"Die nukleare Bekehrung von Premier De Croo – Vivaldi II mit den Grünen? Das wird schwierig", titelt De Morgen. "Erweiterung und Verlängerung der Kernzentralen: Spannung vor 2024", schreibt L'Avenir. "Endgültige Einigung mit Engie über Kernreaktoren für 'Anfang nächster Woche' erwartet", so L'Echo.
Auch wenn wir uns noch nicht in der heißen Phase des Wahlkampfs befinden, sind die Parteien schon dabei sich für den Urnengang am 9. Juni aufzuwärmen, kommentiert L'Avenir – auch vor dem Hintergrund der Verlängerung der Laufzeit der belgischen Atomreaktoren. Die Einigung mit dem französischen Energiekonzern Engie sieht ja eine Verlängerung der Laufzeit für Doel 4 und Tihange 3 um zehn Jahre vor. Aber diese Woche sind wir in eine neue Phase eingetreten, denn Premierminister De Croo hat in den Raum geworfen, dass die nächste Regierung über eine Laufzeitverlängerung von 20 Jahren nachdenken können müsse. Und auch, dass es nützlich sei, darüber nachzudenken, was noch mit Tihange 1 getan werden könne. Damit hat De Croo das Tor weit aufgestoßen für eine neue Debatte über die Zukunft der Atomenergie in Belgien. Drei Parteien der föderalen Mehrheit, die MR, Open VLD und CD&V, haben sich damit bereits für eine nukleare Zukunft ausgesprochen, die über die jetzige Vereinbarung mit Engie hinausgeht, fasst L'Avenir zusammen.
Glaubwürdigkeit in der Energiepolitik
Bei der Klimakonferenz der Vereinten Nationen hat sich Premier De Croo angetan gezeigt vom Vorstoß anderer Länder zu einer Verdreifachung der Kapazitäten der Stromgewinnung aus Kernenergie, so Het Laatste Nieuws. Aber er steht in Dubai wie ein belgischer Kaiser ohne Kleider, denn er hat dafür keine Rückendeckung seiner Regierungskoalition, namentlich der Grünen. Denn für die kommt eine Laufzeitverlängerung der belgischen Reaktoren um 20 Jahre nicht in die Tüte. Das hilft ihnen aber nicht gerade, was die Glaubwürdigkeit über den Ausstieg aus fossilen Energieträgern angeht. Und das ist auch ein Problem für andere Parteien. Man muss einfach ehrlich sagen dürfen: Ja, wir haben uns geirrt. Aber die Politiker glauben offensichtlich, dass ihnen das vom Wähler dann als Wankelmütigkeit ausgelegt werden wird. Aber was, wenn genau das Gegenteil der Fall wäre? Was, wenn ehrlich sein mehr Wählervertrauen einbringen würde?, fragt Het Laatste Nieuws.
Die Rechten sprechen die Enttäuschten an
Het Belang van Limburg geht auf die Ergebnisse einer neuen Umfrage über die Wahlabsichten der Flamen ein: Wieder bestätigt sich, dass die extrem Rechten auf dem Vormarsch sind. Das ist auch kein rein flämisches Phänomen, in halb Europa ist das der Fall. Solange andere Parteien keine Antworten finden auf das schwindende Vertrauen der Wähler in die Politik und auf die Migrationsfrage, wird der Siegeszug der Rechtsextremen auch andauern – auch vor dem Hintergrund, dass der Migrationsdruck nur noch weiter zunehmen wird. Mit extrem Rechten zu regieren ist nicht gleichbedeutend mit einer Rückkehr in die 1930er-Jahre oder dem Abgleiten in eine Diktatur, Demokratien haben glücklicherweise noch Schutzmechanismen. Aber in einer Legislatur kann sehr viel irreparabler Schaden angerichtet werden. Einen Austritt aus der EU etwa macht man nicht einfach so wieder rückgängig. Da muss man nur die Briten fragen, die hatten auch für "das eigene Volk zuerst" gestimmt, warnt Het Belang van Limburg.
La Dernière Heure blickt in ihrem Leitartikel auf die Pläne der N-VA, auch in der Wallonie anzutreten. Erstens: Stimmen bei denen holen wollen, die man für alles Übel des Landes verantwortlich macht. Zweitens: Auf eine Botschaft nationaler Einheit setzen, obwohl man seit 20 Jahren Zwietracht sät, "Flandern zuerst" fordert und eine Aufspaltung. Drittens: Die Wallonie vom Sozialismus "befreien" wollen, obwohl die Ankunft der N-VA die PS keine einzige Stimme kosten würde, dafür aber die MR. Was die PS wiederum noch stärker machen würde. Die Idee von De Wever ist nicht nur durch und durch paradox, sondern kommt auch spät, ist unausgereift und hat zweifelhaften strategischen Wert. Aber man sollte nicht ausblenden, dass so ein Tritt in den Ameisenhaufen der wallonischen Politik dennoch durchaus Folgen haben kann. Die N-VA könnte eine Verlockung darstellen für enttäuschte frankophone Wähler, gibt La Dernière Heure zu bedenken.
Langzeitkranke und Ehrenamtliche
Het Nieuwsblad befasst sich mit der Problematik der Langzeitkranken: Wir haben mittlerweile die Grenze von 500.000 Langzeitkranken überschritten – eine beängstigende und weiter steigende Zahl. Diese Entwicklung sorgt auch kurzfristig für Probleme, sie schadet der Wirtschaft und sie kostet die Regierungen des Landes und damit auch die Bürger viel Geld. Schon lange wird versucht, solche Menschen zurück in Arbeit zu bringen, aber es ist und bleibt ein kompliziertes Puzzle – nicht zuletzt, weil jede neue Maßnahme von den Firmen missbraucht zu werden scheint, um Langzeitkranke loszuwerden und die Kosten auf den Staat abzuwälzen. Es wird höchste Zeit, dass gegen diese Praktiken und den zynischen Umgang der Wirtschaft mit ihren Arbeitskräften vorgegangen wird, fordert sinngemäß Het Nieuwsblad.
Der heutige 5. Dezember ist der Internationale Tag des Ehrenamtes, erinnert schließlich La Libre Belgique. Laut den Zahlen der König-Baudouin-Stiftung gibt es in Belgien mehr als 735.000 ehrenamtlich tätige Menschen, die jeden Tag 40.000 Aufgaben übernehmen. Jeder und jede Freiwillige leistet im Schnitt 200 Stunden pro Jahr, vier Stunden pro Woche. Damit helfen sie, die Gesellschaft etwas runder laufen zu lassen und stopfen Lücken, um die sich die Politik nicht kümmert. Eine ehrenamtliche Tätigkeit ist – im edelsten Sinne des Wortes – auch ein politischer Akt. Und letztlich ist es auch eine Situation, bei der alle gewinnen: Die Freiwilligen fühlen sich nützlich, weil sie ihre Kenntnisse und Zeit einbringen können, und die Menschen, denen sie helfen, profitieren sowieso. Aber vor allem gewinnt auch die Gesellschaft, unterstreicht La Libre Belgique.
Boris Schmidt