"König schickt Bourgeois und Demotte ins Minenfeld", titelt Gazet van Antwerpen. "Es gibt nur eine Möglichkeit: PS und N-VA zusammen", zitiert Het Nieuwsblad in seiner Schlagzeile Ex-Informator Johan Vande Lanotte.
König Philippe hat den N-VA-Politiker Geert Bourgeois zusammen mit dem PS-Politiker Rudy Demotte damit beauftragt, die Regierungsbildung auf föderaler Ebene weiter voranzutreiben. Ihr offizieller Titel lautet "Vor-Regierungsbildner". Bourgeois und Demotte lösen damit Didier Reynders und Johan Vande Lanotte ab, die bislang das Feld sondiert haben.
Le Soir kommentiert dazu: Zwei Dinge können an der Wahl von Bourgeois und Demotte abgelesen werden. Erstens: Die neue Föderalregierung soll wohl auch nach Meinung des Königs um N-VA und PS gebildet werden. Zweitens: Mit baldigen Gesprächen zwischen beiden Parteien ist noch nicht zu rechnen. Denn bei der PS muss erst noch Paul Magnette zum neuen Präsidenten gewählt werden. Erst wenn dieser fest im Sattel sitzt, können ernstzunehmende Gespräche beginnen. Aber es bleibt weiter fraglich, ob die PS das machen wird. Denn wie undankbar eine Zusammenarbeit mit der N-VA ist, musste die MR in der vergangenen Legislatur ja schmerzlich erfahren, erinnert Le Soir.
Ein positives Zeichen
La Libre Belgique atmet auf: Es war ein positives Zeichen am Dienstag, Demotte und Bourgeois sagen zu hören: Wir sollten miteinander reden. Denn damit haben sie vollkommen Recht. Nach Monaten des Wartens muss jetzt endlich die Vernunft siegen, müssen Kompromisse angedacht werden. Natürlich wird das zu Spannungen führen. Aber warum zum Teufel schaffen die Parteien aus dem Norden und Süden des Landes, mit oder ohne N-VA, nicht das, was die Bürger jeden Tag schaffen: Ruhig und friedlich zusammenzuleben, schimpft La Libre Belgique.
L'Echo glaubt: Der Palast hat den Titel "Vor-Regierungsbildner" sicher nicht gewählt, ohne dazu vorher den Segen von PS und N-VA bekommen zu haben. Das bedeutet also, dass zwischen den Parteien bereits mehr Gespräche stattgefunden haben, als bislang vermutet. Und dass die beiden Parteien durchaus der Meinung sind, dass eine Zusammenarbeit glücken könnte. Schnell wird es da nicht gehen, aber die Ernennung von Demotte und Bourgeois ist ein Zeichen, dass etwas möglich scheint, hofft L'Echo.
Gefährliche Gleichgültigkeit
Het Nieuwsblad warnt: Es ist gefährlich, zu glauben, dass die Bürger es gut finden, dass die Parteien sich solange Zeit mit der Bildung einer Regierung lassen. Vielmehr ist zu befürchten, dass sich bei vielen Bürgern schon Gleichgültigkeit breit gemacht hat.
Diese Gleichgültigkeit gegenüber der Politik kann auch gerade in Flandern beobachtet werden: Über die Sparmaßnahmen, die plötzlich bekanntwerden und alle Bevölkerungsteile treffen, regen sich nur Gewerkschaften und Verbände auf. Beim kleinen Mann auf der Straße werden die Maßnahmen aber nicht diskutiert. Schweigen in der Bevölkerung wird von Politikern gerne als Zustimmung gewertet. Doch das ist ein Trugschluss. Die schweigenden Menschen werden schnell zu Protestwählern. Bei den nächsten Wahlen drohen die radikalen Parteien weiter zuzulegen, befürchtet Het Nieuwsblad.
Die USA stoßen ihren Verbündeten den Dolch in den Rücken
De Morgen schaut auf die Lage im türkisch-syrischen Grenzgebiet und notiert: Der angekündigte Rückzug der Amerikaner aus Nordsyrien droht, eine Kettenreaktion in Gang zu setzen, die ein großes Risiko für die Stabilität in der Region und die Sicherheit in Europa bedeutet. Die Amerikaner stoßen ihren bisherigen Verbündeten, den Kurden, mit dem Abzug ihrer Truppen einen Dolch in den Rücken. Denn jetzt will die Türkei die Kurden in Nordsyrien angreifen. Auf der Suche nach Unterstützung gegen die türkische Übermacht werden die Kurden sich an Russland oder Syrien selbst wenden. Der Westen wird an Einfluss in der Region verlieren. Und was mit den gefangenen IS-Kämpfern geschieht, die zurzeit von den Kurden bewacht werden, ist nicht klar, so De Morgen.
De Standaard sieht das ähnlich und fragt: Wer soll sich um diese IS-Kämpfer kümmern, die zurzeit von den Kurden bewacht werden? Wenn diese Kurden gegen die Türken kämpfen müssen? Es steht zu befürchten, dass viele dieser Gefangenen flüchten können und irgendwie nach Europa kommen. Hier sind diese radikalisierten Menschen dann tickende Zeitbomben für die Gesellschaft. Europa muss dringend etwas tun, um so ein Szenario zu verhindern. Auch Belgien könnte durch seinen Sitz im UN-Sicherheitsrat ja Einfluss auf die Ereignisse nehmen. Doch welchen Einfluss hat Belgien dort noch mit einer nur geschäftsführenden Regierung, fragt De Standaard.
Das GrenzEcho findet: In Syrien bahnt sich die nächste humanitäre Katastrophe an. Der türkische Despot Erdoğan plant einen erneuten völkerrechtswidrigen Einmarsch in die Kurdengebiete in Nordsyrien. Hundert Jahre nach dem Völkermord an den Armeniern will er das Siedlungsgebiet der Kurden aufspalten, Mord und Vertreibung sind einkalkuliert. Die Nato-Partner schauen tatenlos weg. Und da fällt es kaum ins Gewicht, dass Erdoğans Schergen deutsche Panzer fahren, belgische Waffen abfeuern und ganz nebenher die westlichen Werte unter ihre Kampfstiefel nehmen. Das westliche Bündnis im postfaktischen Zeitalter: statt Friedensmission Völkerrechtsbruch, moralisiert das GrenzEcho.
Kay Wagner