"Die Schulen bleiben offen", titeln Gazet van Antwerpen, Het Nieuwsblad und das GrenzEcho. "Die Schulen müssen offenbleiben", betont sogar Het Laatste Nieuws. Das jedenfalls ist die Meinung des flämischen Unterrichtsministers Ben Weyts.
Tauziehen um die Schulen
Einige flämische Zeitungen sehen in Ben Weyts den "Anführer" der Unterrichtsminister in der "Schlacht um die Schulen", wie es Het Nieuwsblad formuliert. Sein Gegenpart, das wäre demnach der föderale Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke. Der hatte stellvertretend für den Konzertierungsausschuss einschneidende Maßnahmen von den Unterrichtsministern verlangt, um das Infektionsgeschehen zu beruhigen. Die Unterrichtsminister schickten die heiße Kartoffel aber zurück zum Absender. Ihre Begründung: Warum sollten immer die Schulen neue Einschränkungen hinnehmen müssen? Es gibt ja auch noch andere Sektoren. "Die Schulen bleiben jedenfalls offen", waren sich die Unterrichtsminister einig. "Schulen, das Kräftemessen", schreibt denn auch Le Soir auf Seite eins. De Standaard ist etwas präziser: "Politischer Machtkampf rund um die Frage, ob die Schule offenbleiben können".
Einige Zeitungen haben offensichtlich genug von diesem Hin und Her. In den letzten Tagen war das Kommunikationschaos größer denn je, beklagt etwa sinngemäß Gazet van Antwerpen. Erst plädierte die N-VA für eine Öffnung der Terrassen; trotz steigender Zahlen und trotz der Tatsache, dass nicht mal der Horeca-Sektor selbst das verlangt. Gestern nannte der flämische Jugendminister Benjamin Dalle die beschlossene Verschärfung der Regeln für Jugendlager "ungerecht". Er scheint noch nicht verstanden zu haben, dass alle Entscheidungen, die getroffen werden, eine direkte Folge der Infektionslage und der Situation in den Krankenhäusern sind. Und jetzt proben auch noch die Unterrichtsminister den Aufstand. Währenddessen plädieren die Gesundheitsexperten für einen neuen, harten Lockdown. Es wäre an der Zeit, dass all die Minister, die dieses Land zählt, endlich nochmal an einem Strang ziehen. Ansonsten schlittern wir erst recht in die dritte Welle...
La Dernière Heure sieht das ähnlich. Die Zahlen steigen unaufhörlich. Einige Nachbarländer denken schon wieder über harte Lockdown-Maßnahmen nach. Und bei uns? Hier scheinen die noch verbleibenden Regeln inzwischen in Vergessenheit geraten zu sein. Die Beschränkungen auf einen Knuffelkontakt? Eine ferne Erinnerung. Ebenso wie die Homeoffice-Pflicht. Nur harte, entschlossene Maßnahmen können uns wieder auf den Boden der Tatsachen zurückbringen. Wie z.B. die Schließung der Schulen oder der nicht-unentbehrlichen Geschäfte. Ein Jahr nach Beginn des ersten Lockdowns haben wir schon den größten Teil des Weges zurückgelegt. Der schwierigste, der steht aber noch bevor: der Schlussanstieg vor der Ziellinie...
Die Opfer der Brüsseler Anschläge brauchen Würde, kein Mitleid
Vor allem die frankophonen Zeitungen stellen derweil einen traurigen Jahrestag in den Vordergrund. Heute vor genau fünf Jahren ereigneten sich die Brüsseler Anschläge; das war am 22. März 2016. Dabei wurden 32 Menschen getötet; knapp 340 weitere wurden verletzt. "Auch fünf Jahre später immer noch unter Schock", titelt L'Avenir. "Es gab damals zweifellos eine Reihe von gefährlichen Verrückten in Molenbeek; und niemand hat wirklich hingeschaut", bemerkt La Libre Belgique auf Seite eins. "In den letzten sechs Jahren wurden mehr als zehn Attentate vereitelt", konstatiert ihrerseits La Dernière Heure.
Seit fünf Jahren versuchen die Opfer der Anschläge verzweifelt, ins Leben zurückzufinden, meint L'Avenir. Viele von ihnen sind noch nicht zur Ruhe gekommen. Sie sind für den Rest ihres Lebens von den verheerenden Bombenexplosionen gezeichnet. Schuld daran ist aber auch der Staat, der die Opfer regelrecht im Stich gelassen hat. Schlimmer noch ist die Feststellung, dass die Behörden auch heute, bei einer vergleichbaren Katastrophe, nicht besser vorbereitet wären. Viele Empfehlungen der diversen Parlamentsausschüsse sind noch nicht wirklich umgesetzt worden.
"You'll never walk alone", "Du wirst nie alleine sein", das hatte man den Opfern und Hinterbliebenen damals versprochen, bemerkt auch Le Soir. Das sind im Wesentlichen leere Worte geblieben. Viele der Geschädigten haben fünf Jahre danach den Eindruck, ihren tagtäglichen Kampf im Großen und Ganzen allein ausfechten zu müssen. Der heutige Jahrestag darf sich denn auch nicht auf ein empathisches Gedenken beschränken. Vielmehr müssen wir uns die Frage stellen, ob wir wirklich angemessen auf die Tragödie reagiert haben.
Die Einzigen, die sich in dieser schrecklichen Geschichte vorbildlich verhalten haben, das sind die Opfer, ist La Libre Belgique überzeugt. Sie versuchen jeden Tag, das beste aus ihrem Schicksal zu machen, kämpfen sich zurück ins Leben. Niemand sinnt auf Rache, sie wollen nur Gerechtigkeit. Insofern wird der Prozess, der im September kommenden Jahres ansteht, wohl zu einem Schlüsselereignis für die Geschädigten. Die Opfer brauchen jedenfalls kein Mitleid, sondern vor allem Würde. Wenn man sie wirklich ehren will, dann muss man einfach nur die Empfehlungen des Parlaments umsetzen, das ja eben darauf hingewiesen hatte, wie unvorbereitet der Staat auf eine solche Tragödie war.
Die flämische SP.A ist jetzt "Vooruit"
Die meisten flämischen Leitartikler beschäftigen sich ihrerseits mit der seit gestern amtlichen Umbenennung der flämischen sozialistischen Partei SP.A in "Vooruit", was so viel wie "vorwärts" heißt.
Das ist mehr als nur eine Umbenennung, präzisiert Het Nieuwsblad. Zugleich soll die Partei auch zu einer "Bewegung" werden. Was auch immer das heißen soll. "Als Bewegung können wir auch Nicht-Mitglieder ansprechen", begründete der junge Vorsitzende Conner Rousseau die Entscheidung. Nun: Das kann man auch, ohne dass man dafür unbedingt eine Bewegung sein müsste. Im Moment kann man eigentlich noch nicht wirklich erkennen, wo da der Mehrwert sein soll.
Parallel dazu hat man doch gerade erst beschlossen, sich wieder die Räumlichkeiten mit der PS zu teilen, frotzelt Het Belang van Limburg. Insofern kann der Unterschied zwischen der frankophonen sozialistischen "Partei" und der neuen flämischen "Bewegung" nicht allzu groß sein.
Eine Partei zu "erneuern", das ist leichter gesagt als getan, so denn auch das Fazit von De Standaard. Die alten Strukturen sind hartnäckiger, als es dem selbst ernannten Erneuerer Rousseau lieb sein kann. Er will "dem Stillstand, der Versauerung, dem Egoismus ein Ende bereiten". Klar, dagegen kann man nichts haben. Nur stellt sich die Frage: "Warum ist das nicht längst passiert?" Man wird den Eindruck nicht los, dass es bei dieser Namensänderung der flämischen Sozialisten mehr um die Form als um den Inhalt geht.
Roger Pint