"Chaos rund um die Fußballrechte", titelt Het Nieuwsblad in großen Buchstaben auf seiner Titelseite. L'Echo formuliert es etwas vornehmer: "Verwirrung um die Übertragungsrechte für die Profi-Liga".
Die Neuvergabe der Erstrechte für die TV-Übertragungen von Spielen der Profi-Liga hat für ein nie dagewesenes Durcheinander gesorgt. Die bisherigen Rechteinhaber Proximus, Telenet und Voo wurden ausgestochen: Der Sender "Eleven Sports" legt 103 Millionen Euro auf den Tisch und sichert sich damit die Rechte bis 2025. Das ist absoluter Rekord. "103 Millionen für den mehr denn je gespaltenen belgischen Fußball", schreibt Le Soir auf Seite eins. Denn es ist so: Dieses Geld soll nun unter den 24 Profi-Clubs verteilt werden. Da gibt es nur ein Problem: Zwei von ihnen lehnen den Deal ab. Der Bruch wurde bei der gestrigen Verwaltungsratssitzung der Pro League quasi amtlich. Konkret geht es um die Vereine AA Gent und FC Antwerpen. Nach dem derzeitigen Stand würden beide Clubs also ihre TV-Rechte individuell vermarkten. Das ist also eine regelrechte Bombe: "Die Pro League wurde ausgehöhlt", so formuliert es Het Laatste Nieuws auf seiner Titelseite.
Der Wille, das Porzellan zu kitten, ist noch da
Der Profi-Fußball war noch nie so gespalten, so die Analyse im Sportteil von Het Laatste Nieuws. Gent und Antwerpen nehmen die Pro League als Geisel, genauer gesagt die 103 Millionen, die die Pro League einsacken könnte. Hier geht es nicht nur um die beiden Abweichler Gent und Antwerpen. Auch andere Top-Clubs wie Anderlecht, Standard Lüttich und Club Brügge gehen immer wieder eigene Wege. Das große Ganze hat niemand mehr im Blick. Der belgische Fußball torkelt kopflos umher.
Solidarität in unserem Profi-Fußball ist ein großes Wort, meint auch Het Nieuwsblad. Das wussten wir allerdings schon. Jetzt hat das Ganze aber eine neue Dimension erreicht. Jetzt herrscht das Misstrauen, so mancher würde sogar von Paranoia sprechen. Das kann nicht so bleiben. Mit allen Mitteln muss versucht werden, AA Gent und FC Antwerpen wieder ins Boot zu hieven. Zwar sind am Mittwoch harte Worte gefallen. Anscheinend gibt es aber noch den Willen, das Porzellan wieder zu kitten. Zum Glück!
"Flämisches Netflix"
"Es wird ein teurer Herbst für den flämischen Fernsehzuschauer", so jedenfalls die Schlagzeile von De Standaard. Gemeint ist damit aber nicht nur der Fußball. Hinzu kommt nämlich: Auch in der flämischen Fernsehlandschaft gibt es eine neue, fast spektakuläre Entwicklung. De Tijd bringt es auf den Punkt: "Die flämischen TV-Rivalen bündeln ihre Kräfte im Kampf gegen Netflix". Konkret: Der Telekomanbieter Telenet und DPG, also die Muttergesellschaft des Privatsenders VTM, haben sich zusammengeschlossen, um gemeinsam einen Streaming-Dienst anzubieten. Das wäre dann tatsächlich so eine Art "flämisches Netflix". Das bedeutet aber zugleich, dass der Zuschauer jetzt für die Medieninhalte bezahlt. Bislang war VTM ja frei zugänglich und finanzierte sich ausschließlich über Werbung. Auf der neuen Streaming-Plattform kann man dagegen gegen Bezahlung "on demand", also wann man will, Filme oder Serien anschauen.
Was wir hier sehen, das ist wohl ein logischer Schritt, meint sinngemäß De Standaard. "Lineares" Fernsehen, so wie wir es bisher kannten, das ist ein Auslaufmodell. Und entsprechend waren die Werbeeinnahmen in den letzten Jahren dramatisch eingebrochen. Um nicht vollkommen plattgewalzt zu werden, musste die flämische Medienlandschaft reagieren. Das Ganze ist aber nicht ohne Risiko. Wenn auch noch die VRT aufspringt, dann entsteht hier am Ende vielleicht ein Monopol. Mit dem Resultat, dass der Zuschauer am Ende mehr bezahlt für weniger Auswahl.
De Tijd sieht das ähnlich: Die flämischen Medienanbieter hatten keine Wahl. Sie mussten ihre Kräfte bündeln, um überhaupt noch eine Überlebenschance zu haben. Denn: Ein Laden mit leeren Regalen zieht keine Kunden an. Entsprechend wäre es auch wünschenswert, wenn die VRT auf den Zug aufspringen würde. Das wird aber nicht ohne tiefgreifende Umwälzungen möglich sein. Für die öffentlich-rechtliche VRT gelten im Moment noch andere Regeln, als für die kommerziellen Sender. Das ist auf Dauer nicht haltbar.
Warum haben wir eigentlich so viel Zeit vergeudet?
Einige Blätter beschäftigen sich auch heute wieder mit der innenpolitischen Krise. Bemerkenswerte Schlagzeile dazu auf Seite eins von De Standaard: "Die N-VA-Bürgermeister lehnen eine Regierung mit der PS nicht grundsätzlich ab". Das ist das Ergebnis einer Befragung, die die Zeitung selbst durchgeführt hat. Man wollte schlichtweg wissen, wie die Basis der flämischen Nationalisten-Partei tickt. Fazit also: De Wever bekäme lokale Unterstützung für einen Deal mit der PS.
La Libre Belgique ist ihrerseits inzwischen mehr als pessimistisch. Blockade allerorten: Die PS will nicht mit der N-VA. Ecolo auch nicht. DéFI noch weniger. Die N-VA würde ihrerseits in tausend Jahren nicht mit den Grünen regieren. Die CD&V wird die N-VA nie loslassen - nach dem Motto: Um glücklich zu leben, lebt man am besten versteckt, um nicht zu sagen geduckt. Und so weiter und so fort. Warum haben wir eigentlich so viel Zeit vergeudet, um am Ende in einer solchen Sackgasse zu landen? Niemand will Neuwahlen und doch preschen wir im Schweinsgalopp darauf zu. Um dann nach der Wahl, die die Extremisten gewinnen werden, wieder mit denselben Leuten weitermachen zu müssen, mit den Magnettes, DeWevers, Bouchez' und Co.
Het Nieuwsblad scheint genau hier anzusetzen: Insbesondere auf frankophoner Seite scheint man sich schon auf Neuwahlen einzustellen. Und es dürfte wohl nicht mehr lange dauern, bis auch die Flamen zu dem Schluss kommen, dass ein neuer Urnengang unvermeidlich ist. Neuwahlen machen aber nur dann Sinn, wenn es dann auch um die Zukunft des Landes geht. Ansonsten besteht die Gefahr, dass wir nach der Wahl im gleichen Morast stecken werden, wie vor der Wahl.
Roger Pint