"Totales Chaos, aber -75-Prozent-Sale bei Brantano geht weiter", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins. "Ausverkauf - trotz Chaos öffnen die Brantano-Geschäfte heute wieder", titelt Gazet van Antwerpen. "Chaos - Limburger Brantanos bleiben Montag zu", so Het Belang van Limburg.
Dieses "Chaos" kritisiert Gazet van Antwerpen scharf. Kaum zwei Wochen vor Schulbeginn Rabatte von 75 Prozent auf alle Schuhe anzukündigen - für einen Samstag, und dann so gut wie keine Maßnahmen gegen den Ansturm zu ergreifen, ist inakzeptabel. Das dann noch als Erfolg zu verkaufen, obwohl zum Teil die Polizei anrücken musste und die Corona-Regeln nicht respektiert wurden, dafür muss man schon besonders dreist sein. Fast scheint es so, als ob für den Konkursverwalter Corona gar nicht existiert. Er findet es anscheinend auch normal, dass der Steuerzahler dafür blecht, dass der Ausverkauf sicher stattfinden kann. Ganz zu schweigen davon, dass das Personal, das danach ja gefeuert wird, auch total überrumpelt wurde. Alles egal, Hauptsache möglichst viele Schuhe in möglichst kurzer Zeit verkaufen. Die Gewerkschaften sind zurecht verärgert. Es ist auch ein Schlag ins Gesicht der Händler, die in Sicherheitsmaßnahmen investiert haben und die dafür sorgen, dass sich ihre Kunden an die Regeln halten, wettert Gazet van Antwerpen.
Eine breiige Angelegenheit
Das wichtigste Thema in den Leitartikeln ist aber die Regierungsbildung. Momentan werden einer Koalition aus Sozialisten, Liberalen, Grünen und Christdemokraten Chancen eingeräumt. Diese sogenannte Vivaldi-Koalition würde die N-VA außen vor lassen. Hierbei wird es aber vor allem auf die Positionierung der CD&V ankommen.
Der CD&V-Vorsitzende Joachim Coens öffnet vorsichtig die Tür für eine Vivaldi-Koalition, hält De Morgen fest. Dafür stellt er zwei Bedingungen: Er will, dass man bei den Ethik-Dossiers auf die Bremse tritt. Zum Beispiel bei der Reform des Abtreibungs- oder Euthanasie-Gesetzes. Und er fordert eine Perspektive für gemeinschaftspolitische Reformen. Aber es gibt eine Reihe von Bedenken, die man gegen so eine Regierung aus lila-grünen Parteien, angefüllt durch die Christdemokraten, haben kann. Dazu gehört, dass die Koalition keine Mehrheit in Flandern hätte. Und dass sie für die Liberalen vielleicht zu weit nach links rücken würde.
Und macht es für die Grünen Sinn, in einer Mannschaft mitzuspielen, die die Kernkraftwerke länger am Netz lassen will? Und werden die Sozialisten genauso viel herausschlagen können wie bei den Verhandlungen mit der N-VA? Die Gefahr besteht, dass das Programm einer solchen Regierung ein wenig kohärenter Brei wird. Ein Brei, in dem sich kein einziger Koalitionspartner wirklich wiederfindet. Aber die Zeit drängt. Das Land muss wieder auf die Schienen gesetzt werden. Die Corona-Krise und ihre wirtschaftlichen Folgen müssen bewältigt werden, erinnert De Morgen.
Neustart oder endgültiges Begräbnis?
Für Het Laatste Nieuws ist Lila-Grün ein Angebot aus Schwäche. Es ist aber das, was übrig bleibt in einer Politik-Landschaft, in der die Gewinner Parteien sind, mit denen niemand regieren will. Aber welches gesellschaftliche Projekt wollen Grün und Blau dem Land anbieten? Das ist die 50 Milliarden Euro-Frage. So viel kann die Corona-Krise Belgien nämlich vielleicht kosten. Und ist Lila-Grün ein Neustart für die Open VLD oder das endgültige Begräbnis? Wenn man Lachaert schafft, eine Regierung auf die Beine zu stellen, die Zusammenhalt und Führungsstärke zeigt, kann der Wähler so ein lila-grünes Experiment belohnen. Wenn es aber eine wankelmütige und sich ständig streitende Regierung wird, dann werden Lachaert und seine Open VLD die Quittung dafür bekommen, warnt Het Laatste Nieuws.
Für Het Nieuwsblad steht Egbert Lachaert vor einem tieferen Morast, als alle Beauftragten vor ihm. Der N-VA-Vorsitzende Bart De Wever feuert aus allen Rohren, und die CD&V ist immer noch unschlüssig und will mehr Bedenkzeit. Aber genau daran mangelt es: Zeit. Schon am Freitag muss Lachaert dem König Bericht erstatten. Danach bleiben Lachaert weniger als drei Wochen, um dem Parlament eine Regierung vorzustellen. Zumindest, wenn sich die Parteien an ihr Versprechen halten, Mitte September mit einer vollwertigen Regierung in das neue politische Jahr zu starten. Es sei denn natürlich, es findet sich wieder ein Vorwand, um auch diese Deadline schamlos über Bord zu werfen. Das Schlimme: Es gibt noch immer keine definitive Marschrichtung, beklagt Het Nieuwsblad.
Omertà und Korpsgeist
La Dernière Heure kommt in ihrem Leitartikel auf den Tod von Jozef Chovanec in einer Arrestzelle am Flughafen Charleroi zurück. Zwei Jahre nach dem Vorfall stellt man fest, dass bei der Föderalpolizei eine gewisse Omertà herrscht. Ein Gesetz des Schweigens wie bei der Mafia. Wenn die Medien nicht das Video des qualvollen Todes von Chovanec verbreitet hätten, hätte sich niemand für das Schicksal des Mannes interessiert. Und genauso wenig hätte sich jemand über den Hitler-Gruß der jungen Polizistin aufgeregt.
Das Problem ist der Korpsgeist. Er führt dazu, dass problematische Vorfälle unter den Teppich gekehrt werden und dass Polizisten Angst haben, Fehlverhalten ihrer Kollegen zu melden. Das muss aufhören! Auch viele Polizisten sind jetzt wieder schockiert, schadet diese x-te Affäre doch auch wieder dem Ansehen dieser essentiellen Institution. Die Polizei muss aufhören nach dem "Wo kein Kläger, da kein Richter"-Prinzip der Unterwelt zu handeln, fordert La Dernière Heure.
Boris Schmidt