"Die Regierung wird die Rentenreform nachbessern müssen", titeln gleichlautend die Wirtschaftszeitungen L'Echo und De Tijd. "Wir fahren im Nebel, da kann es nicht schnell gehen", zitiert Het Nieuwsblad Premierminister Alexander De Croo auf Seite eins.
Mit Interviews und Analysen arbeiten die Zeitungen die bewegte politische Woche auf, in der die Haushaltspläne für die kommenden zwei Jahre verabschiedet wurden. Auch einige Leitartikel beschäftigen sich mit diesem Thema.
L'Echo stellt fest: Nicht nur die Föderalregierung, auch die Regierungen der Teilstaaten haben in ihren Haushaltsentwürfen vor allem kurzfristig wirkende Maßnahmen verabschiedet. Das hilft natürlich gegen die aktuelle Krise und ist für viele Menschen auch notwendig. Aber es ist nicht gut, dass die langfristig wirkenden Maßnahmen und strukturellen Entscheidungen so deutlich vernachlässigt werden. Denn auf diese Weise tut man nichts, um künftigen Krisen vorzubeugen. Durch strukturelle Entscheidungen wie zum Beispiel Reformen bei Rente, Arbeitsmarkt, Steuer und Gehaltsstrukturen schützen Politiker die Bürger auch vor neuen Krisen, betont L'Echo.
Beschlüsse von Verlierern
La Libre Belgique bemerkt: Die Beschlüsse der Föderalregierung für die Budgets der kommenden Jahre sind Beschlüsse von Verlierern. Niemand hat wirklich das bekommen, was er wollte. Denn niemand hat dem anderen gegönnt, Triumphe zu feiern. Jede Partei wollte für sich das Beste herausschlagen. Herausgekommen ist der kleinste gemeinsame Nenner und damit bei weitem natürlich nicht das Beste, was möglich gewesen wäre. Dadurch wirkt das Ergebnis wenig überzeugend, hat einen schalen Beigeschmack und wirkt gleichsam wie ein Spiegelbild der Parteien, die die Regierung bilden. Sie fühlen sich getrieben von den rechten und linken Populisten und werden dadurch unfähig, mutige Entscheidungen zu treffen, ärgert sich La Libre Belgique.
Het Nieuwsblad beobachtet: In dem Interview, das Premier De Croo unserer Zeitung gegeben hat, gibt er sich nach allen Seiten hin vorsichtig. Nur einen weist er in die Schranken: Finanzminister Vincent Van Peteghem von der CD&V. Der hatte am Dienstag gesagt, dass arbeitende Menschen aufgrund der Haushaltsbeschlüsse 500 Euro netto mehr bekommen werden. Das stimmt so nicht, stellt de Croo jetzt klar. Zwei Fragen stellen sich. Warum sagt De Croo das erst jetzt? Und warum hat Van Peteghem etwas Falsches gesagt? Wahrscheinlich wollte Van Peteghem den CD&V-Wählern eine Trophäe bieten. Die CD&V hat so etwas dringend nötig. Und wahrscheinlich wollte De Croo seinem Koalitionspartner nicht zu früh in den Rücken fallen. Aber irgendwann musste er die Dinge ja richtigstellen, behauptet Het Nieuwsblad.
Solche Zustände will niemand
Zur aktuellen Krise bei der Aufnahme von Flüchtlingen meint Gazet van Antwerpen: Laut Angaben der Regierung ist nicht der fehlende Platz dafür verantwortlich, dass Flüchtlinge gerade die Nächte auf der Straße verbringen müssen, sondern fehlendes Personal. Fehlendes Personal ist auch dafür verantwortlich, dass die Bearbeitung von Asylanträgen so lange dauert. Ein Jahr pro Antrag ist keine Seltenheit. Die Regierung täte gut daran, Geld in die Hand zu nehmen, um mit mehr Personal die aktuelle Situation zu verbessern. Denn Zustände wie zurzeit will niemand, unterstreicht Gazet van Antwerpen.
De Standaard schaut nach Großbritannien und schüttelt den Kopf: Nach David Cameron, Theresa May und Boris Johnson ist jetzt Liz Truss die nächste konservative Premierministerin, die Großbritannien nicht zur Ruhe kommen lässt. Cameron hat die Briten bei dem Brexit abstimmen lassen, May konnte keinen Vertrag mit Europa schließen, Johnson machte Party während Corona und Truss entlässt kurzerhand ihren Finanzminister, um ihre eigene Haut zu retten. Der finanzpolitische Kurs, den sie fahren wollte, ist ihr mit voller Wucht um die Ohren geflogen. So wird sie keine Wahl gewinnen. Die britischen Konservativen haben schon wieder ein Führungsproblem, analysiert De Standaard.
China vor der Weltherrschaft
De Tijd kommentiert: Was Truss gerade widerfährt, sollte anderen Politikern auch in anderen Ländern eine Lehre sein. Um gewählt zu werden, hat sie viel versprochen, was sie aber nicht einhalten kann. Viele Konservative fanden Truss toll, weil sie so rabiat ins Steuersystem eingreifen wollte. Die Finanzwelt hat da nicht mitgemacht und mit für Großbritannien katastrophalen Reaktionen Truss dazu gezwungen, eine Kehrtwende zu vollziehen. Der Finanzsektor wirkt als Korrektiv der Politik, behauptet De Tijd.
Het Laatste Nieuws schreibt zum Sonntag beginnenden Parteitag der Kommunistischen Partei in China. China ist uns weitgehend unbekannt und auch das macht China so gefährlich. Chinas Gefahr besteht vor allem aus seiner Macht in Wirtschaft und Technologie. Für 120 Länder ist China der wichtigste Handelspartner. Die chinesische App Tik Tok ist bei jungen Menschen dank ihres besseren Algorithmus erfolgreicher als Facebook, Instagram oder Snapchat. Gerade diese Spitzenposition in der Technologie- und Kommunikationswelt macht die chinesische Diktatur so gefährlich. Denn sie droht die Welt und damit auch unseren Alltag zu erobern, warnt Het Laatste Nieuws.
Kay Wagner