"Der Coup von Boris", titelt Het Nieuwsblad. "Der gefährliche Coup de force von Boris Johnson", so die Schlagzeile von La Libre Belgique. "Coup de force von Boris Johnson: Das Parlament wird aus dem Spiel genommen", schreibt L'Echo auf Seite eins. "Johnson verübt einen sehr britischen Coup", so formuliert es De Morgen.
Das Wort "Coup" steht heute in vielen Zeitungen. Manchmal liest man auch den Begriff "Putsch". Der neue britische Premierminister Boris Johnson hat am Mittwoch Freund und Feind überrascht, als er dem Parlament eine Zwangspause auferlegte. Grob zusammengefasst bleibt das Unterhaus quasi bis zum 14. Oktober geschlossen. Und das ausgerechnet jetzt, wo doch die Uhr tickt: Am 31. Oktober soll ja Großbritannien die EU verlassen. Nicht nur die Opposition wirft Boris Johnson vor, dass er das Parlament mundtot machen will, um den von ihm gewollten "No deal" durchdrücken zu können. Genau das schreibt auch De Tijd auf Seite eins. De Standaard formuliert es drastischer: "Johnson setzt alles aufs Spiel für einen harten Brexit". Die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws klingt fast schon wie ein Zitat von Shakespeare: "Der Brexit wird hart sein oder nicht sein."
"Das Endspiel hat begonnen", glaubt De Tijd in ihrem Leitartikel. Es ist etwas noch nie Dagewesenes, dass in einer parlamentarischen Demokratie das Parlament derartig ins Abseits gestellt wird. Wobei man zugeben muss, dass eben dieses Parlament in den letzten Jahren auch nicht wirklich bewiesen hat, dass es brauchbare Mehrheiten für was auch immer liefern kann. Nichtsdestotrotz, was jetzt passiert, ist eine Schande. Es ist offensichtlich, dass Johnson das Parlament knebeln will - und das ausgerechnet in dieser heiklen Phase. Der Brexit hat aus der britischen Politik ein Schlachtfeld gemacht.
"A shocking shutdown", meint La Libre Belgique in der Sprache von Boris Johnson: Das Parlament einfach zu schließen, ist schockierend. Der platinblonde Populist will damit den Abgeordneten schlichtweg die Möglichkeit nehmen, noch rechtzeitig gesetzliche Maßnahmen zu ergreifen, die seine Strategie für einen harten Brexit konterkarieren könnten. Die gesetzgeberische Macht daran zu hindern, ihre Arbeit zu tun, das ist einfach nur unwürdig. Dieser Akt beweist, dass diese Mehrheit bereit ist, alles zu tun, um die wahre Mehrheit zum Schweigen zu bringen. Die nämlich, die gegen einen "No deal" ist. Was für eine unglaubliche Feigheit!
Diese brutale Machtpolitik ist nur der Beweis der eigenen Schwäche, findet auch De Standaard. Aus Sicht von Boris Johnson mag der Coup ja noch nachvollziehbar sein: Er will vermeiden, dass seine Strategie torpediert wird und gibt jetzt eine klare Richtung vor. Seine Gegner zum Schweigen zu bringen, weil man sie nicht mit Argumenten überzeugen kann, das ist allerdings eine wenig elegante Art und Weise, Politik zu machen. Mehr noch: Sein Schachzug ist eigentlich nur eine Einladung für seine Gegner, jetzt mit allen Mitteln zurückzuschlagen.
"König Boris I."
"Boris Johnson greift zur ultimativen Waffe", notiert derweil das GrenzEcho in seinem Kommentar. Boris Johnson riskiert die Verfassungskrise, um sicherzustellen, dass Großbritannien die EU am 31. Oktober auch wirklich verlässt. Wahrscheinlich ohne Deal. Mit seinem riskanten Vorhaben geht er ein hohes Wagnis ein, rüttelt er doch an uralten Traditionen. Jetzt wird es interessant sein, zu beobachten, was sich das Unterhaus einfallen lassen wird, und ob sich Einigkeit herauskristallisiert, um Johnson durch ein Misstrauensvotum zu stürzen. Die Folge wären vorgezogene Neuwahlen und dadurch könnten die Karten in London neu gemischt werden, auch in Sachen Brexit.
Für Het Nieuwsblad geht es bei alledem nur um die Person Boris Johnson. Ihm geht es nicht um das Wohl der Briten oder des Landes. Johnson hat allein seinen Machterhalt vor Augen. Er riskiert ganz bewusst ein Misstrauensvotum und anschließende Neuwahlen. Denn er weiß, dass er sie gewinnen wird: Wer für den Brexit ist, wird sich hinter ihn scharen. Seine Gegner sind hingegen zersplittert. Teile und herrsche. Anscheinend wollte Boris Johnson schon als Kind König von Großbritannien werden. Jetzt will er sich krönen lassen: König Boris I., jemand, der mit der Zukunft eines ganzen Landes spielt, und dafür sogar die Demokratie aushöhlt - und das alles nur zum eigenen Vorteil, ein solcher Mensch ist ein gefährlicher Narzisst.
Eigenständigkeit muss man sich verdienen
Bedrohliche Schlagzeile derweil auf Seite eins von L'Echo und De Tijd: "Bei Brussels Airlines stehen harte Sparmaßnahmen ins Haus", schreiben beide Wirtschaftsblätter. Demnach muss die belgische Fluggesellschaft ihre Kosten um bis zu zwölf Prozent drücken.
Eigenständigkeit muss man sich verdienen, gibt L'Echo in seinem Leitartikel zu bedenken. Brussels Airlines hatte sich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, in Eurowings aufzugehen, also der Billigflugsparte der Lufthansa. Lufthansa hat diesen Appell gehört. Nur ist es auch legitim, dass der Alleinaktionär von seiner Tochtergesellschaft ein gewisses Maß an Rentabilität verlangt. Und die Zahlen beweisen, dass da bei Brussels Airlines noch Luft nach oben ist.
Aber gerne!
Einige Zeitungen schließlich beschäftigen sich mit den Plänen der Brüsseler Regierung zur Einführung einer City-Maut. Das hatte insbesondere in Flandern einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Het Laatste Nieuws und De Morgen bringen aber gleichermaßen Verständnis auf für die Haltung der Hauptstädter. Es ist nachvollziehbar, dass Brüssel nicht mehr länger darauf warten will, bis sich Flandern und die Wallonie endlich zu einer Kilometerabgabe durchringen können. Statt auf Brüssel einzuprügeln, sollten die beiden anderen Regionen lieber unter Hochdruck ebenfalls an neuen Verkehrskonzepten arbeiten.
Brüssel mag längst kein Vorbild für gute Regierungsführung sein, meint Het Laatste Nieuws. Dass die Hauptstadt aber immer öfter eine Vorreiterrolle einnehmen will, im vorliegenden Fall mit der City-Maut, da kann man nur sagen: Aber gerne!
Roger Pint