Kammerpräsidentin Eliane Tillieux eröffnete die Sitzung mit einer Stellungnahme zum Krieg in der Ukraine. Als absurden Konflikt bezeichnete sie ihn, versicherte den beiden anwesenden Vertretern der ukrainischen Botschaft die Solidarität der belgischen Volksversammlung und bat die Abgeordneten, eine Schweigeminute einzulegen. Danach wurden die Fragen gestellt, die am Donnerstag fast nur um zwei Themen kreisten: Um die allgemeine Krise in der Ukraine und die hohen Energiepreise.
Die Fragen zu den Flüchtlingen, die Belgien aus der Ukraine erwartet und zum Teil schon aufgenommen hat, konnte Premierminister Alexander De Croo gemeinsam mit seinem Staatssekretär für Asyl und Migration, Sammy Mahdi, zumindest teilweise beantworten.
Beide hatten sich am Donnerstagvormittag mit den Ministerpräsidenten der Regionen über das Verfahren geeinigt, wie föderale Ebene und die Regionen die Aufgaben untereinander verteilen. De Croo gab sich zuversichtlich, dass es gelingen werde, mit dem zu erwartenden Flüchtlingsstrom klarzukommen. Zwar gab er zu, dass "wir mit etwas konfrontiert sein werden, das wir in den vergangenen Jahrzehnten noch nie erlebt haben in unserem Land". Aber De Croo sagte auch "Wir als Europäer stehen vor einer riesigen Verantwortung, und wir Belgier wissen, dass wir sie wahrnehmen können."
EU-Sondergipfel
Auf andere Fragen der Abgeordneten gab es allerdings keine Antwort des Premiers. Das waren die Fragen nach dem Stopp der Öl- und Gasimporte aus Russland. Nach seinen Antworten in der Kammer reiste De Croo nach Versailles, wo er sich noch am Donnerstagabend und am Freitag ein EU-Sondergipfel mit den zu ziehenden Konsequenzen aus dem russischen Angriff auf die Ukraine beschäftigen will.
Bezogen auf diesen Gipfel sagte François De Smet von Défi zu De Croo: "Sie haben heute eine historische Verantwortung und sie haben heute die Möglichkeit, Geschichte zu schreiben, gleich in Versailles". Wie das geschehen könnte, das Geschichteschreiben von De Croo, erklärte De Smet direkt danach. "Jeden Tag kauft die Europäische Union für hunderte Millionen Euro Öl und Gas von Russland. Das Geld fließt direkt in die Kriegskasse. Das muss unbedingt aufhören."
Ein klarer Auftrag an den Premier, mit seinen EU-Kollegen drastische Entscheidungen zu treffen. Doch dass es dazu wahrscheinlich nicht kommen wird, ließ sich aus der Frage von PTB-Chef Raoul Hedebouw heraushören. "Wir haben den Entwurf der Gipfel-Abschlusserklärung einsehen können. Können Sie bestätigen, dass die Entscheidungen bezüglich der Energie auf in zwei Wochen verschoben werden? Und dass damit morgen keine einzige drastische Entscheidung getroffen werden wird?"
De Croo gab keine Antworten zum Thema russisches Öl und Gas. De Smet wollte das nicht unkommentiert stehen lassen. In seiner abschließenden Bemerkung stellte er fest "Der Premierminister hat auf einen ganz bestimmten Aspekt nicht geantwortet, der das russische Öl und Gas betrifft. Deshalb komme ich darauf zurück: Wenn der Gipfel heute und morgen keine starke Entscheidung trifft, die Öl- und Gaslieferungen aus Russland einzustellen, wird der Gipfel nutzlos gewesen sein".
Kay Wagner