"Wir müssen dafür sorgen, dass die Unterstützung an die Ukraine gewährleistet bleibt." Der amtierende Premierminister Alexander De Croo redet nicht um den heißen Brei herum. Russland darf den Krieg nicht gewinnen, davon ist der Open-VLD-Politiker überzeugt. Überzeugt ist er, aber - zwischen Klammern gesagt - auch überrascht. Überrascht darüber, dass er Belgien immer noch bei einem EU-Gipfel vertreten darf. Und das ziemlich genau ein halbes Jahr nach der Wahl. Und, wer weiß, wie lange er noch in dieser Rolle sein wird. Aber das steht auf einem anderen Blatt.
Sicher ist hingegen, dass am 20. Januar in den USA ein neuer Präsident seine Arbeit aufnehmen wird. Die Amtsübernahme von Donald Trump wirft schon lange Schatten voraus. Zwischen den Zeilen war das eigentlich das Hauptthema bei diesem Weihnachtsgipfel. Das gilt besonders in der Ukraine-Frage. Im Wahlkampf hatte Trump ja mehrmals vollmundig getönt, dass er den Ukraine-Krieg innerhalb von 24 Stunden beenden könne. Es wird gemutmaßt, dass Trump versuchen könnte, die Ukraine und Russland zu Verhandlungen zu drängen, und das, indem er die amerikanischen Militärhilfen als Hebel benutzt - in beide Richtungen: Auf der einen Seite könnte er der Ukraine androhen, im Fall einer Verweigerung von Verhandlungen die Militärhilfe einzustellen. Moskau gegenüber könnte er genau das Gegenteil in Aussicht stellen: Wenn Putin nicht bereit ist, sich mit der Ukraine an einen Tisch zu setzen, dann würden die USA ihre Unterstützung an die Ukraine eben hochschrauben.
Man hört es: In diesem Szenario wären die USA quasi der einzige Akteur. Genau dieses Bild wollen die Europäer offensichtlich geraderücken. Erstens, so betont Premier De Croo: Europa stehe jetzt schon für mehr als die Hälfte der Unterstützung für die Ukraine. Auf der anderen Seite zeige Russland Schwächen beim Nachschub insbesondere von militärischem Material. Russlands Präsident Putin hat freilich Freitag bei einer "Pressekonferenz" in Moskau das Gegenteil behauptet.
Produktionskapazitäten aufstocken
Aber auch in Europa ist man sich dessen bewusst, dass man seine Produktionskapazitäten aufstocken muss. "Unsere Lieferketten stehen unter Druck", räumt De Croo ein. "Wir werden da nachlegen müssen." Nichts anderes wünscht sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj: mehr Material. Selenskyj ist eigens nach Brüssel gekommen, um den Beratungen beizuwohnen. Dass sich in Brüssel auch der Hauptsitz der Nato befindet, birgt da durchaus praktische Vorteile.
Schon am Donnerstag war der Gast aus Kiew mit Mark Rutte, dem neuen Generalsekretär der Nordatlantischen Verteidigungsallianz zu einem vertraulichen Gespräch zusammengetroffen. Mit dabei waren die Vertreter der wichtigsten europäischen Verbündeten, darunter auch der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz. Auch der machte noch einmal unmissverständlich klar. Scholz fügte dann aber noch ein Sätzchen hinzu, dass in Kiew bestimmt mit einer gewissen Erleichterung aufgenommen werden dürfte. Es sei wichtig.
EU-Gipfel: Europäer wollen die Ukraine weiter unterstützen, trotz Trump
Auch das ist wohl auch als Signal in Richtung des künftigen US-Präsidenten zu verstehen. Die Botschaft: Niemand darf über das Schicksal der Ukraine entscheiden ohne die Ukrainer. Genau auf diese Haltung dürfte sich der EU-Gipfel am Ende denn auch verständigen.
Bei alledem wäre es natürlich immer besser, wenn die USA an Bord blieben, das betonte der ukrainische Präsident. "Nur gemeinsam können wir Frieden erreichen, nur die USA und Europa zusammen können Putin wirklich aufhalten und die Ukraine retten."
Hier ist wohl vor allem der Wunsch der Vater des Gedankens. Die Europäer wollen in jedem Fall zeigen, dass sie -im Zweifel- auch noch da sind. "Es geht schließlich in erster Linie um unsere Sicherheit", sagt Premierminister De Croo. "Wir müssen der Ukraine zum Sieg verhelfen. Denn ansonsten würde Putin für seinen Angriffskrieg auch noch belohnt. Das darf nicht sein. Denn dann ist schon bald das nächste Land an der Reihe."
Roger Pint