"Die PS will Zugang zum Arbeitslosengeld, auch wenn man kündigt", titelt L’Echo. Damit möchte die PS Arbeitnehmer unterstützen, die sich beruflich neu orientieren wollen – in der Hoffnung, dadurch dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Von der flämischen Wirtschaftszeitung De Tijd kommt zu diesem Vorstoß ein klares "Nein". Warum sollte man gerade wegen des Fachkräftemangels jemanden unterstützen, der freiwillig seinen Job aufgibt? Wer seinen Job wechseln will, hat dazu heute schon genügend Möglichkeiten, meint das Blatt. Der Vorschlag stehe im Gegensatz zur Grundidee der Sozialversicherungen: Wer arbeiten kann, muss arbeiten. Außerdem fürchtet De Tijd, dass mit dem Arbeitslosengeld für jemanden, der kündigt, die Brückenpensionen durch die Hintertür wieder eingeführt werden.
Impf-Verweigerer - Die Zeit, die wir nicht haben
"Corona gedeiht dort, wo viele nicht geimpfte Menschen leben", ist die Aufmachergeschichte bei De Standaard. Das Blatt schaut noch genauer hin und stellt fest: Es liegt nicht nur an der geringen Impfquote, sondern auch an der soziologischen Struktur einer Gegend oder am Verhalten der Menschen. Dass Politiker wie Premierminister De Croo mit dem Finger auf die Impf-Verweigerer zeigen, ist in der Sache aber nicht hilfreich. Mit einem Corona-Pass kann man die Zweifler vielleicht noch überzeugen. Aber sachliche Argumente verpuffen, wenn emotionale Gründe gegen das Impfen sprechen. Und diese Ängste entwickeln sich in manchen sozialen Schichten oder aufgrund von kulturellen Gewohnheiten zu einer Phobie. Um Impf-Verweigerer zu überzeugen, braucht es statt Druck Vertrauen - und Vertrauen zu schaffen, braucht Zeit. Doch diese Zeit haben wir nicht, meint De Standaard.
Hinterherhinkende Wallonie
Wäre Langsamkeit eine olympische Disziplin, hätte die Wallonie eine Medaille verdient, ätzt La Meuse. Erst die schwache Impfquote - vor allem in den Zentren der Provinz Lüttich - und jetzt die Diskussion um Corona-Pass und Maskenpflicht. Flandern lockert die Maskenpflicht ab dem 1. Oktober, Brüssel hält daran fest. Das sind klare Ansagen. Aber was macht die Wallonie? Hier gibt es immer noch keine Entscheidung.
Auch Het Nieuwsblad kritisiert, dass die Wallonie zu langsam agiert, bezieht das aber auf die Bewältigung der Hochwasserkatastrophe. Es war herzerwärmend, wie viel Solidarität die Bevölkerung - auch aus Flandern - mit den Opfern gezeigt hat. Die Politik tut das nicht, ist das vernichtende Urteil der Zeitung. Es gibt immer noch keine Koordination, stattdessen ein Labyrinth, in dem sich die Hilfesuchenden verlaufen. Dass nach der Naturkatastrophe immer noch tausende Menschen ohne Strom und Gas sind, darf in Haiti passieren, in Belgien nicht.
Für L’Avenir hatte der Lockdown in der Corona-Krise auch etwas Positives: Weil die Menschen weniger mobil waren, hatte sich die Luftqualität verbessert. Diesen Effekt sollten wir bewahren, meint das Blatt und erinnert daran, dass schlechte Luftqualität das Leben der Menschen in Europa statistisch um acht Monate verkürzt. Viele große Städte verbannen daher die Fahrzeuge, die die Luft besonders stark verpesten. Sanfte Mobilität wirkt sogar doppelt. Wer zu Fuß geht oder Fahrrad fährt, sich also körperlich betätigt, stärkt seine persönliche Gesundheit, lobt L’Avenir.
Angeheiztes Tauziehen um das neue Verteidigungsbündnis
Le Soir kommentiert das neue Verteidigungsbündnis zwischen den USA, Großbritannien und Australien, das die Länder mit Blick auf China geschlossen haben. Zwar ist noch nicht klar, was genau der Pakt beinhaltet, es besteht jedoch kein Zweifel, dass die Folgen nachhaltiger sein werden. Dass die USA Europa mit dem neuen Bündnis überraschen und vor den Kopf stoßen, untergräbt das Vertrauen in die transatlantische Partnerschaft. Dies wird das Tauziehen zwischen den EU-Staaten anheizen. Auf der einen Seite stehen die Anhänger des "amerikanischen Schutzschirms", auf der anderen die Befürworter der "strategischen Autonomie" der EU. Eine Spaltung der Europäer wird jedoch vor allem den Interessen von Xi Jinping und Wladimir Putin dienen, meint Le Soir.
"Kann man das eine 'Schande' nennen?"
De Morgen schließlich blickt nach Ruanda, wo Paul Rusesabagina zu 25 Jahren Haft wegen angeblicher Terrorismusunterstützung verurteilt worden ist. Der ehemalige Hotelmanager Rusesabagina hatte in den 1990er Jahren im ruandischen Bürgerkrieg über 1.200 Menschen vor dem sicheren Tod gerettet und lebte danach etliche Jahre im Exil – auch in Belgien. Er hat zudem die belgische Staatsangehörigkeit. Ein Mit-Belgier wurde von einem mörderischen Regime entführt und in einem Schauprozess mit erwartbarem Ausgang verurteilt. Und die belgische Regierung unternahm nichts. "Kann man das eine Schande nennen?", fragt De Morgen rhetorisch. Dass die Regierung jetzt überlegt, die Finanzhilfen für Ruanda einzufrieren, kommt reichlich spät. Da muss mehr passieren. Belgien soll sich international stärker dafür einsetzen, dass Rusesabagina aus dem ruandischen Kerker befreit wird, fordert De Morgen.
Olivier Krickel