"Die Zahl der Infektionen wird sich jeden Tag verdoppeln", so die leicht beunruhigende Schlagzeile von Het Laatste Nieuws. "Coronavirus - es gibt Anlass zum Optimismus", titelt aber La Dernière Heure.
Licht und Schatten also an der Corona-Front. Het Laatste Nieuws hat mit dem renommierten Virologen Marc Van Ranst gesprochen. Am Donnerstag hat sich ja die Zahl der in Belgien registrierten Infektionen mehr oder weniger verdoppelt. "Das entspricht aber den Erwartungen", sagt Van Ranst. In der jetzigen Phase sei es üblich, dass sich die Zahlen verdoppeln. Bis irgendwann dann ein Scheitelpunkt erreicht wird. Wann das sein wird, das kann man aber nicht vorhersagen. Im Normalfall ist ein solches Virus mehr oder weniger neun Wochen lang aktiv.
La Dernière Heure sieht sechs gute Gründe, um Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Die beiden vielleicht wichtigsten: Erstens: Das Virus an sich ist recht empfindlich - Trockenheit, Wärme und Sonneneinstrahlung töten es schnell ab. Und zweitens: Im Moment werden schon Prototypen von Wirkstoffen gegen Covid-19 getestet.
"Behandelt Corona-Infizierte nicht wie Aussätzige", appelliert Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel. Nicht immer, aber punktuell sind deutlich Anzeichen einer Hysterie zu beobachten. Das mag verstärkt werden durch den Eindruck, dass die Regierung zuweilen doch zu gelassen mit der Problematik umzugehen scheint. Das sorgt dafür, dass Schutzmasken und Desinfektionsgel gehamstert werden. Auch ist auffällig, dass Infizierte, wenn überhaupt, dann nur anonym in der Presse auftreten. Wobei: Hierzulande hält sich die Hysterie glücklicherweise noch in Grenzen. Das muss auch so bleiben, auch im Sinne der Betroffenen.
Auch die Wirtschaft ist unter Druck
Abgesehen von den rein medizinischen Herausforderungen hat die Epidemie aber auch Auswirkungen auf die Wirtschaft. Ein Beispiel steht auf Seite eins von Het Nieuwsblad: "Brussels Airlines streicht ein Viertel seiner innereuropäischen Flüge". Die Corona-Epidemie setzt insbesondere die Luftfahrtbranche unter massiven Druck. Viele Flugzeuge sind bestenfalls halb ausgelastet. Vor diesem Hintergrund sah sich die belgische Fluggesellschaft Brussels Airlines dazu gezwungen, durchschnittlich 20 Flüge pro Tag zu streichen. Unter den mehr als 4.000 Beschäftigten macht sich Besorgnis breit. Einige Airlines stehen schon am Abgrund beziehungsweise sind schon über die Klippe gegangen. Die britische Fluggesellschaft Flybe hat am Donnerstag Konkurs angemeldet. Die Krise kann den Umsatz der Luftfahrtbranche weltweit um mehr als 110 Milliarden Dollar einbrechen lassen, sagt ein Experte in De Standaard.
"Die Regierung ergreift Maßnahmen zur Entlastung der Unternehmen und Selbstständigen", schreibt sinngemäß De Tijd auf ihrer Titelseite. Am Freitag soll der Ministerrat ein entsprechendes Maßnahmenpaket verabschieden. Dabei geht es unter anderem um Möglichkeiten, die Zahlungen von Steuern oder Sozialbeiträgen zeitweilig auszusetzen beziehungsweise zu verschieben.
Eine Notregierung tut not
All das mag ein Indiz dafür sein, wie dringend das Land eine handlungsfähige Regierung braucht. In den letzten Tagen geisterten Meldungen durch die Presse, wonach die beiden königlichen Beauftragten Sabine Laruelle und Patrick Dewael an einer Notregierung arbeiteten. Diese Hoffnung scheint sich aber abgekühlt zu haben. "Die Notregierung kommt nicht aus den Startlöchern", schreibt De Tijd auf ihrer Titelseite.
Dabei ist der Ansatz von Laruelle und Dewael gar nicht so verkehrt, meint De Standaard in seinem Leitartikel. Der Plan ist der folgende: Man nehme die heutige geschäftsführende Regierung und ergänze sie um die Sozialisten und Grünen. Damit nimmt man die CD&V in die Zange: Die Christdemokraten sind ja schließlich Teil des amtierenden Kabinetts um Premierministerin Sophie Wilmès. Die CD&V wäre also in einem solchen Szenario eigentlich indirekt erstmal "dabei". Eine kluge Strategie. Allerdings: So eine Notregierung ist auch nicht der Weisheit letzter Schluss. Eine solche Equipe braucht ein konkretes Ziel. Man kann nicht einen Haushalt sanieren, wenn man nicht weiß, wo die Reise hingehen soll. Budgetäre Entscheidungen haben ja immer einen zutiefst politischen, weil wegweisenden Charakter. Andererseits muss man zugeben: Viele andere Alternativen gibt es nicht.
Het Belang van Limburg sieht das ähnlich: Selbst wenn die CD&V davon überzeugt werden kann, aus dem bereits fahrenden Zug nicht auszusteigen, kann eine solche Notregierung schnell ins Schlingern geraten. Es wäre eine Equipe ohne konkretes Projekt. Wie geht man dann um mit Themen wie dem Tax-Shift, der Klimapolitik oder dem Atomausstieg? Diese Notregierung wäre schnell eine Regierung in Not.
Für Le Soir ist die Dringlichkeit längst eine Tatsache. Die Bekämpfung des Coronavirus oder des Haushaltslochs sind bestimmt gute Gründe, jetzt einen Gang höher zu schalten. Aber wenn wir ehrlich sind: Wir brauchen längst eine handlungsfähige Regierung. DIE Herausforderung der Zukunft, das ist nämlich der Klimawandel. Und hier ist bislang viel zu wenig passiert.
Zeit wurde gekauft, aber nicht genutzt
Einige Zeitungen blicken in den Nahen Osten: "Putin und Erdogan glätten die Wogen", schreiben L'Echo und De Standaard auf Seite eins. Russland und die Türkei haben sich ja auf einen Waffenstillstand in der Region um die nordsyrische Stadt Idlib verständigt. De Morgen scheint eher pessimistisch zu sein: "Die Waffen schweigen, aber wie lange?", fragt sich das Blatt.
Der Händedruck zwischen Putin und Erdogan wirkte irgendwie so, als hätten zwei Mafiapaten gerade einen Bandenkrieg beendet, findet Het Nieuwsblad. Da standen in jedem Fall zwei Zyniker vor den Kameras, die auch außenpolitisch über Leichen gehen. Die Türkei etwa setzt Europa unter Druck, indem man Tausende Flüchtlinge in Richtung der Grenze mit Griechenland schickt. Während Moskau und Ankara um die Macht pokern, hört man von der EU lediglich Sätze wie: "Wir stehen an der Seite der Griechen". Diese Geschichte zeigt in jedem Fall eindrucksvoll, wie wenig die EU aus der Flüchtlingskrise von 2015 gelernt hat.
De Tijd sieht das genauso: Die Eskalation an der griechisch-türkischen Grenze hat ihren Ursprung darin, dass die EU viel zu lange eine komfortable Zuschauerposition eingenommen hat. Durch den Flüchtlingsdeal mit Erdogan hatte man sich Zeit gekauft, die man leider nicht genutzt hat. Eine gemeinsame Flüchtlingspolitik, die diesen Namen verdient, die gibt es immer noch nicht. Und die EU wird auch nicht daran vorbeikommen, das matschige geopolitische Terrain zu betreten. Nicht, weil das Spaß macht, sondern weil es nötig ist, weil man sich eben seine Nachbarn nicht aussuchen kann.
Roger Pint