Die Aussagen von König Philippe wurden von vielen als historisch bezeichnet. Und als Schritt in eine gute Richtung im Verhältnis Belgiens zu seiner ehemaligen Kolonie. Allerdings mischt sich in diese Reaktion auch Kritik. Gerade auch, weil viele Kongolesen und auch Belgier mit kongolesischen Wurzeln bereits seit langem auf eine Entschuldigung für die Kolonialzeit und die damals begangenen Gräueltaten warteten.
Aber soweit ging der König eben nicht. Denn man darf nie vergessen, dass auch er seine Äußerungen mit der Regierung absprechen muss. Und eine formelle Entschuldigung, die könnte eben auch zu juristischen Folgen führen. Trotzdem gibt es solche Forderungen, dass sich der belgische Staat eben offiziell entschuldigen müsse. Und das dann in der Folge auch Reparationsforderungen der Demokratischen Republik Kongo auf dem Tisch liegen müssten.
60 Jahre "Indépendance Cha Cha" und ein königliches Bedauern
Und gegen diese Forderung verwehrte sich der für Entwicklungszusammenarbeit zuständige föderale Minister Alexander De Croo am Abend in der VRT-Sendung Terzake deutlich. König Philippes Brief sei nur der Beginn und sicher nicht das Ende der Diskussion, stellte er klar. Es sei in der Tat historisch, dass der Brief, dessen Inhalt natürlich mit der Regierung abgestimmt gewesen sei, die problematische Vergangenheit explizit benenne.
Aber es sei vor allem auch ein Blick nach vorne, der sich sowohl an die kongolesische Bevölkerung, als auch an alle Belgier richte. Deswegen würden die Aussagen des Königs auch deutlich den Zusammenhang zwischen einer unbewältigten Vergangenheit und Diskriminierung und Rassismus in unserer heutigen Gesellschaft herstellen, so De Croo. Das sehe man auch daran, dass sich das Staatsoberhaupt verpflichtet habe, sich weiter in diesem Kampf zu engagieren.
Er habe den Eindruck, dass man gerade dabei sei, sich in Wortklauberei über die exakte Bedeutung des Wortes "Entschuldigung" zu verlieren, beklagte De Croo. Für ihn sei die echte Frage nicht, ob es sich jetzt nur um "Bedauern" handele oder um eine echte "Entschuldigung", betonte der Vizepremier.
Die Frage sei vielmehr, was man denn nun unternehmen solle. Es gebe zwei Möglichkeiten: Entweder man betrachte die Vergangenheit als vergangen und verbanne sie in die Geschichtsbücher und damit sei die Angelegenheit erledigt. Oder man sei eben bereit, die beträchtliche Expertise und Netzwerke, über die Belgien in der Region verfüge, für ein Ende der Gewalt einzusetzen und die extreme Armut zu bekämpfen.
Tshisekedi ruft Belgier und Kongolesen zur gemeinsamen Aufarbeitung auf
Die eigentliche Frage sei also: Welche Rolle wollen Belgien und der Kongo in Zukunft füreinander spielen? Dazu müsse man aber die Geschichte aufarbeiten und verdauen – und das habe Belgien noch nicht getan. Und dann sei die Frage auch, was Wiedergutmachung oder Reparationen heute denn heißen sollen, so De Croo.
Für ihn bedeute Wiedergutmachung, die extreme Armut der kongolesischen Bevölkerung zu bekämpfen. Und das sei auch immer das Ziel der belgischen Entwicklungszusammenarbeit gewesen. Hierzu müsse man dafür sorgen, dass Länder stabile und starke Institutionen haben. Und man müsse die Korruption bekämpfen.
Und es brauche eben auch politische Führer vor Ort, die nicht nur damit beschäftigt seien, sich selbst zu bereichern, sondern etwas gegen die extreme Armut der Menschen zu tun. Das sei eine bislang noch nicht gelöste gemeinschaftliche Aufgabe, die sich aber sicher nicht mit einem Sack Geld lösen lasse, ist De Croo überzeugt.
Boris Schmidt
Man stelle sich vor, Deutschland, Österreich und Ungarn hätten sich als Kriegsverlierer nur ein einziges Mal geweigert, Reparationen an die übermächtigen kapitalistischen Westalliierten, oder nachweisbar wirklich berechtigte Wiedergutmachungsforderungen an Israel, Luxemburg, Norwegen, Griechenland und die UdSSR zu zahlen.
Ich bin gegen Entschädigungszahlungen und zwar aus praktischen Gründen. Der Kongo ist ein gescheiterter Staat ohne wirklich richtig funktionierende Verwaltung. Es ist einfach niemand da, der das Geld entgegennehmen kann und zweckbestimmt einsetzt. Es würde in dunkle Kanäle wandern und käme der kongolesischen Bevölkerung nicht zu gute.
Ich weiß von den jüngsten Berichten u.A. das was der Pfarrer aus Büllingen mit afrikanischen Wurzeln berichtet, dass die von Ihnen erwähnten Probleme im Kongo reell sind.
Vielleicht kann man Lokomotiven, Eisenbahninfrastruktur, Stahlwerke, Industrieanlagen in ihren Einzelteilen, Autos und LKW liefern. Oder ein Studium für jeden Kongolesen in Brüssel finanzieren. Z.B. für umweltschonende sozial gerechte Landwirtschaft.
Es ist Aufgabe der Föderalregierung, zu überlegen, wie man dafür sorgen kann, dass das Geld nicht mißbraucht wird von dubiosen Gestalten. Es müssen die wehrlosen kleinen Leute alle nach internationalem Recht zustehenden Reparationen bekommen insbesondere von den wallonischen Rüstungskonzernen.
Als ich das Foto oben sah, musste ich lachen: Also gibt es sie noch immer, diese Einbandseiten von "Tintin au Congo", allerdings mit dem Vornamen des jeweiligen Käufers versehen.
Wahrscheinlich werden dort auch noch immer Souvenirs mit Themen aus diesem Comic verkauft. Holzgeschnitzte Figuren etwa von Tim, der einem Krokodil den Karabiner ins Maul stellt, vom Missionar im Kanu mit fünf afrikanischen Ruderern oder von dem klapprigen Bummelzug samt Insassen.
Die Kongolesen hatten dazu ein ganz entspanntes Verhältnis, meilenweit entfernt von dem juristischen Streit, der in Belgien um das Buch tobte.
Entspannt sicher auch, was die Zahlung von Tantiemen an die Erben Hergés betrifft, aber das ist ein anderes Thema.