"Angela Merkel spricht mit Boris Johnson, allein der Form halber", schreibt Het Laatste Nieuws auf Seite eins. "Johnson findet wenig Brexit-Gehör bei Merkel", so die Schlagzeile von De Tijd. "Merkel und Johnson haben nichts, worauf sie anstoßen könnten", bemerkt Het Nieuwsblad.
Lösung für den Backstop mit 30 Tagen-Frist
Der neue britische Premierminister Boris Johnson war auf seiner Tour durch die wichtigsten europäischen Hauptstädte am Mittwoch in Berlin zu Gast. Bei seinem Antrittsbesuch bei der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel wollte Johnson um Zugeständnisse werben im Hinblick auf den Brexit. Bei Merkel biss Johnson aber weitgehend auf Granit.
Allein L'Echo will ein Zugeständnis gesehen haben: "Merkel macht eine Geste in Richtung von Boris Johnson", schreibt das Blatt auf Seite eins. Angela Merkel hatte erklärt, dass der so genannte Backstop überflüssig würde, wenn man innerhalb von 30 Tagen eine andere Lösung für die Grenze zwischen Irland und Großbritannien findet. Die Frage ist allerdings, ob es eine solche Alternative überhaupt gibt.
Der Mythos des anonymen Hetzers
"Rassismus im Internet: doppelt so viele Anzeigen", so derweil die Aufmachergeschichte von Le Soir. Beim Zentrum für Chancengleichheit und Rassismusbekämpfung Unia sind im ersten Halbjahr 2019 740 Meldungen über Rassismus oder Volksverhetzung im Netz eingegangen. Die Zahl liegt doppelt so hoch wie im Vergleichszeitraum 2018.
Ursache ist laut Unia allein der Wahlkampf, der ja die ersten Monate des Jahres bestimmt hat. Bemerkenswert ist dabei, dass 80 Prozent der Anzeigen sich gegen Personen richten, die sich im Internet unter ihrem wirklichen Namen geäußert hatten. Dass Rassismus oder Volksverhetzung ausschließlich von anonymen Accounts verbreitet wird, ist also ein Mythos, bemerkt Le Soir sinngemäß.
Wo bleibt der Sinn für den Staat?
Innenpolitisch richten sich immer noch viele Augen auf die N-VA und insbesondere auf die PS. Nach wie vor kommen ja keine Gespräche zwischen den beiden größten Parteien des Landes zustande. "Wo ist da der Sinn für den Staat?", fragt sich La Libre Belgique und wendet sich dabei in erster Linie an die PS. Inzwischen stehen die Flamen unter dem roten Balkon Schlange, um die PS zu bezirzen, sich doch endlich mit der N-VA an einen Tisch zu setzen.
Sind die frankophonen Sozialisten denn so schwach, dass sie nicht einmal mehr mit den flämischen Nationalisten reden können? Oder ist das vielleicht eine Strategie? Vielleicht will ja die PS nur den Preis hochtreiben. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass die PS im Moment keinen Plan hat, innerlich zerrissen ist. Man kann seinem Schicksal aber nicht entkommen, indem man die Augen verschließt. Sich Verhandlungen zu verweigern, sorgt nur dafür, dass sich die Gegenseite radikalisiert. Letztlich ist die Haltung der PS in jedem Fall ein Armutszeugnis.
Neuwahlen könnten eine "Lawine" auslösen
In diesem Zusammenhang taucht auch immer wieder die Frage auf, ob Neuwahlen nicht die Lösung wären. Am Mittwoch hatte die Zeitung Le Soir sogar schon einen möglichen Termin genannt: Januar oder Februar 2020. Dass man solche Töne vor allem bei der PS hört, ist kein Zufall, glaubt Het Nieuwsblad. Verschiedene frankophone Sozialisten glauben, dass der Zeitpunkt günstig wäre. Jetzt oder nie könnte man den Aufstieg der marxistischen PTB stoppen, glauben die roten Strategen. Und ganz nebenbei ist es denkbar, dass der Vlaams Belang in Flandern die N-VA weiter schwächt.
Aus Sicht der PS ist einem solchen Szenario also durchaus etwas abzugewinnen. Es ist wie ein Schneeball auf einem Berg: Wenn man den nicht zeitig stoppt, dann kann er zu einer Lawine werden. Nur sind Lawinen von Natur aus gefährlich. Das scheint man bei den Sozialisten zu vergessen.
Zynisches Spiel der PS
Neuwahlen, das wird so ein bisschen zum Monster von Loch Ness der belgischen Politik. Und mit jedem Tag, an dem die Lage aussichtsloser wird, ein bisschen mehr, meint Het Laatste Nieuws. Klar ist der Gedanke verlockend: Wenn die Karten ungünstig liegen, dann wird eben neu gemischt. Damit sie besser fallen. Günstiger. Komfortabler. Eindeutiger. Nur: So funktioniert Demokratie nicht. Volkes Wille lässt sich nicht verbiegen. Alle Sitze sind vergeben. Und es kann nie unmöglich sein, die Hälfte plus einen Sitz zu bündeln, um eine Regierung zu bilden, die im Sinne aller Belgier agiert. Die Probleme dieses Landes kann man in jedem Fall nicht lösen, indem man den Kopf in dem Sand steckt.
Für Het Belang van Limburg richtet sich das Augenmerk der PS vor allem auf die Wallonie. Die Sozialisten wollen mit allen Mitteln verhindern, dass Ecolo bei den wallonischen Koalitionsverhandlungen aussteigt. Deswegen auch die unversöhnliche Haltung der N-VA gegenüber. Erstmal will die PS eine zu starke linke Opposition in der Wallonie vermeiden. Zugleich sind die Grünen aber auch auf der föderalen Ebene Teil des sozialistischen Plan B. Das wäre eine Regenbogen-Regierung ohne die N-VA. Die PS spielt hier ein durchaus zynisches Spiel.
Ein Status quo ist keine Option!
"De Wever löscht den Brand über eine höhere Autosteuer", notiert derweil De Tijd auf ihrer Titelseite. Am Mittwoch hatten einige flämische Zeitungen gemeldet, dass die neue flämische Regierung die Kraftfahrzeugsteuer erhöhen könnte. N-VA-Chef Bart De Wever beeilte sich fast schon, um die Meldung zu dementieren. "Alles Unsinn", ließ er verlauten.
Diese Episode lässt tief blicken, meint De Morgen. Die N-VA weiß, dass der Flame nicht nur den sprichwörtlichen Ziegelstein im Bauch, sondern auch den schicken Wagen im Carport hat. "Finger weg von meinen Rechten und Gewohnheiten!", so scheint der Flame zu ticken. Für Politiker ist das ein Dilemma. Auf der einen Seite Volksstimme, auf der anderen Seite nötige Weichenstellungen. Und beides ist nicht immer leicht zu vereinbaren. In Bereichen wie der Raumordnung, der Mobilität oder dem Klimaschutz auf ein Status quo zu setzen, dass ist aber auch keine Option.
Roger Pint