Es ist ein Coup, den die VRT in ihrem Politmagazin "Terzake" gelandet hat: Der Vorsitzende einer der großen frankophonen Parteien tauscht sich vor laufender Kamera mit einem Vertreter des Vlaams Belang aus. Bei Terzake wollten sie damit das TV-Duell in Frankreich in gewisser Weise kopieren. Dort hatten sich am Vorabend Präsident Emmanuel Macron und seine Herausforderin für das Präsidentenamt, Marine Le Pen, im Fernsehen duelliert. Ein als sehr liberal geltender Präsident und die Vorsitzende einer rechtsextremen Partei.
Van Grieken als Rechtsextremer und Unterstützer von Le Pen, Bouchez als "Mini-Macron" - die Moderatorin bezeichnete ihn tatsächlich einmal so - das sollte die belgische Kopie des französischen Duells sein. Über das Duell Macron-Le Pen sollten Bouchez und Van Grieken dann auch sprechen. Doch schnell lieferten sich die beiden ein eigenes Duell über die belgische Politik.
Politischer Fehler
Dessen Inhalt sorgte am Tag danach für weitaus weniger Wogen als die Form des Gesprächs selbst. Debatten mit einem Rechtsextremen in den Medien sind für frankophone Politiker durch den sogenannten "Cordon sanitaire" eigentlich verboten. Entsprechend äußerte sich am Freitag PS-Vorsitzender Paul Magnette bei der RTBF. "Für mich ist das ein politischer Fehler. Ein wahres politisches Problem. Die demokratischen, frankophonen Parteien haben eine Übereinkunft getroffen, mit rechtsextremen Parteien weder zu verhandeln noch zu diskutieren. Dadurch, dass Bouchez die Diskussion mit einem Vertreter einer rechtsextremen Partei akzeptiert hat, banalisiert er die Rechtsextremen."
Gleicher Ton bei den frankophonen Grünen von Ecolo. Co-Vorsitzende Rajae Maouane erinnerte an die Demokratie-Charta, wie sie es nannte, die alle frankophonen Parteien unterzeichnet hätten. Für die MR habe das der damalige Parteivorsitzenden Louis Michel getan. "Ich frage mich, was Bouchez mit dieser Debatte erreichen wollte? Denn ganz ausdrücklich, ganz frontal bricht er den Cordon sanitaire, der äußerst wichtig ist. Denn er schützt das frankophone Belgien vor Rechtsextremen", so Maouane weiter.
Auch der Vorsitzende von Défi, François De Smet, verurteilte den Auftritt von Bouchez. Als "wirklich traurig" bezeichnete De Smet den Bruch des Cordon sanitaire durch Bouchez.
"Rote Linie" überschritten
Am Freitagnachmittag veröffentlichten dann die Vorsitzenden von PS, Ecolo und Les Engagés noch eine gemeinsame Stellungnahme, in der sie Bouchez’ Auftritt aufs Schärfste verurteilen. Der Vorfall sei "sehr schwerwiegend", eine "rote Linie" sei überschritten worden. Bis Montag erwarten die Unterzeichner eine Stellungnahme der MR, um die Position der Partei in Hinblick auf die Demokratie-Charta zu verdeutlichen.
In einer ersten Reaktion wies Bouchez selbst am Freitag die ganze Kritik zurück. "Der Cordon sanitaire besteht aus zwei Elementen: ein politisches, und das bedeutet, keine Koalitionen einzugehen weder mit einer extrem linken noch einer extrem rechten Partei. Und die MR ist immer sehr deutlich gewesen in diesem Punkt. Das zweite Element ist der mediale Cordon sanitaire. Der existiert nicht in Flandern. Alle Parteien dort debattieren mit den Rechtsextremen. Und weil ich oft in den flämischen Medien präsent bin, war es fast nur eine Frage der Zeit, bis ich mich auch mal in Gesellschaft eines Vertreters der Rechtsextremen befinden würde", sagte Bouchez zu seinem Auftritt bei Terzake und dem angeblichen Bruch des Cordon sanitaire.
Kay Wagner