"Millionen Menschen gehen weltweit für das Klima auf die Straße", schreibt Gazet van Antwerpen auf Seite eins. "15.000 Demonstranten haben in Brüssel die zweite Runde der Klimamärsche eingeläutet", so die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws. De Morgen fasst zusammen: "15.000 in Brüssel, Millionen weltweit".
Am Freitag haben sich die Klimademonstranten zurückgemeldet. Im Rahmen eines weltweiten Aktionstages wurde in rund 150 Ländern für eine entschlossenere Klimaschutzpolitik demonstriert. Die belgische Sektion von "Youth for Climate" sprach von der "zweiten Staffel". Die Schüler und Studenten wollen ab jetzt einmal pro Monat auf die Straße gehen, und das nicht mehr donnerstags, sondern freitags.
"Die Zahlen sprechen für sich", meint Le Soir in seinem Leitartikel. 95.000 Demonstranten Anfang Dezember 2018. 75.000 im Januar 2019. Und jetzt waren es wieder bis zu 20.000 Menschen, die für den Klimaschutz demonstriert haben. Seit Monaten plädieren diese Menschen für eine entschlossenere Klimaschutzpolitik, die diesen Namen auch wirklich verdient. Gehör finden sie allerdings wenig. Hier gilt häufig: zu wenig, zu spät. Die Politik ist hier nach wie vor gefordert. Ob sie den Erwartungen gerecht werden kann, darf aber bezweifelt werden.
Halbgare Maßnahmen werden nicht reichen
Für das Klima zu demonstrieren, das ist kein Hype, keine reine Modeerscheinung, meint auch De Morgen. Das Engagement insbesondere der Jugendlichen ist jedenfalls ungebrochen. Und es ist nicht, weil Groen seinen Wahlkampf grandios vergeigt hat, dass die anderen Parteien jetzt den Klimaschutz wieder auf die lange Bank schieben dürfen. Die politischen Entscheidungsträger haben am Freitag einmal mehr ein deutliches Signal bekommen. Halbgare Maßnahmen werden nicht reichen.
De Tijd will ihrerseits jetzt neben all den berechtigten Forderungen auch mal Pragmatismus sehen. In der, nennen wir es mal, "ersten Staffel" haben die überwiegend jungen Demonstranten ihr Herz sprechen lassen. Und man darf wohl erwarten, dass wir in der zweiten Staffel auch bekannte Bilder sehen werden. Man würde sich aber auch einen neuen Dreh wünschen: mehr Pragmatismus eben. Es ist beispielsweise schwer ersichtlich, wie man große Windkraftanlagen bauen kann ohne die Wirtschaftskraft internationaler Konzerne. Saubere Technologien müssen auch erst von finanzkräftigen Unternehmen entwickelt werden. Nach dem Herz muss jetzt auch einmal der Verstand sprechen.
Das GrenzEcho sorgt sich seinerseits um die anscheinend zunehmende Radikalisierung der Klimabewegung: Die Klimabewegung wurde zum Teil von Extremisten unterwandert. Einer sagt etwa schon einen "immensen Klimakrieg" voraus. Andere scheinen auch vor Gewalt nicht mehr zurückzuschrecken. Es ist nichts Neues, dass friedliche Protestbewegungen von radikalen Kräften unterlaufen werden. Niemand braucht aber Krieg auf den Straßen. Am wenigstens das Klima.
"Wie dämlich kann man sein als CEO?"
"Dominique Leroy hatte schon im Juni ein Gespräch mit KPN", schreibt Het Laatste Nieuws auf Seite eins. Auch andere Zeitungen greifen die Meldung auf, die ursprünglich von der niederländischen Zeitung NRC veröffentlicht worden war. Diese Information könnte den Vorwurf des Insiderhandels gegen die jetzt ehemalige Proximus-Geschäftsführerin untermauern. Dominique Leroy hatte ja Anfang August noch Proximus-Aktien verkauft. Wenn sie damals schon wusste, dass sie den Betrieb verlassen würde, dann wusste sie - zum Zeitpunkt des Verkaufs der Aktien - mehr als die Märkte. Das entspräche eben dem Tatbestand des Insiderhandels. "Leroy gerät jetzt auch in den Niederlanden unter Beschuss", kann jedenfalls De Morgen nur feststellen. Die neuerlichen Negativschlagzeilen sorgen für Unruhe unter den KPN-Aktionären. Es werden Stimmen laut, dass man bei KPN eine Geschäftsführerin brauche, gegen die nicht ermittelt werde.
"Wie dämlich kann man sein als CEO?", giftet Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel. Warum musste Dominique Leroy noch schnell ihre Proximus-Aktien verkaufen? Aus heutiger Sicht hat ihr die Transaktion, dadurch, dass sie im August abgewickelt wurde, gerade einmal einen Mehrwert von 6.000 Euro beschert. Bei einem Jahresgehalt von knapp einer Million sind das Peanuts. Warum geht man dafür ein solches Risiko ein? Und jetzt wird auch noch bekannt, dass die Gespräche mit KPN schon seit Juni liefen. Am Ende muss man sich nicht wundern, wenn sich die Niederländer Fragen über ihr Urteilsvermögen stellen.
"Lüttich an der Wolga"
Die frankophonen Zeitungen beschäftigen sich derweil nach wie vor mit der unendlichen Nethys-Geschichte. Im Mittelpunkt steht heute der Lütticher Industrielle François Fornieri. La Libre Belgique bringt ein Porträt von Fornieri und nennt ihn einen "schillernden Selfmademan".
Fornieri ist der Gründer des Pharmakonzerns Mithra. Er sitzt aber auch im Aufsichtsrat von Nethys. Pikant ist: Nethys verkauft einer Firma von Fornieri zwei Unternehmensteile, nämlich die Gesellschaften Win und Elicio. Da sehen Kritiker einen eindeutigen Interessenskonflikt. "Die ganze Sache geht mir langsam auf den Wecker", reagiert Fornieri auf Seite eins von L'Echo. Le Soir sieht ihn derweil in der Defensive: "Für Fornieri gilt eine Sturmwarnung", schreibt das Blatt.
"Lüttich an der Wolga", so das krachende Fazit von L'Echo in seinem Leitartikel. Drei Jahre nach Beginn der Publifin-Affäre erlebt die Wallonie ihre dunkelsten Stunden. Hier muss man nicht vier Mal um den Brei herumreden: Es ist die Pflicht der neuen wallonischen Regierung, diese Schmierenkomödie schleunigst zu beenden. Wir schreiben das Jahr 2019. Und in Lüttich scheint man immer noch zu vergessen, dass Nethys nicht den Nethys-Managern gehört, sondern den 1,1 Millionen Bürgern der Provinz Lüttich und der angeschlossenen Gemeinden. Die sind nämlich am Ende die großen Verlierer. Und die Wallonie wirkt hier mehr wie eine alte Sowjetrepublik als eine Region im Aufbruch.
Le Soir bringt schließlich heute eine Info, die insbesondere in Ostbelgien aufhorchen lassen dürfte. Wie die Brüsseler Zeitung berichtet, soll die PFF-Präsidentin und Kammerabgeordnete Kattrin Jadin im Gespräch sein für die Nachfolge von Charles Michel als MR-Vorsitzendem. Das GrenzEcho übernimmt ebenfalls die Meldung der Schwesterzeitung. Jadin wäre laut Le Soir jedenfalls eine gute Konsenskandidatin, um die innerparteilichen Spannungen zu glätten. Sie selbst wollte sich nicht zu den Gerüchten äußern.
Roger Pint