"Fragen um Zukunft der Roten Teufel", so der Aufmacher beim GrenzEcho. "Ist Martinez noch der richtige Mann?", fragt De Standaard. "Die belgische Fußballunion will Martinez behalten", scheint La Dernière Heure eine Antwort geben zu wollen.
Nach dem Aus für die belgische Nationalmannschaft bei der EM nimmt die Kritik an Trainer Roberto Martinez zu, schreibt Het Belang van Limburg. Diese Kritik ist zum Teil gerechtfertigt: Italien hat verdient gewonnen, die Roten Teufel haben in ihren fünf EM-Wettkämpfen zu wenig geliefert. Zum dritten Mal in vier großen Turnieren war das Viertelfinale die Endstation. In der wichtigsten Nebensache der Welt gehört Kritik einfach dazu. Aber die Art und Weise, wie diese Kritik von vielen in den Sozialen Medien geäußert wird, ist nichts anderes als beschämend und respektlos. Mit unflätigsten Worten und ohne Sachkenntnis werden Personen im Internet niedergeknüppelt, persönlich angegriffen und bedroht. Das scheint das neue Normal zu sein.
Dass Roberto Martinez als Trainer nur fünf von 64 Spielen verloren hat, scheint plötzlich nicht mehr zu zählen. Genauso wenig, wie, dass er das Management der Roten Teufel weiter professionalisiert hat. "Ist es denn wirklich so schwer, einfach entspannt die vielen schönen Augenblicke zu genießen, die uns die Roten Teufel in den letzten Jahren geschenkt haben? Ist es wirklich so schwer, das Leben etwas positiver zu nehmen und sich nicht immer nur auf das zu konzentrieren, was nicht perfekt ist? In einem Land, in dem elf Millionen Virologen sich über Nacht zu elf Millionen Nationaltrainern umgeschult haben, kann das doch nicht so schwer sein", wettert Het Belang van Limburg.
Perfektes Timing für De Wever
Gazet van Antwerpen greift ebenfalls das Aus der Roten Teufel auf, allerdings als perfektes Timing für den N-VA-Vorsitzenden Bart De Wever: Fußball ist vorbei, die Epidemie ziemlich unter Kontrolle, Zeit also für die nächste gemeinschaftspolitische Runde. Zwei auffällige Kampagnen haben die Belgier in den letzten Monaten dazu aufgerufen, "tous ensemble", alle zusammen als Team zu spielen: Bei der Unterstützung der Fußballnationalmannschaft hat das geklappt. Bei der Bekämpfung des Coronavirus weniger. Bei jeder Anpassung der Schutzmaßregeln gab es jemanden, der meinte, dass es eine Region anders machen müsse als der Rest. Waren sich die Regionen mal einig, ging es eben gemeinsam gegen die föderale Ebene.
Selbst in der größten Gesundheitskrise in der Geschichte des Landes war es schwierig, alle Belgier unter einen Hut zu bekommen. Manche mögen sagen, dass der Vorstoß De Wevers über die nächste Staatsreform vor dem Ende der Pandemie zu früh kommt. Aber seine Ungeduld ist nachvollziehbar: Er will wieder eine prominente Rolle für seine Partei. Während der Gesundheitskrise stand vor allem die Föderalregierung im Vordergrund, es war also auch umso schwerer für die flämische Regierung, sich zu profilieren, analysiert Gazet van Antwerpen.
Ein enormes Vabanquespiel
De Morgen meint, dass sich De Wever vom Szenario des rechtsextremen Vlaams Belang abgrenzen möchte. Dessen Vorsitzender Tom Van Grieken will ja, dass eine Mehrheit im flämischen Parlament einfach die Unabhängigkeit ausruft, wie es die Katalanen getan haben. Das kann De Wever aus mehreren Gründen nicht passen: Erstens ist er Konservativer, kein Revolutionär. Die Strategie des Vlaams Belang scheint ihm unglaubwürdig. Abgesehen davon müssten sich die Flamen ohnehin wieder mit den Frankophonen an einen Tisch setzen, um hinterher den belgischen Hausrat unter sich aufzuteilen.
Und nicht zuletzt weiß De Wever, dass er, falls er ein katalanisches Szenario auf den Tisch legt, die Wahlen 2024 de facto zu einem Referendum über das Weiterbestehen Belgiens machen würde. Das wäre für die Minderheitsbewegung des flämischen Nationalismus ein enormes Vabanquespiel. Ganz sicher mit dem Brexit und seinem Nachspiel so frisch im Gedächtnis, meint De Morgen.
Pandemie-Management und Nachtleben
Das GrenzEcho befasst sich mit der Corona-Krise: Belgien kommt langsam, aber sicher in eine neue Phase des Pandemie-Managements. Wir müssen davon abrücken, immer nur das Augenmerk auf die Zahl der Infizierten zu richten. Und uns daran gewöhnen, dass Menschen erkranken. Mutationen - auch hier müssen wir umdenken - sind normal und nicht an Grenzen aufzuhalten in einer globalen Welt. Aber nicht missverstehen: Die Pandemie ist nicht vorbei. Also gilt weiter: Vorsicht als die Mutter der Porzellankiste. Wir brauchen aber langsam einen erwachsenen Umgang mit dem Virus, das uns noch lange begleiten wird. Aus der Ausnahmesituation, in der wir auch nach fast 18 Monaten leben, müssen wir allerdings heraus: so schnell wie möglich und so bedacht wie nötig, fordert das GrenzEcho.
La Dernière Heure greift das Nachtleben auf, das seit 15 Monaten wegen der Gesundheitskrise stillsteht. Dieser Sektor erlebt den längsten Lockdown - der immer noch andauert. Auf Perspektiven warten diese Menschen auch immer noch vergeblich. Da muss man sich schon fragen, ob das Nachtleben in den Augen der Obrigkeit überhaupt existiert, so wenig, wie es in den Konzertierungsausschüssen Thema war. Natürlich liebt das Virus Bedingungen wie in den Diskotheken, wo von Sicherheitsabständen realistisch nicht gesprochen worden kann. Aber die Protokolle sind bekannt, mit denen die Risiken effizient begrenzt werden können. Höchste Zeit also, sie auch auf das Nachtleben anzuwenden. "Das Bedürfnis nach nächtlichem Vergnügen ist vorhanden, wilde illegale Innenpartys sind auf dem Vormarsch. Warum also nicht damit beginnen, die Wiederöffnung unter kontrollierten Bedingungen anzugehen?", plädiert La Dernière Heure.
Boris Schmidt