In Flandern tut sich politisch was. "Wird aber auch Zeit", würden gleich die Kritiker hinzufügen. Denn seit gut einem Monat herrscht im Norden des Landes eigentlich weitgehend Stillstand.
Letzter Stand in Flandern war -und ist- immer noch, dass der Regierungsbildner und N-VA-Chef Bart De Wever nach wie vor mit dem rechtsextremen Vlaams Belang spricht. Das Problem war -und ist- aber immer noch, dass beide Parteien zusammen keine Mehrheit haben. Und keine andere Partei war bereit, mit sich mit zusammen mit Rechtsextremisten in ein Boot zu setzen.
Politischer Leerlauf also. In den letzten Tagen verdichteten sich aber Gerüchte, wonach De Wever jetzt noch mal einen Gang einlegen will.
Flämischen Medienberichten zufolge will der N-VA-Chef am Donnerstag mit den Verantwortlichen des Vlaams Belang zusammentreffen. Und bei der Gelegenheit, so wird jedenfalls gemutmaßt, bei der Gelegenheit würde De Wever dann den Rechtsextremisten eröffnen, dass die Gespräche zwischen beiden Parteien abgebrochen werden.
Dann wäre die nächste Phase natürlich, sich mit neuen Gesprächspartnern an den Tisch zu setzen. Die liberale OpenVLD gilt da als gesetzt: Wirtschaftspolitisch sind beide Parteien ziemlich auf einer Wellenlänge. Nur: Für eine Mehrheit sind drei Parteien nötig. CD&V oder SP.A, das ist also die Frage.
Bei der SP.A dachte man eigentlich, die Antwort zu kennen. Bei der Wahl vom 26. Mai hatten die flämischen Sozialisten eine ziemliche Klatsche hinnehmen müssen: Sie verloren rund ein Drittel ihrer Stimmen. Und bislang hatte es geheißen, man werde wohl in die Opposition gehen, um sich zu erneuern.
Die Perspektive einer möglichen Regierungsbeteiligung scheint da aber zu einem Umdenken geführt zu haben. Am Abend hatte SP.A-Chef John Crombez die Entscheidungsträger seiner Partei zusammengerufen, um über das weitere Vorgehen zu entscheiden.
Sollen wir mit der N-VA reden, oder nicht? das war also die Frage. Und da gab es, wie so oft, zwei Lager.
Im Vorfeld hatten sich doch einige Schwergewichte dagegen ausgesprochen. Vater und Sohn Tobback, und auch der Löwener Bürgermeister Mohamed Ridouani waren strikt dagegen, mit den Nationalisten über eine neue flämische Regierung zu verhandeln.
Der "pragmatische" Flügel hat sich aber am Ende durchgesetzt. Nach dem Motto also: Reden kostet nichts.
Nur bekommt Parteichef Crombez jetzt natürlich keinen Freifahrtschein. Man schnürte einen Forderungskatalog zusammen, eine Liste von Prioritäten, die man (mal wünschenswerterweise, mal zwingend) in einem möglichen Koalitionsvertrag lesen will.
Die SP.A-Kammerabgeordnete Yasmine Kherbache fasste die Ergebnisse in der VRT so zusammen: Wenn wir eingeladen werden, dann werden wir erstmal zuhören. Und dann werden wir unsere Prioritätenliste präsentieren. Und die besteht vor allem aus sozialen und auch ökologischen Forderungen.
Heißt im Klartext: De Sozialisten werden nicht um jeden Preis einer Koalition beitreten. Eher im Gegenteil. Die SP.A wäre de facto das Zünglein an der Waage.
Eine Koalition aus N-VA, OpenVLD und SP.A, die hätte nämlich nur eine knappe Mehrheit von einem Sitz. Und in einer solchen Situation kann auch der vermeintliche Juniorpartner letztlich ein mitunter deutlich größeres Gewicht bekommen, als es sein Wahlergebnis vielleicht erlauben würde. Zumal es so aussehen mag, als würde De Wever am liebsten die CD&V draußen halten, auch um sie weiter zu schwächen.
Doch sind immer noch längst nicht alle flämischen Roten davon überzeugt, dass das Ganze vielleicht auch eine Chance sein könnte. Das gilt zum Beispiel für den SP.A-Bürgermeister von Vilvoorde, Hans Bonte.
In einer Koalition mit zwei rechten bzw. wirtschaftsliberalen Parteien werden wir immer das fünfte Rad am Wagen sein, werden wir nie wirklich unseren Stempel aufdrücken können, sagt Bonte. Und damit spielen wir letztlich mit dem Feuer, riskieren wir bei der nächsten Wahl wieder abgestraft zu werden.
Naja, Bart De Wever muss ja erstmal den Vlaams Belang fallen lassen und dann auch konkrete Einladungen aussprechen. Aber, wenn es am Ende doch auf eine Regierung aus N-VA, OpenVLD und SP.A hinauslaufen sollte, einen Namen gibt es schon: Wegen der Farben gelb, blau und rot spricht da - in Anlehnung an das alte Wappen des Herzogtums - von einer "burgundischen Koalition".
Roger Pint