"Ein Ballon, der die Spannungen zwischen den USA und China wieder anheizt", schreibt Le Soir auf Seite eins. "Die Ballon-Affäre ruiniert die Annäherung zwischen China und den USA", stellt La Libre Belgique fest. "China droht den USA mit Gegenmaßnahmen", titelt das GrenzEcho.
Die USA haben am Ende den mutmaßlichen chinesischen Spionage-Ballon doch abgeschossen. Es war im Übrigen anscheinend auch nicht das erste Mal, dass ein chinesischer Ballon im amerikanischen Luftraum unterwegs war. Weil das jetzt an die Öffentlichkeit kam, gibt es nun aber auch in den USA eine innenpolitische Debatte darüber. Und so schaukelt sich das Ganze hoch. China droht ja seinerseits jetzt mit Vergeltung. "Stehen die Beziehungen zwischen den USA und China auf der Kippe?", fragt sich denn auch De Morgen auf Seite eins. "Die Gefahr eines Konflikts nimmt zu", warnt sogar Het Nieuwsblad.
Ballon-Vorfall verheißt nichts Gutes
"Bumm!", meint lapidar L'Avenir in seinem Leitartikel. "Bumm", und dann hinterließ der chinesische Ballon nur noch eine winzige Rauchfahne am Himmel. Auf diplomatischer Ebene sorgt die Affäre demgegenüber aber für enorme Qualmentwicklungen. Sichtbarste Folge ist die Annullierung der China-Reise von US-Außenminister Antony Blinken. Es wäre der erste Besuch eines US-Außenamtschefs im Reich der Mitte seit sechs Jahren gewesen. Blinken hatte aber keine andere Wahl. In dieser Affäre hat die mächtigste Militärmacht der Welt nämlich eine ganz schlechte Figur gemacht. Denn: Wenn es sich wirklich um einen Spionage-Ballon gehandelt hat, wie es das Pentagon behauptet, dann stellt sich doch die Frage, warum man das Objekt nicht viel früher vom Himmel geholt hat. Sagen wir mal so: Wenn der Ballon in irgendeiner Weise tatsächlich ein strategisches Risiko dargestellt hätte, dann hätte Präsident Biden wohl nicht lange gezögert. Insgesamt verheißt diese Affäre jedenfalls nichts Gutes.
Ein Stein im Schuh weniger
In Flandern sorgt derweil ein Rücktritt für Diskussionsstoff. Dries Van Langenhove hat am Wochenende angekündigt, seinen Sitz in der Kammer aufzugeben. Er war 2019 als unabhängiger Kandidat auf einer Liste des rechtsextremen Vlaams Belang ins Parlament gewählt worden.
Dries Van Langenhove war für den Vlaams Belang immer mehr zu einem Stein im Schuh geworden, analysiert De Morgen in seinem Leitartikel. Zwar schwören alle Beteiligten, dass Van Langenhove freiwillig seinen Sitz im Parlament räumt. Es ist aber eine Tatsache, dass er den Vlaams Belang immer wieder zu einem schwierigen Spagat gezwungen hat. Auf seinem Internetkanal verbreitet Van Langenhove die beklopptesten und extremsten Verschwörungstheorien. Das Ganze meist gespickt mit Rassismus in Reinform. Zwar war er nie Vlaams-Belang-Mitglied, doch konterkarierte er damit trotzdem die Bemühungen der rechtsextremistischen Parteien, salonfähig zu werden. Van Langenhove war damit für andere Parteien, allen voran die N-VA, immer eine Entschuldigung, um eine Zusammenarbeit mit dem Vlaams Belang abzulehnen.
Die Vergangenheit ist nicht mit einem Mal vergessen
Im Grunde ändert der Rücktritt von Dries Van Langenhove aber nicht sehr viel, ist Het Nieuwsblad überzeugt. Der Plan des Vlaams Belang-Vorsitzenden Tom Van Grieken, seine Partei salonfähig zu machen, war nie glaubwürdig. Es gab nämlich schon viele Gelegenheiten, um sich von Dries Van Langenhove zu distanzieren. Nicht vergessen: Van Langenhove war der selbsternannte "große Boss" der rechtsradikalen Vereinigung Schild & Vrienden. Vor einigen Jahren waren die Inhalte einer geheimen Chatgruppe bekannt geworden: Massenweise rassistische Äußerungen bis hin zur Hitler-Verehrung. Und doch machte Van Grieken Van Langenhove zum Spitzenkandidaten in Flämisch-Brabant. Auch nach 2019 machte Van Langenhove immer wieder mit besonders krassen Aussagen von sich reden. Sein Abgang macht die Vergangenheit nicht mit einem Mal ungeschehen.
Zusammenarbeit Vlaams Belang-N-VA im Bereich des Möglichen?
"Wir sehen hier ein Operation nach dem Motto: 'Distanz schaffen, ohne sich zu distanzieren'", analysiert auch De Standaard. Heuchelei für Fortgeschrittene, könnte man sagen. Der Vlaams Belang will offensichtlich der Welt beweisen, dass er tatsächlich reinen Tisch macht. Die Botschaft insbesondere an die N-VA: "Dann beweist uns doch, warum man nach wie vor nicht mit uns zusammenarbeiten kann!". Und, keine Sorge: Indirekt wird Van Langenhove den Vlaams Belang als Scharfmacher erhalten bleiben. Auf seinen Internetkanälen wird er weiter die rechtsextreme Basis aufstacheln.
"Rückt eine Zusammenarbeit zwischen dem Vlaams Belang und der N‑VA jetzt in den Bereich des Möglichen?", fragt sich jedenfalls Het Belang van Limburg. Der Abgang von Van Langenhove wäre dann, wenn, nur der Anfang. In den Reihen des Vlaams Belang gibt es nämlich noch einige weitere lupenreine Extremisten wie Filip Dewinter oder Sam Van Rooy. Sollten diese beiden auch noch das Feld räumen, dann würden die nächsten Wahlen 2024 wohl die spannendsten aller Zeiten.
Atomausstieg – Ein jämmerliches Spektakel
"Atomausstieg – Alles wird wieder in Frage gestellt", titelt schließlich La Libre Belgique. Tatsächlich streitet die Koalition wieder über die geplante Abkehr von der Kernenergie. Die flämischen Liberalen wollen den Reaktorblock Tihange 1 noch einmal für zehn Jahre verlängern, die Grünen sind dagegen.
Was für ein jämmerliches Spektakel!, schimpft La Libre Belgique in ihrem Leitartikel. Diese Episode zeigt einmal mehr das absolute Fehlen jeglicher strategischer Vision in der Energiepolitik. Klar: Es gibt einen neuen Bericht des Hochspannungsbetreibers Elia, der für die beiden Winter 2026 und 2027 vor Stromengpässen warnt. Was wir hier sehen, ist nichtsdestotrotz ein beispielloser Schleuderkurs, ein Sichtflug, der 20 Jahre nach der Verabschiedung des Atomausstiegs mit Sicherheit vermeidbar war. Es ist einfach nur traurig.
Roger Pint