"Der Konzertierungsausschuss ist nach dem Kultur-Fiasko gezwungen, sich neu zu erfinden", titelt La Libre Belgique. "Der Rückwärtsgang des Konzertierungsausschusses wird nicht reichen", schreibt La Dernière Heure. "Corona – Jetzt wollen auch andere klagen", liest man beim GrenzEcho.
Der Konzertierungsausschuss hat gestern den Rückwärtsgang eingelegt und der Kultur die lautstark eingeforderte Freiheit zurückgegeben, resümiert Le Soir. Was wir aus dieser stürmischen Episode vor allem in Erinnerung behalten werden, ist der Eindruck einer willkürlichen politischen Entscheidung, einer neuen Kakophonie der Regierungen und des offenen Widerstands gegen den Staat durch einige, die eigentlich die Einhaltung getroffener Entscheidungen durchsetzen sollten. Letzteres ist besonders besorgniserregend für unseren Rechtsstaat. Dennoch besteht nicht der geringste Zweifel daran, dass es höchste Zeit ist, dass das Entscheidungsfindungssystem und die Zusammensetzung des Konzertierungsausschusses durchleuchtet werden. Das ist nicht nur wichtig für die Glaubwürdigkeit der Entscheider und damit für die Motivation der Bevölkerung, die Maßnahmen auch zu befolgen. Es würde vielleicht auch dabei helfen, eine Klagewelle vor dem Staatsrat zu vermeiden, so Le Soir.
Besinnung, neue Ideen und ein Reset
Das Corona-Krisenmanagement schwächelt schon länger, konstatiert De Standaard. Der Tiefpunkt war aber die Schließung des Kultursektors. Allerdings weiß niemand, wie lange die Freude der Kulturwelt anhalten wird. Auch in diversen anderen Bereichen sorgt die Omikron-Variante für Fragezeichen. Es gibt aktuell viele diesbezügliche Fragen und nur wenige Antworten. Aber so oder so sollte es in der Corona-Politik eine Besinnung, neue Ideen und einen Reset geben.
Es ist klar, dass der Konzertierungsausschuss nicht weitermachen kann wie bisher, meint De Tijd. Es ist zum Beispiel sicher nicht normal, dass die Minister der Regierungsparteien Entscheidungen treffen, nur um beim kleinsten bisschen Gegenwind wieder davon abzurücken. Natürlich kann jeder Fehler machen und sollte auch bereit sein, daraus zu lernen. Aber die Geschwindigkeit, mit der die Politiker diese Woche den Mut verloren haben, ihre Beschlüsse in der Öffentlichkeit zu verteidigen, war unerträglich hoch. Genauso wenig normal ist die Ankündigung von Kinobesitzern und Theatermachern, die angeordnete Schließung nicht umzusetzen und dass die Polizei mancherorts die Einhaltung der Maßnahmen nicht kontrollieren wollte. Ein Rechtsstaat ist nicht dafür da, um alle Meinungsverschiedenheiten unter den Teppich zu kehren. Er dient dazu, der Diskussion über diese Meinungsverschiedenheiten einen zivilisierten Rahmen zu geben. Und zwar mit deutlichen Spielregeln, wer das Sagen hat – und wer nicht, kritisiert De Tijd.
Ein sehr riskantes Spiel
Die Regierung weiß nach dem Schuss vor den Bug durch den Staatsrat, woran sie ist, kommentiert Het Belang van Limburg. Entscheidungen müssen in Zukunft ausreichend begründet werden. Ob die Politik das noch hinbekommen wird, wird man sehen müssen. Viel Zeit dafür bleibt ihr nicht mehr, die Rechnung wird sie bei den nächsten Wahlen präsentiert bekommen. Die Extremisten sowohl von Links als auch von Rechts punkten gerade, ohne etwas dafür tun zu müssen.
Immer mehr Menschen kehren den traditionellen Parteien den Rücken, so La Dernière Heure. Wenn sich der Vlaams Belang mit der N-VA zusammentun sollte, dann wird das Risiko, dass das Land in die Hände der Extremisten fällt, immer größer, so die Zeitung. Vor diesem Hintergrund sind die üblen politischen Erpressungen und der Kuhhandel im Konzertierungsausschuss, die einmal mehr wichtiger waren als das Wohl der Bevölkerung, umso gefährlicher. Einzelne Minister oder gar die gesamte Vivaldi-Regierung beschädigen zu wollen, indem jede einzelne Entscheidung infrage gestellt wird, ist ein sehr riskantes Spiel. Denn der Versuch, die ohnehin schon stark geschwächte Mehrheit zu destabilisieren, bedeutet auch, den Aasgeiern den Tisch zu decken, die schon in den Schatten warten, warnt La Dernière Heure.
Die Invasion der niederländischen "Lockdownmigranten"
Neben dem Fiasko für den Konzertierungsausschuss beschäftigt aber vor allem noch ein anderes Corona-Thema die Zeitungen: der massenhafte Andrang von Niederländern, die zum Einkaufen und Ausgehen nach Belgien und insbesondere nach Flandern beziehungsweise Antwerpen kommen, weil in ihrem eigenen Land ein strenger Lockdown herrscht.
Het Laatste Nieuws zeigt Verständnis: Wir sollten etwas Toleranz zeigen für die armen Niederländer. Zuhause gibt es nichts mehr zu erleben, was sollen sie denn während der Ferien sonst machen? Lassen wir sie also ruhig Geld in unsere Wirtschaft pumpen, die kann es weiß Gott gebrauchen! Dass die Niederländer massenhaft mehr Virus mitbringen, ist laut Marc Van Ranst auch nicht wirklich zu befürchten, denn die epidemiologische Situation ist dort auch nicht schlechter als hier, argumentiert Het Laatste Nieuws.
Es ist verlockend, die niederländischen "Lockdownmigranten" als unverantwortliche Egoisten zu sehen, schreibt De Morgen. Aber das wäre ein Zeichen für intellektuelle Faulheit. Menschen neigen nun mal ab und an dazu, sich eben wie Menschen zu benehmen. Natürlich sollten aus dieser Lockdownflucht Lehren für die Corona-Politik gezogen werden. Aber mit Menschen wie mit Kleinkindern zu schimpfen, gehört sicher nicht dazu. Im Gegenteil: Wenn wir sicher zur nächsten Phase des Corona-Krisenmanagements übergehen wollen, dann müssen die Menschen davon überzeugt werden, noch stärker individuell Verantwortung zu übernehmen, glaubt De Morgen.
Gazet van Antwerpen zeigt sich deutlich irritiert: Es ist schon seltsam, dass sich Nachbarländer nach fast zwei Jahren Pandemie noch immer nicht über Corona-Maßnahmen absprechen. Oder einander zumindest vorab informieren, was geplant ist. So macht der Lockdown in den Niederlanden überhaupt keinen Sinn. Und so werden die Schutzmaßnahmen in Belgien wertlos, wettert Gazet van Antwerpen.
Boris Schmidt
Lasst sie alle kommen,die Menschen aus den Ländern die den Lockdown haben,?sie können ja sonst nichts erleben?was Belgien mit den Entscheidungen unserer Politiker erleben wird steht sicher dann schon fest..das kleinste Land mit den meisten Absteckungen,den meisten Toten vielleicht,ja vielleicht schaffen wir es dann Mal ins Ginnessbuch der Rekorde?Wir sollen uns an alle Vorschriften halten und die Nachbarn dürfen Party machen,. Bitte endlich die Verantwortung den Virologen übergeben, unsere Politiker sind dazu nicht imstande.
Zitat aus dem Artikel
"...Entscheidungen müssen in Zukunft ausreichend begründet werden..."
Wenn eine Selbstständigkeit (das Begründen einer Entscheidung), über die man normalerweise nicht schwer spricht, nicht mehr selbstverständlich ist, dann sollten die Alarmglocken läuten. Dann geht es wirklich Richtung Willkürherrschaft. Dann sind unsere Entscheidungsträger auch nicht besser als Putin und Konsorten.