"Zwei Jahre Krieg ohne Aussicht auf Frieden", titelt La Libre Belgique. "Der unendliche Kampf", so die Schlagzeile von Le Soir. "Seit zwei Jahren im Abwehrkampf", schreibt das GrenzEcho auf Seite eins.
Ausnahmslos alle Zeitungen erinnern heute an den russischen Angriff auf die Ukraine vor exakt zwei Jahren. Viele Blätter bringen Reportagen aus der Ukraine und ziehen auch eine Zwischenbilanz. Die fällt allerdings durchwachsen aus. Inzwischen macht sich nämlich zunehmend Pessimismus breit. Der Westen scheint kriegsmüde geworden zu sein und entsprechend wittert der russische Präsident Putin Morgenluft.
"Nach zwei Jahren brauchen wir einen neuen Elan, um die Ukraine zu retten", mahnt Le Soir in seinem Leitartikel. Zwei Jahre nach dem Beginn der Invasion ist aktuell nämlich nicht wirklich Optimismus angesagt. Dies spätestens nach dem Scheitern der ukrainischen Gegenoffensive im vergangenen Sommer. Aber trotz aller Rückschläge, trotz aller Kriegsmüdigkeit: Die Ukrainer versuchen weiter mit aller Macht, der immerhin zweitstärksten Armee der Welt Stand zu halten. Und ihre Widerstandskraft ist nach wie vor beeindruckend. Damit das aber auch so bleibt, muss jetzt noch einmal ein Ruck durch die westliche Welt gehen. Mehr denn je braucht das Land unsere Unterstützung. Das ist auch in unserem eigenen Interesse. Denn wenn die Ukraine fällt, dann sind wir die Nächsten auf der Liste.
"Das Jahr aller Gefahren"
Dieses dritte Kriegsjahr ist das Jahr aller Gefahren, auch und vor allem für Europa, warnt auch L'Echo. Der russische Druck an der mehr als 1.000 kilometerlange Front wird immer größer. Parallel dazu bröckelt die westliche Unterstützung. Die Anhänger von Donald Trump blockieren ja derzeit milliardenschweren Hilfen für die Ukraine im US-Kongress. Eben dieser Donald Trump hat ja mit seinen jüngsten Aussagen auch die Nato kräftig durchgeschüttelt. All das macht auch die gravierenden Schwächen Europas deutlich. Die EU ist derzeit nicht imstande, die Lücke, die die Amerikaner lassen, auszufüllen. Die europäischen Anstrengungen bleiben zu schwach, während Russland längst auf Kriegswirtschaft umgeschaltet hat. Zwei Jahre nach Beginn der Invasion scheint Europa immer noch nicht den Ernst der Lage erkannt zu haben.
Die Welt ist seit dem Ausbruch des Krieges eine andere geworden, notiert auch das GrenzEcho. Die politischen Koordinaten haben sich verschoben. Das gilt zum Beispiel für die Debatte um die (Wieder)Aufrüstung in Europa. Die Europäer sollten jedenfalls aus den jüngsten Aussagen von Donald Trump die richtigen Konsequenzen ziehen - bevor sie vom alten und vielleicht auch neuen Präsidenten vor vollendeten Tatsachen gestellt werden. Natürlich wäre es viel besser, etwa in Bildungs- oder Sozialpolitik zu investieren. Geld in die Hand zu nehmen, um mehr für die eigene Verteidigung zu tun und die Ukraine weiterhin in ihrem Kampf gegen Putin zu unterstützen, das ist aber leider das Gebot der Stunde. Es gibt keinen Weg zurück.
Die EU und der geopolitische Kampf ihres Lebens
Denn die Schicksale Europas und der Ukraine sind eng miteinander verbunden, analysiert La Libre Belgique. Wer glaubt, dass es reichen würde, dass die Ukraine den Russen einige Tausend Quadratkilometer überlässt, um den Frieden auf dem Kontinent wiederherzustellen, der irrt sich gewaltig. Denn: Wollen wir Europäer wirklich in einer Welt leben, in der das Gesetz des Stärkeren gilt? Eine Welt, in der imperiale Wahnvorstellungen Grenzen verschieben? In einer solchen Welt würde Europa verlieren: seine Glaubwürdigkeit, seine Sicherheit, seinen Wohlstand und seine Souveränität. Nur darum geht es in der Ukraine. Die Europäische Union fechtet in diesem Augenblick den geopolitischen Kampf ihres Lebens aus. Und der hat gerade erst begonnen.
Der Ukraine nicht zu helfen, das wäre schierer Selbstmord, ist auch La Dernière Heure überzeugt. Die Ukraine muss standhalten, damit unsere Demokratien überleben können. Und ja, das hat seinen Preis. Aber, damit wir uns richtig verstehen: Wenn wir jetzt nicht bezahlen, dann wird die Rechnung um das Hundertfache größer, wenn die Ukraine fällt.
Was sind wir bereit zu opfern, um unsere Werte zu verteidigen?
"Die Friedensdividende ist aufgegessen", kann denn auch De Tijd nur feststellen. Der Krieg in der Ukraine hat den Europäern die bittere Wirklichkeit noch einmal vor Augen geführt, die da lautet: Militärische Macht ist und bleibt entscheidend, um die eigenen Werte zu verteidigen. Genau diese Feststellung stellt den Alten Kontinent jetzt vor eine enorme Herausforderung. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs haben die Europäer ihre Rüstungsindustrie regelrecht verkommen lassen. Man hat sich allzu sehr auf die USA verlassen, die die europäischen Freibeuter gewähren ließen und ihnen doch militärische Rückendeckung garantierten.
Dahinter steht jetzt allerdings ein großes Fragezeichen und das spätestens seit den jüngsten Aussagen von Donald Trump. Viele EU-Staaten erkennen jetzt den Ernst der Lage, wenn es auch immer noch Länder wie Belgien gibt, die sich lieber in Worten statt in Taten üben. Militärische Macht, das ist die einzige Sprache, die Putin versteht. In der Ukraine geht’s denn auch vor allem um die Frage, wie viele Opfer Europa bereit ist zu bringen, um seine Werte zu verteidigen.
Stimme für radikale Parteien ist eine Stimme für Unfreiheit
Immerhin besteht inzwischen Konsens darüber, dass die Europäer die Verteidigung ihres Kontinents in die eigenen Hände nehmen müssen, konstatiert De Morgen. Diese Analyse ist zwar nicht neu, aber sie wird nun konkret und vor allem dringend. Das wird viel Geld kosten und das ausgerechnet in Zeiten, in denen auch noch andere fette Rechnungen in den Briefkasten flattern. Stichwort: Vergreisung. Stichwort: Klimawende. Und selbst in Belgien wächst die Einsicht, dass kein Weg daran vorbeiführt. Entsprechend sollte der Krieg mit all seinen Konsequenzen auch zum Wahlkampfthema werden. Denn Wladimir Putin hofft auf einen Erfolg rechtsextremer und auch linksextremer Kräfte, um den europäischen Zusammenhalt weiter zu schwächen.
Auch bei uns hört man schon Vlaams-Belang-Politiker unverhohlen die Frage stellen, ob die Ukraine all das Geld eigentlich wert ist. Für die marxistische PTB ist derweil die Nato alles schuld. So fängt es an! Eine Stimme für radikale Parteien ist also letztlich eine Stimme für die Unfreiheit und die Unsicherheit, mit denen Putin Europa überziehen will. Sind sich die Wähler dieser Parteien wirklich sicher, dass sie das wollen?
Roger Pint