"De Wever steht vor einer entscheidenden Woche", titelt Het Laatste Nieuws. In den nächsten Tagen dürften die föderalen Koalitionsverhandlungen wohl definitiv in ihre heiße Phase eintreten. Erst muss der Regierungsbildner noch in den Palast, um den König erneut über den Verlauf seiner Mission in Kenntnis zu setzen. Dieser Termin am Montag dürfte noch eine Formalität sein. Danach wird es aber ans Eingemachte gehen. Auf dem Programm stehen dann nämlich die großen sozial-wirtschaftlichen Themen, an denen die Verhandlungen schon mehrmals gescheitert sind. Für De Wever und die übrigen vier Arizona-Partner schlägt dann wohl irgendwann die Stunde der Wahrheit.
"Die Sozialhilfe steht am Rande des Abgrunds", so derweil die Aufmachergeschichte von L'Avenir. Die Zeitung nimmt den Skandal um das ÖSHZ von Anderlecht zum Anlass, um den Bereich mal unter die Lupe zu nehmen. Eine VRT-Reportage hatte ja gravierende Missstände in der Brüsseler Stadtgemeinde ans Licht gebracht. Im örtlichen Sozialamt herrscht demnächst das nackte Chaos. Die Beschäftigten sind völlig überarbeitet, was de facto dazu führt, dass buchstäblich jeder Sozialhilfe zugesprochen bekommen kann. Und der Präsident des ÖSHZ' von Anderlecht schaltet sich offensichtlich direkt in die Vergabe-Entscheidungen ein.
"Chaos auf allen Etagen!"
"Was für eine Misere!", beklagt Le Soir in seinem Leitartikel. Chaos auf allen Etagen. Chaos in den Akten, Chaos in Bezug auf die Prozeduren, Chaos durch politische Einflussnahme. Für Menschen, die wirklich Hilfe nötig haben, ist das einfach nur unerträglich. Ganz zu schweigen vom Präsidenten des ÖSHZ, der frank und frei zugibt, dass er sich in die Vergabe-Entscheidungen einmischte und der das begründet mit seiner "sozialistischen Seele". Die föderale Aufsichtsministerin Karine Lalieux war offenbar über die Missstände im Bilde, die PS-Politikerin hat aber nur zögerlich reagiert. Und das ist inakzeptabel und unwürdig. Kleiner Tipp an die Verantwortungsträger in dieser Akte: Im vorliegenden Fall sollte man es tunlichst hinterlassen, den "bösen" rechten Parteien Moralpredigten zu halten; man sollte einfach nur dafür sorgen, dass der "Laden" läuft, wie es sich gehört.
L'Avenir sieht das ähnlich. Die VRT-Reportage, die die Missstände im ÖSHZ von Anderlecht ans Licht brachte, die wird wohl in die Annalen gehen als ein Musterbeispiel für Missmanagement. Beispielhaft dafür ist die Rolle des Präsidenten, der sich offensichtlich wie ein mittelalterlicher Fürst gerierte. Absolut unannehmbar! Solche Entgleisungen sind aber die Folge der strukturellen Unterfinanzierung. Die ÖSHZ des Landes werden immer wieder zu bloßen Stellschrauben degradiert, auf die man lästige Aufgaben abwälzt. Das inzwischen kafkaesk gewordene System bedarf dringend einer tiefgreifenden Reform.
Es gibt nichts, was es nicht gibt…
"Prinz Laurent will Zugang zur sozialen Sicherheit", so derweil die Aufmachergeschichte von Gazet Van Antwerpen. Der jüngere Bruder des Königs hat den Staat verklagt, weil er keinerlei Anrecht auf Sozialleistungen hat. Das Brüsseler Arbeitsgericht wir den Fall am kommenden Montag behandeln. Laut Experten gäbe es eine einfache Lösung: Prinz Laurent müsste einfach nur auf seine Dotation verzichten.
Ein bisschen pathetisch ist das Ganze doch, meint Gazet Van Antwerpen in ihrem Kommentar. Ein Prinz verklagt also den Staat, um sich Sozialleistungen zu erstreiten… Es gibt offensichtlich nichts, was es nicht gibt. Eigentlich ist Prinz Laurent ein lebender Anachronismus. Es ist schlicht und einfach nicht mehr zeitgemäß, dass alle Mitglieder des Königshauses in den Genuss einer staatlichen Dotation kommen. Wobei man natürlich gleich hinzufügen muss, dass diese Praxis mit Laurent endet. Künftig gilt diese Vorzugsbehandlung nur noch für den König und seinen unmittelbaren Nachfolger. Die anderen Königskinder werden sich einen Job suchen müssen. Wenn Laurent nicht arbeiten will, dann muss er mit seiner Dotation auskommen. Mit 388.000 Euro pro Jahr sollte das doch möglichen sein. Oder etwa nicht?
"Der überschüssige Prinz"
Ein Prinz zerrt den Staat vor Gericht, in einem normalen Land würde, das doch für dicke Schlagzeilen sorgen, frotzelt Het Nieuwsblad. In Belgien sind wir da aber schon Einiges gewöhnt, schließlich wurde hierzulande auch schon ein König von einem Richter dazu verdonnert einen Vaterschaftstest abzulegen. Der Überraschungseffekt nutzt sich da doch ein bisschen ab. Im Grunde zeigt das nur wieder, wie wenig ein Königshaus noch in unserer Zeit passt. Belgien ist da aber keine Ausnahme, es reicht ein Blick nach Großbritannien. Wenn ein Mitglied des Königshauses dort mit einem Gericht in Berührung kommt, dann geht es nicht um soziale Sicherheit, sondern um einen Sexskandal mit Minderjährigen. Das Alles, nur um zu sagen: Das Problematische an Königshäusern ist die ungesunde Verquickung von Familie und Job.
Zugegeben: Rein menschlich betrachtet, hat es Prinz Laurent nicht immer einfach gehabt, in jungen Jahren muss er sich wie ein Spielball gefühlt haben, konnte sein eigenes Schicksal nicht bestimmen, um dann am Ende aufs Abstellgleis geschoben zu werden. Eine Doku über Laurent hieß nicht umsonst "Der überschüssige Prinz". Das stimmt heute allerdings mehr denn je.
Die Grausamkeit wieder rehabilitieren
De Standaard schließlich beschäftigt sich mit dem internationalen Haftbefehl gegen den israelischen Premierminister Netanjahu und den Folgen. Diese Entscheidung des Internationalen Gerichtshofes hat das Potenzial, die Welt mehr denn je zu spalten. Das gilt insbesondere für Europa. Wie würden die Länder reagieren, wenn Netanjahu ihren Boden betritt? Würden sie ihn tatsächlich festnehmen? In den Niederlanden oder in Deutschland, mag man da seine Zweifel haben. Und auch in Belgien wäre eine mögliche Regierung De Wever in dieser Frage zwiegespalten.
Netanjahu kann bald auch auf mächtige, neue Freunde zählen: Donald Trump dürfte sich wohl als die beste Versicherungspolice für den israelischen Ministerpräsidenten erweisen. In Europa hat der ungarische Premier Viktor Orban schon Farbe bekannt: Er hat Netanjahu sogar eingeladen. Hier zeigen sich noch einmal die wirklichen Absichten dieser illiberalen, selbsternannten Revoluzzer: Sie wollen die Grundrechte abbrechen, die das Fundament des internationalen humanitären Rechts bilden. Der Casus Netanjahu ist der ideale Anlass, um die Ächtung von Folter, unmenschlicher Behandlung, von Massenmord und Genozid zu streichen. Das ist das wahre Ziel von Leuten wie Orban oder Trump: Sie wollen die Grausamkeit wieder rehabilitieren.
Roger Pint