Die beiden ostbelgischen Historiker Andreas Fickers und Christoph Brüll arbeiten beide am Luxemburger Zentrum für zeitgenössische und digitale Geschichte in Esch-sur-Alzette. Sie sind es gewohnt, über die traditionelle Wissensvermittlung hinauszugehen.
"Es ist ja bekannt, dass die Regionalhistoriker in den letzten Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen haben, um die regionale Geschichte tiefer, mit neuen Fragen zu erforschen. Aber es geht eben auch darum, noch mehr an unser Publikum heranzukommen", sagt Christoph Brüll. "Und wir haben auch aufgrund unseres Interesses festgestellt, dass das Radio doch da ein sehr schönes Medium sein könnte."
"Ich bin zum einen selbst begeisterter Radiohörer und glaube an die Vermittlung von historischem Wissen über dieses Medium", fügt Andreas Fickers hinzu. "Zum anderen ist das Radio auch Teil eines größeren massenmedialen Ensembles, also ist kein isoliertes Medium. Wir versuchen, diese Geschichte zu verbinden mit anderen Medien, anderen Dokumenten und Quellen, die wir auch im Internet zur Verfügung stellen wollen."
Peter Thomas und Hubert Jenniges
Zum Auftakt der achtteiligen Sendereihe erinnern Andreas Fickers und Christoph Brüll an die Pionierleistung der beiden Journalisten Peter Thomas und Hubert Jenniges. Sie waren ihrerseits Anfang der 70er Jahre im damaligen BHF, dem Belgischen Hörfunk, in einer fünfteiligen Sendereihe auf "50 Jahre Geschichte der Ostkantone" eingegangen. Und das in der sogenannten "heißen Phase" der Autonomiedebatte der späten 60er und frühen 70er Jahre. "Der große Wandel" war die erste Folge überschrieben.
Die rund einstündigen Sendungen liefen von Ende September bis Ende Oktober 1972, jeweils am Samstagabend um 19 Uhr. Ein Jahr später folgte die Sendung "Der Weg der deutschen Sprachgemeinschaft zur Kulturautonomie".
"Damals haben Hubert Jenniges und Peter Thomas wirklich Pionierarbeit geleistet, indem sie die Zeitgeschichte aufgearbeitet haben für den Rundfunk, aber auch in einer Art und Weise, wie sie bis dahin auch von Historikern nicht aufgearbeitet worden war. Sie haben also eine doppelte Pionierleistung vollbracht. Das hat uns inspiriert zu sagen: Das machen wir 50 Jahre später nochmal und führen diese Geschichte über 1973 hinaus weiter bis zum Jahr 2020", so Andreas Fickers.
19. Jahrhundert
In der zweiten Folge, die am 19. Februar ausgestrahlt wird, holen die beiden Historiker weiter aus, ins "lange 19. Jahrhundert" - was vom Quellenmaterial her eine ganz andere Ausgangslage bedeutet. "Wir sind als Historiker gewohnt, hauptsächlich mit Schriftquellen zu arbeiten. Uns stehen Audio- oder Videoquellen ja erst für das 20. Jahrhundert zur Verfügung", erklärt Fickers. "Also wenn wir ins 19. Jahrhundert ausholen, versuchen wir das lebendig darzustellen, indem wir eben zitieren aus schriftlichen Quellen, aus Briefen, aus Publikationen, die wir dann wieder lebendig machen."
Grundlage für die Arbeit ist neben der Pionierarbeit von Peter Thomas und Hubert Jenniges die Buchreihe "Grenzerfahrungen", an der Fickers und Brüll wie andere Regionalhistoriker mitgearbeitet haben. Für die Sendereihe haben sie im BRF-Tonarchiv wertvolle Schätze gehoben. "Gerade das Zusammenspiel zwischen schriftlichen und medialen Quellen eröffnet ganz andere Möglichkeiten, um diese Zeitgeschichte darzustellen. Über die Interviews kommt man an die Akteure jener Zeit heran, um ein Gefühl der Nähe zu erzeugen, wie das ein Buch niemals kann", sagt Christoph Brüll.
Die erste Folge der Sendereihe "100 Jahre Ostbelgien" ist ab Mittwoch online zu finden: unter dem Schlagwort "Sendereihe 100 Jahre Ostbelgien". BRF1 strahlt die erste Folge am Mittwoch als "Thema am Abend" aus. Bis Mitte August folgen sieben weitere Episoden. Sendetermin ist jeweils der dritte Mittwoch im Monat.
Stephan Pesch