"Charles III. endlich gekrönt", titeln La Libre Belgique und L'Avenir. "74 Jahre lang im Wartezimmer, heute endlich gekrönt", schreibt Gazet Van Antwerpen auf Seite eins. Es gibt aber auch weniger enthusiastische Schlagzeilen: "Charles III. eine Krönung, die weit davon entfernt ist, die Briten zu begeistern", notiert etwa Le Soir.
Der britische König Charles III. wird heute offiziell in sein Amt eingeführt. Die historische Krönungszeremonie wird von drakonischen Sicherheitsvorkehrungen begleitet. "11.500 Polizisten und 10.000 Soldaten stehen bereit", präzisiert Het Laatste Nieuws auf seiner Titelseite. Das Ganze hat natürlich seinen Preis: Nach Schätzungen belaufen sich die Kosten für die Sicherheit und die Zeremonie auf 250 Millionen Pfund, über 280 Millionen Euro.
"Die Pracht und der Pomp, mit denen Großbritannien heute seinen neuen König krönt, stehen in schrillem Kontrast zum wirtschaftlichen Zustand des Landes", konstatiert Gazet van Antwerpen in ihrem Leitartikel. Es droht eine Rezession, die Gesundheitsversorgung liegt in Scherben. Und wegen der anhaltend hohen Inflation kommen viele Briten kaum noch über die Runden. Kein Wunder, dass sich nur rund zehn Prozent der Briten für die heutige Krönung begeistern können. Die meisten haben andere Sorgen. Hinzu kommt: Im Gegensatz zu seiner Mutter hat Charles längst nicht immer eine perfekte Figur gemacht. Niemand weiß, was das Alles für das britische Königshaus bedeuten wird. Den meisten Briten ist es wohl egal.
Krönung in einem denkbar ungünstigen Kontext
Charles III. besteigt den Thron nicht unbedingt im glücklichsten Moment, glaubt auch L'Avenir. Die britische Monarchie wirkt so fragil wie selten - sowohl national als auch international wird ihre Rolle in Frage gestellt. Der Kontext könnte kaum schwieriger sein: Brexit, Ukrainekrieg, wachsende Spannungen zwischen den Großmächten, galoppierende Inflation. In diesen unruhigen Zeiten muss das Königshaus ein neues Gleichgewicht finden. Und hier ist vor allem auch Vorsicht geboten. Nicht umsonst hat der neue König seine Familie zu neuer Nüchternheit angehalten.
La Libre Belgique empfindet die heutige Zeremonie dennoch als eine willkommene Abwechslung. Denn tatsächlich steckt Großbritannien in einer fast beispiellosen Krise: Aber in diesen schweren Zeiten kann eine Zeremonie, die auf einer jahrhundertelangen Tradition beruht, dem einen oder der anderen zumindest eine gesunde Portion Stolz einflössen. Ein kleiner, feiner Moment der Leichtigkeit. Aber klar: Der schwierige Alltag wird sich sehr schnell wieder zurückmelden. Und das Land ist gespaltener denn je. Charles III. wird die Menschen überzeugen und einen müssen, denn seine Krone kann sich schnell als ebenso schwer wie fragil erweisen.
Diskriminierung wegen des Pensionsbonus'?
Het Nieuwsblad kommt heute zurück auf eine Meldung, die am Freitag schon bei Het Laatste Nieuws stand. Nur nennt die Zeitung heute Ross und Reiter. "PS-Politiker verlangt 80.000 Euro mehr Pensionsbonus", so die Schlagzeile. Es handelt sich demnach um den PS-Politiker Maurice Lafosse. Der hat schon vor einigen Jahren die Kammer verklagt. Er fühlt sich diskriminiert, weil ein Pensionsbonus in anderen Parlamenten schon früher galt. Und die Differenz will er sich auszahlen lassen.
Apropos Ruhestand: "Guy Verhofstadt beendet 2024 seine politische Karriere", berichtet Le Soir auf seiner Titelseite. Der ehemalige Premierminister wird dann also nicht mehr für das EU-Parlament kandidieren.
"Macht den 8. Mai wieder zum Feiertag!"
Einige Leitartikler blicken schon auf dem kommenden Montag, den 8. Mai.
Dem Monat Mai fehlt es eigentlich nicht an Feiertagen. Aber der wichtigste wird seit Jahrzehnten in Belgien nicht mehr gefeiert, bemerkt Het Belang van Limburg. Am kommenden 8. Mai vor 78 Jahren endete der Zweite Weltkrieg. Und während in unseren Nachbarländern der ultimative Sieg der Demokratie über das Böse ausgiebig gefeiert wird, ist das hierzulande nur eine Randnotiz. Schon 1974 wurde der Feiertag abgeschafft. Das sagt viel darüber aus, wie in diesem Land mit dem Zweiten Weltkrieg umgegangen wird.
Jahrzehntelang haben vor allem ehemalige Kollaborateure die öffentliche Diskussion gekapert. Der Widerstand gegen das Nazi-Regime, den es ja durchaus auch gab, der landete derweil im Abstellraum der Geschichte. Das scheint sich jetzt aber zu ändern. Im vergangenen Jahr entstand die "Koalition 8. Mai", die zurecht dafür plädiert, den Tag wieder zu einem Feiertag zu machen. Das hat wohl auch mit dem Wiedererstarken der rechtsextremen Parteien zu tun. Man sollte sich aber davor hüten, den 8. Mai in diesem Kontext einzubetten. Die Geschichte darf nicht im Dienste der aktuellen Politik stehen.
Der 8. Mai soll nicht zum "Tag gegen Rechtsextremismus" werden
De Morgen sieht das genauso. Natürlich hat Belgien etwas gutzumachen. Natürlich wurde die Rolle des Widerstands gegen die Besatzung durch Nazi-Deutschland weitgehend vergessen. Es wird höchste Zeit, das Ende des Zweiten Weltkrieges wieder als das zu würdigen, was es war: ein Schlüsselmoment insbesondere in der europäischen Geschichte.
In der heutigen polarisierten Welt droht aber eine Politisierung des 8. Mai. Den 8. Mai wieder zum Feiertag erheben zu wollen, das ist im Wesentlichen eine Idee aus dem linken Lager. Um dennoch einen Konsens zu erreichen, ist man dennoch gut beraten, aus dem 8. Mai nicht ein Fanal gegen Rechtsextremismus zu machen, sondern ausschließlich einen Gedenktag für die Opfer des Zweiten Weltkriegs.
Roger Pint