"Didier Reynders schließt weder N-VA noch PS aus“, titelt Le Soir. Die Zeitung hat ein Interview mit dem MR-Außenminister Didier Reynders geführt. Der schaut auf die Perspektiven, die sich für die MR nach den Regionalwahlen 2019 in der Hauptstadtregion Brüssel ergeben könnten. Nach den Skandalen, in die vor allem die PS in Brüssel verstrickt ist, könnte es 2019 zu neuen Machtverhältnissen und Koalitionsmöglichkeiten in der Hauptstadtregion kommen.
Dazu kommentiert Le Soir: 2014 hatte Reynders eine Zusammenarbeit mit der N-VA noch strikt abgelehnt. Das hatte Reynders damals damit begründet, dass die N-VA kein konstruktives Projekt für Brüssel habe. Die flämischen Nationalisten wollten Brüssel ja sowieso nur auflösen. Und jetzt? Jetzt will Reynders mit Partnern zusammenarbeiten, die „Lust auf Veränderungen“ haben und „positive Projekte“ voranbringen wollen. So ändert sich die Sicht auf die N-VA. Grund dafür ist sicher die Erfahrung in der Föderalregierung. Da hat die MR es ja geschafft, die spalterische Gemeinschaftspolitik der N-VA auf Eis zu legen. Und für Brüssel bietet die N-VA den Trumpf, als einzige Partei glaubwürdig behaupten zu können, nichts mit den Skandalen der vergangenen Monate und Jahre zu tun zu haben. Denn regiert hat die N-VA noch nie in Brüssel, erinnert Le Soir.
Die Logik von Reynders
Auch Het Laatste Nieuws beschäftigt sich mit einer möglichen Koalition MR und N-VA in der Hauptstadtregion und führt aus: Laut Reynders ist es durchaus möglich, mit der N-VA zu regieren, wenn sie ihre Gemeinschaftspolitik in einer Koalition nicht aktiv verfolgt. In der Logik von Reynders ist allein das Regieren ohne PS schon eine Staatsreform. Wenn das bedeutet, dass Reynders dann keine weiteren Reformen in der aufgeblasenen Hauptstadt-Verwaltung vornehmen will – also nichts zur Reform der 19 Gemeinden, sechs Polizeizonen und der hundert Strukturen und politischen Einrichtungen tun will – dann ist es allerdings durchaus fraglich, ob eine solche Koalition der Mühe wert ist, gibt Het Laatste Nieuws zu bedenken.
Zu den Skandalen um öffentliche Vereine, die diese Woche wieder einmal für Schlagzeilen gesorgt haben, stellt La Dernière Heure fest: Es ist zum Haare raufen. Die Skandale hören einfach nicht auf. Publifin, Samusocial, Gial, und jetzt am Donnerstag die Sache beim CPAS in Lüttich. Dazu noch Politiker, die keinen Anstand an den Tag legen. Brüssels Ministerpräsident Rudi Vervoort hat die Berater, die als Scheinselbständige bei VoGs der Stadt Brüssel 1250 Euro am Tag verdienen, mit den selbständigen Fahrern von Uber verglichen, die bekanntlich einen Hungerlohn bekommen. Kein Wunder, dass sich die Bürger für öffentliche Angelegenheiten nicht mehr interessieren. Aus Abscheu, so La Dernière Heure.
Gespaltene PS
Die Wirtschaftszeitung L'Echo schreibt: Die Skandale dieser Woche verdeutlicht den Riss, der die PS zurzeit in zwei Lager spaltet. Auf der einen Seite stehen die Anhänger eines „authentischen Sozialismus‘ des 19. Jahrhunderts“. Auf der anderen Seite die Anhänger eines modernisierten Sozialismus‘ à la Macron, Blair oder Schröder. Eines Sozialismus‘ also, wie sie unsere Nachbarländer schon erlebt haben oder gerade erleben. In Brüssel versucht gerade dieser modernisierte Zweig zu rechtfertigen, dass 1.000 Euro pro Tag für einen Berater bei einer VoG der Stadt nichts Verwerfliches ist, beobachtet L'Echo.
Gazet van Antwerpen kommentiert die Entscheidung eines Gerichts in Tongeren, elf muslimischen Mädchen das Tragen von Kopftüchern in der Schule zu erlauben: Natürlich haben die Mädchen das Recht, frei über ihren Kopf zu entscheiden. Die Frage ist nur, ob sie das tun. Kinder in diesem Alter stehen noch stark unter dem Einfluss ihrer Eltern. Und ein Kopftuch bleibt ein Zeichen der religiös begründeten Unterdrückung der Frau. Mädchen, die in unserer Gesellschaft zur Schule gehen, sollten aber auch unsere Grundwerte lernen. Die gehen von der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau aus. Wie können die Mädchen das in einem Alter lernen, in dem die Selbstfindung sowieso schon schwierig ist, aber zusätzlich noch durch ein Kopftuch erschwert wird? Das doch schon nach außen zeigt, wie anders, wie ungleich man gegenüber den anderen ist? Und außerdem für Werte steht, die unsere Gesellschaft nicht teilt, gibt Gazet van Antwerpen zu bedenken.
Schlecht verpacktes Geschenk
Zur geplanten Senkung der Erbschaftssteuer in Flandern, für die die Koalitionspartner in der flämischen Regierung am Freitag eine Einigung gefunden haben, meint Het Nieuwsblad: Die vielen Emotionen, die im Vorfeld der Steuerreform hochgekocht waren, werden durch das Ergebnis nicht gerechtfertigt. Ein großer Wurf ist das nicht geworden. Viel moderner wird die Erbschaftsteuer nicht. Und von größerer Gerechtigkeit kann auch nicht die Rede sein. Jeder weiß doch, dass die ganz großen Vermögen Wege finden, die Erbschaftsteuer weitmöglichst zu umgehen. Daran ändert die Reform nichts, beklagt Het Nieuwsblad.
Der gleichen Meinung ist Het Belang van Limburg und führt aus: Gerechter wird mit den Plänen gar nichts. Warum ist es so schwer, die Sache grundlegend anders anzupacken? Zum Beispiel mit der Formel: Alles bis 700.000 Euro ist steuerfrei, danach wird progressiv besteuert? So, wie die Reform jetzt dasteht, ist sie ein "schlecht verpacktes Geschenk" für die Wählerschaft der Regierungsparteien, wettert Het Belang van Limburg.
Kay Wagner