"Auf frankophoner Seite schließt nur die MR eine Regierung mit der N-VA nicht aus", titelt La Libre Belgique. "CDH versetzt Gedankenspielen über Neuauflage der Schwedischen Koalition den Todesstoß", notiert De Standaard auf Seite eins.
In einem Interview mit der Zeitung L'Echo hatte CDH-Parteichef Maxime Prévot am Dienstag angekündigt, nicht zusammen mit den flämischen Nationalisten von der N-VA regieren zu wollen. Viele Zeitungen greifen diese Ankündigung am Mittwoch in ihren Leitartikeln auf.
La Libre Belgique kommentiert: Jetzt hat also auch die CDH die N-VA abgelehnt. Damit bleiben nur noch die Liberalen der MR als frankophoner Partner für die N-VA übrig. Auf der einen Seite ist es verständlich, dass die meisten frankophonen Parteien nicht mit der N-VA Politik gestalten wollen. Aber sie dürfen nicht vergessen, dass die N-VA zwar nationalistisch, aber trotzdem noch eine demokratische Partei ist. Zudem ist sie mit Abstand die beliebteste Partei in Flandern. Sich von vornherein gegen eine solche Partei auszusprechen, trägt auch dazu bei, den Graben zwischen Flamen und Wallonen zu vertiefen, bemerkt La Libre Belgique.
Mal wieder unnötige Plattitüden
De Tijd analysiert: Maxime Prévot hat durch seine Ankündigung Druck auf die flämische Schwesterpartei CD&V ausgeübt. Die steht jetzt unter Zugzwang, sich zu positionieren: Geht es nach links, oder nach rechts mit der CD&V? Darüber hinaus scheint es seit Dienstag noch schwieriger geworden zu sein, nach den Wahlen eine neue Föderalregierung zu bilden. Denn die CDH wurde ja oft als natürlicher Partner gewertet, um eine Neuauflage der Schwedischen Koalition zu ermöglichen. Diese Möglichkeit scheint jetzt nicht mehr gegeben. Obwohl es natürlich nicht sicher ist, ob Prévot auch nach den Wahlen bei seiner Haltung bleibt, gibt De Tijd zu bedenken.
De Morgen wertet: Sich so deutlich gegen eine Zusammenarbeit mit der N-VA auszusprechen, war eine dumme Idee von Prévot. Denn wenn er Wort hält, blockiert er eine mögliche Regierungskoalition, wodurch wiederum das ganze Land monatelang blockiert werden könnte. Hält er sein Wort nicht, verliert er an Glaubwürdigkeit. Es ist bedauerlich, zu sehen, dass auch diese Wahlkampagne nicht ohne solche im Grunde unnötigen Plattitüden ausgekommen ist, bedauert De Morgen.
De Standaard spottet: Im Grunde ist es unerheblich, was Prévot da am Dienstag gesagt hat. Die CDH kämpft gerade um ihr Überleben und selbst mit ihr wäre es ja äußerst fraglich, ob eine Neuauflage der Schwedischen Koalition rein rechnerisch überhaupt möglich wäre. Und selbst wenn Prévot doch noch seine Meinung ändern und eine Neuauflage mit der CDH kommen würde: Diese Mehrheit mit der unzuverlässigen Mini-Partei von Prévot bliebe prekär, ätzt De Standaard.
Einfach mal sachlich geht wohl nicht
L'Avenir beschäftigt sich mit umstrittenen Äußerungen von N-VA-Chef Bart De Wever zu Razzien gegen illegale Flüchtlinge in Antwerpen. Vor Parteimitgliedern hatte er gesagt, dass es bei der Durchführung von Razzien ein Vorteil sei, einen Asylstaatssekretär aus der eigenen Partei zu haben. Mit ihm könne man sich absprechen, wie viele Flüchtlinge ausgeflogen werden könnten und wohin.
Ein Journalist hatte diese Äußerungen von De Wever bei einer verdeckten Recherche aufgenommen und sie jetzt veröffentlicht. Solche Enthüllungen sind gut, findet L'Avenir. Gerade in Wahlkampfzeiten. Sie zeigen den Unterschied zwischen dem, was Politiker in der Öffentlichkeit sagen, und dem, wie sie sich außerhalb der Öffentlichkeit äußern. Man muss nur aufpassen, dass bei den Sympathisanten der N-VA nicht der Eindruck entsteht, dass es sich bei den Enthüllungen um ein Komplott handelt. Denn dann geht der Schuss nach hinten los. Zumal solche Gedanken nicht ganz von der Hand zu weisen sind. Immerhin sind die Aufnahmen des Journalisten schon zwei Jahre alt, hält L'Avenir fest.
Gazet van Antwerpen meint zum gleichen Thema: Inhaltlich ist eigentlich alles korrekt, was Bart De Wever da gesagt hat. Dafür haben wir uns extra bei einem Experten erkundigt. Es sei völlig normal, dass vor einer Polizeiaktion gegen illegale Flüchtlinge Plätze in Abschiebezentren reserviert würden. Auch sei es normal, dass man sich dabei auf bestimmte Nationalitäten fokussiere. Normale Praktiken also eines Rechtsstaats. Was bei De Wever übel aufstößt, ist die Wortwahl und das Lachen, das man auf den Aufnahmen hört. Denn es geht hier um Menschen. Sich mit solchen Worten abfällig über ihr Schicksal zu äußern, gehört sich nicht. Warum können sich Politiker nicht einfach sachlich zu Themen äußern, ärgert sich Gazet van Antwerpen.
Muss erst ein Dachstuhl brennen?
L'Echo beschäftigt sich mit dem Zustand der Museen in Belgien und führt aus: Reden wir nicht lang um den heißen Brei herum. Die Föderalpolitik in Hinsicht auf Museen ist eine Katastrophe. Das gilt sowohl für die Regierung von Michel als auch für seine Vorgängerregierung. Überall fehlt es an Geld, Personal und oft gar der grundlegenden Infrastruktur.
Aus wirtschaftlicher Sicht ist das Selbstmord, denn Investitionen in die Kultur rechnen sich immer. Das zeigen alle diesbezüglichen Berichte. Muss erst ein Dachstuhl brennen, bevor Millionen freigemacht werden, fragt L'Echo.
Kay Wagner