Die Ereignisse hatten sich schon Mitte Januar abgespielt. Aber erst am Freitag sorgten sie für Aufregung. Da tauchte nämlich der Film auf, der die Aufregung auslöst. Ein islamischer Geistlicher ist auf dem Film zu sehen, wie er hinter dem Rednerpult des Brüsseler Regionalparlaments steht und dort zu singen anfängt. Dabei soll es sich um eine Sure aus dem Koran handeln.
Unter anderem der ehemalige Staatssekretär für Asyl- und Migration, Theo Francken von der N-VA, verbreitete das Video auf X. Sein Kommentar: "Der Imam aus Pakistan bekommt hier eine Medaille für seine gute Integration von den PS-Abgeordneten Nawal und Hasan. Der Imam spricht nur Urdu und Englisch, kein Französisch."
"Großartige Integration! Die PS in Brüssel ist eine Wahlversammlung für Einwanderergemeinschaften. Da wird die Fragmentierung unserer Gesellschaft praktiziert. Ob die Staatssicherheit den Imam wohl kennt?", schreibt Francken. Und damit war der Ton gesetzt für eine Debatte, die am Wochenende an Fahrt aufnahm. Auch politisch. Dort verlief sie allerdings in die eher gemäßigte Richtung.
Statt die Frage nach den persönlichen Hintergründen des Imams weiterzuführen, wurde eher darüber diskutiert, ob ein Parlament überhaupt der Ort ist, an dem ein Gebet gesprochen werden darf. Egal von welcher Glaubensrichtung. Die Antwort war schnell gefunden: Nein.
"Ein Parlament ist der Tempel der Demokratie. Das Herz einer Demokratie. Das ist weder eine Kirche, noch eine Synagoge, eine Moschee oder ein Tempel für Freimaurer", sagte dazu der Präsident des Brüsseler Regionalparlaments, der PS-Politiker Rachid Madrane.
Außerdem stellte Madrane klar, dass die Parlamentsverwaltung nichts mit dem Vorfall zu tun habe. Der Imam sei tatsächlich, wie Francken es bei X geschrieben hatte, auf Einladung des PS-Regionalabgeordneten Hasan Koyuncu im Plenarsaal gewesen. Was an sich nichts Außergewöhnliches darstellt. "Alle Abgeordneten haben das Recht, Besuchergruppen ins Parlament einzuladen. Die einzelnen Abgeordneten sind dann auch verantwortlich für den Besuch", erklärt Madrane.
Nicht nur für die N-VA, im Brüsseler Parlament mit drei Abgeordneten vertreten, ist der Vorfall ein gefundenes Fressen. Auch die größte Oppositionspartei, die MR, ließ sich nicht lange um Kritik bitten. Schon am Samstag gab Fraktionsführer David Leisterh bei der RTBF zu Protokoll: "Die moralische oder auch politische Verantwortung für diesen Vorfall liegt bei den Veranstaltern. Das sind in diesem Fall Abgeordnete der Sozialisten, wenn ich das richtig verstanden habe. Sie haben wohl nicht verstanden, dass das Parlament das Zentrum der Demokratie ist und kein Ort, an dem man religiöse Handlungen ausführt."
Leisterh forderte im gleichen Atemzug die Einrichtung einer Untersuchungskommission im Brüsseler Parlament. "Um genau aufzuzeigen, wie sich so ein Vorfall hat ereignen können", sagte er. "Und vor allem um zu verhindern, dass sich das in Zukunft wiederholt."
Dann kam der Sonntag und MR-Chef Georges-Louis Bouchez schaltete sich ein. Er forderte den Rücktritt von Koyuncu vom Posten des Vize-Präsidenten des frankophonen Parlaments in Brüssel. Außerdem müsse der PS-Vorsitzende Paul Magnette erklären, was so ein Politiker auf Platz neun der PS-Liste für die Regionalwahlen in Brüssel suche. Wenn es der PS ernst wäre mit der Empörung, die auch sie jetzt über das Gebet im Parlament äußere, müsse Magnette Koyuncu von der Kandidatenliste streichen, forderte Bouchez.
Kay Wagner
Mal wieder so eine "histoire belge". Willkommene Wahlkampfmunition.
Das Parlament ist der Tempel, wo die Demokratie zu Grabe getragen wird.
Der Vorfall könnte doch auch als 'hochdemokratisch' und als parlamentarische Aufklärung gesehen und abgehakt werden. Aber nein, unsere 'rechten' Mimöschen sind wohl wieder zusammen mit der MR eifersüchtig dass nicht nur ihre 'Predigten' im Parlament vorgetragen werden können ! Eine Rede kann ja auch mal 'gesungen' vorgetragen werden, oder was ist daran 'undemokratisch' ?