"In Belgien ist immer noch Wahlpflicht vorgesehen und die Artikel 209 und 210 des Wahlgesetzbuches sehen effektiv Geldstrafen vor, wenn man am Wahltag nicht erscheint und nicht entschuldigt oder vertreten ist", erklärt Axel Kittel, der Vorsitzende des Hauptwahlvorstandes.
"Die Geldstrafe liegt zwischen 40 und 80 Euro. Im Wiederholungsfall kann das Ganze bis 200 Euro gehen. Und wenn man vier Mal binnen 15 Jahren ohne Rechtfertigung nicht anwesend war, dann wird man aus den Wählerlisten für zehn Jahre gestrichen."
Doch was muss z.B. Lieschen Müller machen, wenn sie krank ist und das Haus nicht verlassen kann? "Also Lieschen Müller hat eigentlich zwei Möglichkeiten. Sie kann einmal beim Friedensgericht bekanntgeben, dass sie krank ist - mit einem ärztlichen Attest - und dass sie dann eben nicht zu den Wahlen erscheinen kann."
"Wenn jetzt Lieschen Müller aber trotzdem wählen will, weil sie das als wichtig ansieht, kann sie auch eine Vollmacht geben. Da gibt es ein spezielles Formular". Die Vollmacht findet man auf der Internetseite des Innenministeriums unter wahlen.fgov.be. Dort muss man lediglich auf den Link "Akteure" klicken und die Option "Wahl mittels Vollmacht" aussuchen und schon kann das Dokument heruntergeladen und ausgedruckt werden.
Für eine Abwesenheit am Wahltag kann es die verschiedensten Gründe geben. "Man kann aufgrund einer gerichtlichen Maßnahme eventuell eine Entziehung der Freiheit haben. Das ist also nicht nur Gefängnis, das kann auch eine Einweisung sein, zum Beispiel in eine psychiatrische Anstalt."
"Es gibt ja auch Studenten, die aus Studiengründen nicht zum Wahlbüro kommen können. Und, das ist jetzt neu, dass Wähler, die aufgrund einer Aktivität im Zusammenhang mit ihrer Überzeugung oder ihrer Religion nicht erscheinen können, die können auch inzwischen per Vollmacht wählen."
In manchen Fällen muss eine ehrenwörtliche Erklärung beigefügt werden. "Also wenn ein Selbstständiger zum Beispiel in Südfrankreich zu einem beruflichen Termin muss, dann kann er diese Erklärung abgeben, weil er ja praktisch nur sich selber bestätigen kann, dass er beruflich im Ausland ist."
Bei den Wahlhelfern wird zwischen Beisitzern und Vorsitzenden unterschieden. Christian Neuß ist schon zum vierten Mal Wahlvorsitzender in Raeren und weiß, was von den anderen Wahlhelfern erwartet wird. "Also wichtig ist, dass die Wahlhelfer erstmal kommen und auch pünktlich sind. Morgens um 7:30 Uhr geht es los und dann ist das Wahlbüro in Betrieb zu nehmen, das heißt die Computer zu starten, die ersten Wahlhandlungen vorzunehmen und dann natürlich das ganze Büro organisieren."
"Das heißt, die Wähler müssen in Empfang genommen werden, es müssen die Karten kontrolliert werden, es müssen dann die Stimmkarten ausgegeben werden, je nachdem welche Wahlen man durchführen kann, ob man EU-Bürger ist oder Belgier. Dann kommt die Wahlhandlung, danach den Wahlzettel in Empfang nehmen. Den muss der Bürger scannen und in die Urne werfen und die Wahlkarte, mit der er gewählt hat, wieder zurückgeben."
Wie hat Christian Neuß in der Vergangenheit den Wahltag so erlebt? "Morgens ist es tatsächlich wuselig und man ist dann froh, wenn um 8 Uhr die ersten Bürger auch immer schon vor der Tür stehen, alles läuft und es losgeht. Viele kommen tatsächlich morgens früh wählen, um dann an dem Tag noch was zu machen."
"Wir verbringen den Tag in dem Lokal, aber es ist eigentlich durchgehend was los. Und ja, man lernt dann auch neue Leute kennen. Der Wahlvorstand oder das Gremium ist auch eigentlich immer ganz nett und der Tag vergeht wie im Flug. Probleme gibt es auch immer mal, das heißt es kann schon mal ein Computer einen Hänger haben, sodass man dann vielleicht eine Wahlkabine außer Betrieb nehmen muss."
Sind all diese Dinge geklärt, gilt nur noch eins: Am 9. Juni zum Wahlbüro gehen und seine Stimme abzugeben, selbst oder per Vollmacht.
Julia Slot