Die letzten Tage waren mit Sicherheit nicht die angenehmste Zeit für Georges Gilkinet. Vor allem zwischen Bahnchefin Sophie Dutordoir und dem grünen Vizepremier und Mobilitätsminister hatte es teils sehr böse Worte gegeben. Dutordoir warf Gilkinet einen Meinungsumschwung und Vertrauensbruch vor, nachdem dieser sie aufgefordert hatte, die Schließungen noch einmal zu überdenken.
Diese offensichtliche Zerrüttung zwischen der Bahn und ihrem zuständigen Minister war nicht nur für die Opposition ein gefundenes Fressen. Scharfe Kritik an Gilkinet kam nämlich vergangene Woche in der Kammer auch aus den Reihen der Koalitionspartner in der Föderalregierung. Und ganz überzeugt gaben sich beispielsweise PS und MR nicht von den Verteidigungsversuchen des Mobilitätsministers.
Immerhin scheinen die Risse zwischen Gilkinet und der Bahnchefin zumindest oberflächlich wieder gekittet worden zu sein. Gemeinsam wurde ein Kompromissvorschlag ausgearbeitet, der eben am Dienstagabend vom SNCB-Verwaltungsrat auch angenommen wurde. Wobei der Begriff "Kompromiss" vielleicht ein wenig irreführend ist. Alle vorgesehenen Schalter werden trotzdem geschlossen. Aber immerhin kommen eben begleitende Maßnahmen für die betroffenen Bahnhöfe.
Genau diesen Punkt versuchte Mobilitätsminister Gilkinet am Mittwochmorgen auch in der RTBF hervorzuheben. Frei nach dem Motto: Besser ein bisschen gewonnen, als komplett verloren. Als Mobilitätsminister wolle er einladende Bahnhöfe, betonte Gilkinet gleich mehrfach. Also Orte, die mit Leben gefüllt seien und die für alle zugänglich blieben. Und dafür werde er auch nach der Entscheidung des SNCB-Verwaltungsrats weiterarbeiten. Dazu gehöre eben auch die Verpflichtung für die Bahn, in Kontakt mit den Gemeinden zu treten bezüglich der Vermietung von Räumlichkeiten zum Selbstkostenpreis. Um eben die Vision von mit Leben gefüllten Bahnhöfen zu ermöglichen, auch wenn es dann dort keine Schalter mehr gebe. So könnten sich, so die Hoffnung Gilkinets, beispielsweise gemeinnützige Vereine ansiedeln oder Geschäfte oder Restaurants. Es sei eben wichtig, dass man spüre, dass es in den Bahnhöfen trotzdem Leben gebe, damit man sich dort auch sicher fühle.
Lösungen für die Passagiere finden
Eine weitere Begleitmaßnahme, die Gilkinet besonders betonte, ist, dass die SNCB eben auch verpflichtet sei, Lösungen für die Passagiere zu finden, die Probleme damit hätten, ihre Fahrscheine ohne Schalter über das Internet oder an einem Automaten kaufen zu müssen. Denn niemand dürfe in puncto Mobilität am sprichwörtlichen Bahnsteig zurückgelassen werden.
Darauf angesprochen, dass er ja ein Moratorium für die Schließung der Schalter gefordert hatte und all diese Begleitmaßnahmen letztlich wenig am Kern des Dossiers änderten, zog sich Gilkinet auf die gleichen Verteidigungslinien zurück wie schon bei seiner Befragung in der Kammer - dass er ja eigentlich nur den Geschäftsführungsvertrag der SNCB "geerbt" habe. Und dass der bereits aus dem Jahr 2008 stamme und nichts über die Betreuung der Reisenden in den Bahnhöfen enthalte. Die Entscheidung über die Schließung der Schalter sei auch bereits vorbereitet gewesen und habe sich in einen Rahmen eingebettet, in dem die Investitionen in kleine Haltestellen und Bahnhöfe zu sehr heruntergeschraubt worden seien.
Das versuche er zu ändern. Und dafür sei man auch bereits in einen konstruktiven Dialog mit der Bahn getreten, welche Elemente im zukünftigen Geschäftsführungsvertrag vertreten sein müssten. Und die Zugeständnisse von Dienstag seien für ihn zwar wichtig und interessant. Aber sie stellten nicht das Ende des Weges dar, betonte Gilkinet. Der Kampf gehe weiter. Das Wichtige sei, dass man die Schiene zum Rückgrat der Mobilität von morgen mache. Und dazu müssten alle Beteiligten miteinander reden und die gleichen Ziele haben.
Auch wenn sich Gilkinet eine Spitze gegen den MR-Vorsitzenden Georges-Louis Bouchez nicht ganz verkneifen konnte, der ihn vergangene Woche besonders heftig angegangen war, so zeigte der Mobilitätsminister doch eine gewisse Demut. Er behaupte nicht, dass das Ganze perfekt gelaufen sei. Er würde es, falls er es könnte, das nächste Mal sicher anders anpacken, so Gilkinet.
Boris Schmidt