Bewegung gab es, aber Fortschritte? Eigentlich nicht. Immerhin hatte Benoît Lutgen am Ende der Woche doch noch sein Programm erfüllen können, das er sich am Anfang der Woche vorgenommen hatte: Mit allen Präsidenten der wichtigen Parteien zu sprechen, die für eventuell neue Regierungsbündnisse in Frage kommen.
Mit der MR hatte es keine Probleme gegeben, mit Ecolo letztlich auch nicht, nur Olivier Maingain von Défi hatte sich lange taub gestellt gegenüber dem Gesprächsangebot von Lutgen. Am Samstag trafen sich die beiden dann doch. Beobachter berichteten, dass das Treffen eisig verlaufen sei.
Kein Fortschritt also, und das bestätigte Maingain auch Montagfrüh nochmal im Radio der RTBF. Da war bei Maingain auch nichts zu spüren von einem eventuellen Willen, schnell die Krise zu lösen. Ihm geht es um etwas anderes - jedenfalls in seinem Diskurs. Da reitet er weiter auf dem rum, was er die "ethische Revolution" nennt. Die habe noch nicht stattgefunden. Mit ihr müsse man beginnen - alle Parteien zusammen.
Mit ethischer Revolution meint Maingain das völlig korrekte Verhalten von Politikern. Alle, die sich etwas vorzuwerfen hätten oder im Verdacht stünden, in unsaubere Geschichten verwickelt zu sein, müssten vom politischen Tagesgeschäft Abstand nehmen. Maingain verglich das mit einem Beamten: Wenn gegen einen Beamten ermittelt werde, würde er von seinen Aufgaben befreit - ohne dadurch allerdings vorverurteilt zu sein. Doch das, was sogar von dem niedrigsten Beamten verlangt werde, wollten die Politiker bei sich selbst nicht anwenden. Das sei unverständliche für den Bürger.
Maingain gibt also weiter den Saubermann, und will zunächst seine Forderung nach einer Erneuerung der politischen Ethik erfüllt sehen. Das hört bei ihm auch nicht bei der Personalsäuberung auf. Auch über das Ende der Ämterhäufung müsse man reden, über das Ende der Bezüge von mehreren Gehältern gleichzeitig, die Entpolitisierung der Administration und so weiter.
Auch Ecolo hat ähnlich hohe Ansprüche an mögliche Partner für Regierungskoalitionen - für die Zeitung L’Avenir hört sich das am Montag so an, als ob weder Ecolo noch Maingains Défi wirklich ein Interesse daran hätten, mit der CDH zusammenarbeiten zu wollen. Denn die Politikerneuerung braucht Zeit.
Zeichen nach außen
Auch, wenn die PS zumindest in Brüssel jetzt vorprescht. Noch am Freitag wurde das Ende der Ämterhäufung als Prinzip verabschiedet. Vielleicht ein Zeichen nach außen, dass die Partei es ernst meint, Konsequenzen aus den Skandalen der jüngeren Vergangenheit zu ziehen, bei denen sie meist im Mittelpunkt stand.
Doch wie es weitergehen soll, weiß auch die Brüsseler PS-Chefin Laurette Onkelinx nicht - und kündigte schon mal an, dass sie eventuell selbst in Brüssel auf die Suche nach neuen Partnern gehen könnte. Am Sonntag machte sie für die instabile Lage Benoît Lutgen verantwortlich. Bei den drei betroffenen Einrichtungen, den Parlamenten der Wallonie, Brüssel und der Französischen Gemeinschaft, wisse wohl gerade niemand, wer dort regieren könnte. Wohl auch Lutgen selbst nicht.
In der Wallonie zeichnet sich ja immerhin eine Koalition zwischen CDH und MR ab. Beide haben zusammen eine Stimme Mehrheit. Da dürfe keiner krank werden, spottete Onkelinx. In Brüssel sei die Situation noch viel surrealistischer. Von den sechs Parteien, die in Brüssel regieren, sei die CDH die kleinste frankophone Partei der Koalition. Um eine Mehrheit ohne die PS zu erhalten, bräuchte man eine Übereinkunft mit drei, vier anderen Parteien, sagte Onkelinx in der RTBF.
Alles bleibt also verworren, wie man es auch dreht. Die einen fordern langfristige Änderungen, die anderen schaffen keine Fakten, die Ferien rücken immer näher. Fraglich, ob bis zu deren Beginn Lösungen gefunden werden. Die Gespräche zwischen den möglichen Partnern sollen auch diese Woche weitergehen.
CDH streitet mit Défi, Ecolo und MR dialogieren
MR-Chef Olivier Chastel tauschte sich am Montag mit den beiden Co-Präsidenten von Ecolo aus. Zwei Stunden dauerten die Gespräche zwischen Chastel und den beiden Ecolo-Spitzen Zakia Khattabi und Patrick Dupriez.
Überraschend deshalb, weil Chastel kurz vor Beginn des Treffens nochmal einige Positionen seiner Partei klar formuliert hatte. Darunter auch eine Absage an ein grundsätzliches Ende der Ämterhäufung. Die MR, so Chastel, vertrete die Auffassung, dass mehrere Ämter für Mandatsträger in Städten und Gemeinden unter 50.000 Einwohner auch künftig erlaubt sein sollen.
Ecolo hingegen will ein komplettes Ende der Ämterhäufung. Das ist die wichtigste Forderung der Grünen. Die zweitwichtigste ist die Begrenzung der Verdienstmöglichkeiten von Politikern. Und genau bei diesen beiden Punkten konnten sich die Gesprächspartner am Montag auch nicht einigen.
Trotzdem werteten beide das Gespräch als "konstruktiv". Er habe letztlich viele Gemeinsamkeiten festgestellt, sagte Chastel. Und auch Dupriez sprach davon, dass die Gespräche eine gute Grundlage dafür geboten hätten, um den Dialog mit der MR weiterzuführen. Wann das sein wird, ließ Dupriez offen.
Am Mittwoch will Ecolo Gespräche mit der PS und Défi führen.
Kay Wagner - Bild: Nicolas Maeterlinck/BELGA