umgehen, muss sich verändern, fordert Het Laatste Nieuws.
Capitol-Hill-Momente auch hier nicht länger undenkbar
Die meisten Leitartikler blicken heute jedoch auf Entwicklungen im Ausland und ihre möglichen Implikationen. De Morgen etwa kommt zurück auf den Jahrestag der Erstürmung des US-Kapitols durch Trump-Anhänger: Zu Recht wird davor gewarnt, dass die amerikanische Demokratie noch immer in Gefahr ist. Aber das ist kein exotisches Problem, das sich in fernen Ländern abspielt und uns deswegen nichts angeht. Der Einfluss bewaffneter Milizen auf die amerikanische Politik wächst. Die amerikanischen Rechtsextremen haben auch Kontakte zu Gleichgesinnten hierzulande. Auch unsere europäischen Demokratien müssen ihre Widerstandskraft unter Beweis stellen. Der zunehmende Corona-Frust hat schon zu Gewalt geführt in Belgien, in Frankreich, in den Niederlanden. Hier mischen Gruppen wie "Feniks" und "Schild & Vrienden" mit, die nach Expertenmeinung deutliche faschistische Züge tragen. Jeder Politiker, dem etwas an der Demokratie gelegen ist, steht vor einer wichtigen Herausforderung: Sie müssen in ernsthaften Dialog treten mit unzufriedenen Wählern. Bevor Demagogen und Anstifter aus dem Ausland die zur Gewalt aufstacheln. Sonst ist ein Capitol-Hill-Moment auch in Brüssel und andernorts in Europa nicht länger undenkbar, warnt De Morgen.
Le Soir kommentiert die Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft durch Frankreich: Die neue Mission und Verantwortung kündigen sich für Paris denkbar unsanft an. Innenpolitisch steht Präsident Macron vor den Wahlen, mit diversen Gegnern und auch einer Bevölkerung, die von Europa alles andere als überzeugt sind. Die Europäische Union selbst sieht sich mit kolossalen Herausforderungen konfrontiert: Russland lässt die Muskeln spielen und versucht Europa zu spalten und gegen die USA auszuspielen, bei den dringend benötigten Halbleitern ist man fast vollständig von Asien abhängig, China setzt EU-Länder wegen Taiwan unter Druck, der Kampf gegen den Klimawandel wird von Populisten torpediert. Von innen droht die Gefahr der antidemokratischen Hydra. Die Hysterie um die Migration wütet weiter, ebenso wie die Corona-Pandemie. Aber vielleicht sollte man es doch auch so sehen wie Kommissionspräsidentin von der Leyen: Europa hat Glück, in so einer delikaten Zeit von Frankreich angetrieben zu werden. Denn Frankreich hat eine Stimme in der Welt - und Europa im Herzen, unterstreicht Le Soir.
Geopolitischer Zaungast EU
Das GrenzEcho geht hart mit der EU ins Gericht: Die Welt brennt. Brüssel schläft. Die Welt, ob man das mag oder nicht, ist dabei, sich erneut in Macht- und Einflusszonen aufzuteilen. China lässt keine Zweifel an seinen Ansprüchen auf weite Teile Südostasiens, Putins Russland hat die Grenzen der früheren Sowjetunion und deren Einflussbereich fest im Blick. Die USA haben ihre Aufmerksamkeit von der zum Atlantik zugewandten Ostküste an den Pazifik verlagert. Die EU verkümmert derweil im Niemandsland zwischen der Außenpolitik ihrer führenden Mitgliedsstaaten und der von den USA eingeforderten Loyalität zum "Westen". Das Schlimmste dabei: In Brüssel scheint das niemand zu merken. Von wegen zu stören, meint das GrenzEcho.
Am Montag werden sich Putin und Biden in Genf treffen, erinnert Het Belang van Limburg. Inzwischen hat Russland die Karten auf den Tisch gelegt: Es will nicht nur juristische Garantien, dass die Ukraine und andere ehemalige sowjetische Länder nie der Nato beitreten dürfen. Die Nato soll auch keine Manöver mehr abhalten dürfen und alle Raketensysteme aus allen Nato-Staaten abziehen, die nach 1997 beigetreten sind. Es geht um Länder wie Polen, Rumänien und die baltischen Staaten, Länder also, die sich am meisten durch Moskau bedroht fühlen. Aber damit nicht genug: Auch Schweden und Finnland will Putin eine eventuelle Nato-Mitgliedschaft verbieten.
Putin träumt von einer erneuten Aufteilung Europas in Einflusssphären, wie damals zu sowjetischen Zeiten nach der Jalta-Konferenz. Das erklärt auch, warum er in echter Sowjettradition sofort dem wankenden kasachischen Regime zu Hilfe eilte. Kasachstan muss, koste es was es wolle, unter seinem Einfluss bleiben. In all diesen Diskussionen spielt die EU nur eine schmerzliche zweite Geige. Es gibt Befürchtungen, dass Biden zwar in der Öffentlichkeit deutliche Worte gegenüber Putin hat, in Wirklichkeit aber eher auf eine Einigung mit Moskau abzielt. Weil er weiß, dass seine europäischen Bündnisgenossen zerstritten sind über den Umgang mit Russland. Und weil die Vereinigten Staaten ihre Aufmerksamkeit mehr und mehr dem Pazifik zuwenden, wo der Vormarsch Chinas ihnen viel größere Sorgen macht, analysiert Het Belang van Limburg.
Boris Schmidt